Bei der StZ-Weihnachtsaktion helfen Leserinnen und Leser mit Spenden vielen Menschen in Not. Unterstützt werden bedürftige Menschen in der Region, die durch Krankheit, Arbeitslosigkeit und andere Schicksale in einer prekären Situation sind. Wir schildern einige Fälle.

Lokales: Sybille Neth (sne)

Bei der StZ-Weihnachtsaktion helfen Leserinnen und Leser mit Spenden vielen Menschen in Not. Unterstützt werden bedürftige Menschen in der Region, die durch Krankheit, Arbeitslosigkeit und andere Schicksale in einer prekären Situation sind. Wir schildern einige Fälle.

 

Arbeiten bis weit über die Schmerzgrenze

Von Sybille Neth

Heute sitzt Frau B. an der Kasse. Für ihren Rücken ist das zwar auch nicht optimal, aber es sei zum Aushalten, sagt sie. Nach der Operation ihres Bandscheibenvorfalls spürt sie ihr rechtes Bein wieder. „Es ist besser. Aber gut ist es noch nicht.“ Frau B. klagt nicht. Davor sei es so gewesen, als gehöre das Bein gar nicht mehr zu ihrem Körper, erzählt sie. Jahrelang hat sie sich mit Rückenschmerzen gequält und eines Morgens nicht mehr alleine aufstehen können, so schlimm waren die Beschwerden. Die Medikamente halfen nichtsmehr, und während ihrer Leidenszeit bekam sie sogar Morphium gespritzt, damit sie die Schmerzen aushält.

Trotzdem ging Frau B. täglich zur Arbeit und bugsierte in einem Lebensmittelmarkt früh morgens Obst- und Gemüsekisten in die Regale. „Ich habe keine Ausbildung. Ich habe mich deshalb nicht getraut zu fehlen, aus Angst, dass man zu mir sagt, ich brauche gar nicht mehr zu kommen.“

Ihr eiserner Wille, ihren Job und damit ihre Selbstständigkeit zu bewahren, ging weit über die Schmerzgrenze hinaus. Mit diesem eisernen Willen hat sie auch die schreckliche Zeit ihrer Ehe überstanden. Erst vor einigen Jahren hat sie sich endgültig von ihrem gewalttätigen, alkohol- und spielsüchtigen Mann getrennt. Regelmäßig hatte er sie während der Ehejahre verprügelt. „Das waren peinliche Zeiten“, sagt Frau B. „Obwohl ich ja nichts Schlechtes getan hatte, habe ich mich geniert. Als ich ein blauesAugehatte, habe ich es verbunden und gesagt, dass ich eine Augenoperation hatte. Aber als kurz darauf das andere Auge blau war, hat es niemand mehr geglaubt“, sagt sie.

Vom Ehemann verprügelt

Gearbeitet hat der Ehemann nie, dafür hat er mit seiner Spielsucht Schulden aufgehäuft. Frau B. hat die Kinder versorgt, den Lebensunterhalt im Schichtdienst verdient, den Haushalt gemacht. Ihr Mann war zu Hause und kommandierte sie herum. „Ich bin wahrscheinlich 20-mal mit den Kindern zu meiner Familie geflüchtet, aber immer bin ich wieder zurückgekommen, weil er versprochen hat, sich zu bessern“, erzählt sie. „Ich war so jung und so naiv.“ Eines Tages wurde ihr klar, dass sich nie etwas ändern wird. „Die Kinder darfst du nicht mitnehmen“, schrie er, als sie ankündigte, sich von ihm zu trennen. Für Frau B. war der Leidensdruck durch seineDrohungen so groß, dass sie die Kinder zurückließ und auszog. Lange hat sie in einemZimmer gelebt und weiter den Lebensunterhalt für die Familie bestritten. Schließlich zog eines der Kinder zu ihr.

Auch nach der Trennung ging der Terror durch ihren Mann weiter. Er lauerte ihr auf und prügelte auf offener Straße auf sie ein. „Ein paar Mal bin ich sogar mit Polizeischutz zur Arbeit.“ Ständig lebte sie in Angst vor ihm. Dann ist zu allem Unglück eines der Kinder lebensgefährlich erkrankt. Dieser Schicksalsschlag brachte ihn anscheinend zur Vernunft, denn seine Nachstellungen und Übergriffe hörten von diesem Zeitpunkt an allmählich auf. Das Kind hat seine schwere Krankheit überstanden und ist heute wieder wohlauf. Ob Frau B., die jetzt Ende dreißig ist, jemals wieder völlig gesund wird, können die Ärzte nicht sagen. Im Augenblick benötigt die Patientin dringend eine orthopädische Matratze, damit ihr Rücken gut gelagert ist. Den Lattenrost dafür hat FrauB. sich schon selbst gekauft.

Während ihrer mehrmonatigen Krankheit hat Frau B. 67 Prozent ihres geringen Gehaltes als Krankengeld erhalten. Wegen der finanziellen Einbußen durch die Krankheit und die Arbeitsunfähigkeit kann sie die 600 Euro für die aus medizinischen Gründen dringend notwendige Matratze nicht selbst aufbringen.

Der Traum ist ausgeträumt

Das gerahmte Foto zeigt einen strahlenden Mittdreißiger auf einer Harley Davidson. Herr K. hatte sich damit einen Traum erfüllt: „Einmal mit so einer Maschine durch die USA zu fahren, das wollte ich immer schon“, schwärmt er. Wenige Monate nach diesem Glücksmoment kam der Tiefschlag.

Kurz vor seinem 37.Geburtstag bekam Herr K. die Diagnose: chronisch fortschreitende Multiple Sklerose.„Ich hatte immer wieder Gleichgewichtsprobleme und bin öfters umgeknickt“, erzählt er. Mehrere Bänderrisse mussten genäht werden, eine Meniskusoperation sollte das Problem beheben. Erfolglos. „Meine damalige Lebensgefährtin schleppte mich kurz nach dem USA-Urlaub zum Arzt. Sie sagte: Du gehst so eigenartig.“

Erst tippten die Ärzte auf Bandscheibenprobleme, doch dann brachte eine Fachärztin dieWahrheit ans Tageslicht. „Haben Sie eine Ahnung, an was Sie leiden?“, hatte sie ihn gefragt und er hatte geantwortet: „Solange es nicht Krebs oder MS ist, ist es nicht so schlimm“, erzählt er sarkastisch. „‚Das zweite ist es’, hat sie dann gesagt.“

Die Beziehung ging in die Brüche

In den beiden folgenden Jahren konnte Herr K. weiter seiner Arbeit nachgehen, bis er eines Tages zu Hause umkippte und nicht mehr aufstehen konnte. Zusammen mit diesem ersten heftigen Krankheitsschub entwickelte sich ein weiteres Symptom: Herr K. ermüdet schnell und ist extrem hitzeempfindlich. Seine Arbeit musste er aufgeben. Heute geht er an Krücken und weiß, dass er absehbarer Zeit auf einen Rollstuhl angewiesen sein wird. Die Beziehung mit seiner Lebensgefährtin ging in die Brüche, nicht direkt wegen der Krankheit, sagt er, aber irgendwie habe alles schon miteinander zu tun. Aus der gemeinsamen Wohnung ist Herr K. ausgezogen und lebt jetzt alleine in einer behindertengerechten Wohnung. „Da gibt es viel Gemeinschaft. Zum Beispiel macht ein Nachbar die Kehrwoche für mich. Ich kann das ja nicht mehr.“

Herr K. hat sein Schicksal angenommen. „Mir geht es viel besser als vielen anderen Menschen“, sagt er. „Ich habe keine Angst vor dem Rollstuhl. Das Leben geht trotzdem weiter.“ Herr K. hat gute Freunde, die ihm helfen. „Aber ich will die Hilfe oft gar nicht, sondern möglichst alles alleine machen“, betont er. Deshalb lehnt er auch die Taxidienste der Freunde meistens ab und fährt mit Bus oder Bahn. In seiner Wohnung benötigt Herr K. eine Kücheneinrichtung mit einer unterfahrbaren Arbeitsplatte und Spüle. „Ich koche gerne, am liebsten Fleischgerichte“, verrät er.

Doch seit dem Einzug im Sommer muss er sich mit einem Wasserkocher und kalter Küche begnügen, denn diese Kücheneinrichtung ist teuer. Weil er mit nicht einmal 40 Jahren in Rente gehen musste, fällt diese klein aus. Die behindertengerechte Kücheneinrichtung kann sich Herr K. davon nicht finanzieren, zumal er auchsein höhenverstellbares Spezialbett nur zumTeil von der Krankenkasse erstattet bekommt und den Rest aus eigener Tasche bezahlen muss.

Der Vater hat die Tochter an Freier verkauft

„Ich war mir sicher, dass esmit uns beiden was wird“, sagt Herr G. Für Frau Z. dagegen war dies anfangs völlig undenkbar gewesen. Noch nie hatte die knapp 50-Jährige eine Beziehung mit einem Mann. Doch ihr Umzug in eine Einrichtung für betreutes Wohnen stellte ihr Leben auf den Kopf. Herr G. aus der Nachbarwohnung lud sie zum Frühstück ein, und Frau Z. spürte zum ersten Mal so etwas wie Vertrauen zu einem männlichen Wesen. „Die Wohnungstür musste er in der ersten Zeit allerdings immer offenlassen. Ichbrauchte immer einen Fluchtweg“, erklärt sie.

An den Unterarmen von Frau Z. reiht sich Narbe an Narbe. Als Teenager hatte sie begonnen, sich systematisch zu zerstören: Sie ritzte sich und infizierte die Wunden, damit sie sich entzünden. Hinzu kamen Alkohol, Medikamente und Heroin. Ihren Kindheitserinnerungen wollte sie entrinnen, bekamsie aber nie los, und so versuchte Frau Z. sich auch mehrfach das Leben zu nehmen. Erst mit Mitte vierzig hat sie ihre Drogenkarriere überwunden.

Frau Z. ist die jüngste in der Reihe mehrerer Geschwister. Die älteren Kinder waren alle bereits im Teenageralter aus dem Elternhaus ausgezogen, und Frau Z. war deshalb mehrere Jahre als einziges Kind bei ihren Eltern. „Ichkann mich genau erinnern: als ich sechs war, war das erste Mal was“, sagt sie nüchtern. Ihr Vater hat sie nicht nur regelmäßig körperlich misshandelt und sexuell missbraucht, er hat seine jüngsteTochter auch jahrelang an pädophile Freier verkauft. „Er hatte ein Wochenendhaus. Da hat er mich immer hingebracht.“

Im Stich gelassen

Frau Z. vermutet, dass ihre Schwester ein ähnliches Schicksal gehabt hat: „Die hat mich völlig im Stich gelassen.“ Das bedrückt sie – mehr noch als die Rolle ihrer Mutter, die von alledem nichts bemerkt haben wollte. „Die hat Nachtschicht gearbeitet und tagsüber geschlafen“, erinnert sich Frau Z. Der Vater ist vor Jahren verstorben und wurde nie für seine Taten zur Rechenschaft gezogen. „Als ich 15 war, bin ich abgehauen. Mein Bruder hat mich aus dem Dreck rausgeholt“, erzählt sie. Nur zu ihm hat sie noch Kontakt, ihm ist sie dankbar, dass er sie gerettet hat.

Seit knapp zehn Jahren wird Frau Z. von einer sozialen Einrichtung unterstützt und ist wegen ihrer Depressionen auch in psychotherapeutischer Behandlung. Doch heute freut sie sich, es geht ihr viel besser als früher: „Noch nie habe ich so viel geschlafen wie jetzt“, sagt sie – und erzählt von Zeiten, in denen Schlaf für sie gleichbedeutend mit Albträumen war. Ihre Depressionen waren so stark, dass sie ihre Wohnung nicht mehr verließ, deshalb zog sie auf Anraten ihres Therapeuten in eine Wohngemeinschaft – neben die Wohnung von Herrn G.

Heute besuchen die beiden zusammen die Gemeinschaftseinrichtungen im Haus, und das Paar geht viel spazieren. Inzwischen ist FrauZ. zu ihm in sein Einzimmerapartment gezogen. Die räumliche Enge ertragen die beiden gut: „Wir nehmen eben Rücksicht auf die Bedürfnisse des anderen“, sagt sie. Jetzt benötigen Frau Z. und Herr G. ein richtiges Bett,denn bis jetzt gibt es nur eine durchgelegene Schlafcouch in der Wohnung. Dafür werden Spenden erbeten. Frau Z. braucht zudem aus medizinischen Gründen eine hochwertige Matratze. Sie leidet schwer an Arthrose. Auch das ist eine Folge der Schläge in der Kindheit.

Fest steht inzwischen eines aber auch: Anfang des neuen Jahres wollen Frau Z. und Herr G. heiraten. Das Aufgebot beim Standesamt haben sie schon bestellt.

Laute Geräusche machen das Kind aggressiv

Freunde hat das jüngste Kind noch nie zu Besuch gehabt, und der Kindergeburtstag wird grundsätzlich außerhalb der eigenen vier Wände gefeiert. „Zuhause wäre es zu gefährlich“, sagen die Eltern, denn das dritte Kind in der Geschwisterreihe ist schwer geistig behindert. Es verletzt sich selbst und ist aggressiv gegen andere. Auch Frau W. hat das schon oft zu spüren bekommen. „Ich habe öfters ein blaues Auge oder blaue Flecke“, sagt sie. Noch kann sie ihr heranwachsendes Kind pflegen, noch ist sie stärker. Lange wird dies nicht mehr der Fall sein, dann muss das Kind in ein Heim.

Als das Baby sechs Monate alt gewesen war, hatte sie bemerkt, dass es anders war als ihre älteren Kinder. „Die Beinchen waren seltsam verkrümmt“, erinnert sie sich. Der Kinderarzt vermutete zuerst eine Entwicklungsverzögerung, doch nach dem ersten epileptischen Anfall kam die Diagnose: Das Kind ist geistig schwerst behindert. Seit über einem Jahrzehnt sind die beiden Eheleute nicht mehr zusammen ausgegangen, denn einer muss ständig ein Auge auf das behinderte Kind haben. Dass noch ein jüngeres Geschwister zur Welt kam, empfindet Frau W. als kleines Wunder.

Und gleich als großes Wunder betrachtet sie, dass sie es fertig brachte, dass das Baby nie von dem extrem geräuschempfindlichen behinderten älteren Geschwister angegriffen worden ist. Das älteste der Kinder steht heute auf eigenen Beinen, das zweite Kind macht eine Ausbildung. Die Geschwister sind es gewohnt, dass sie sich erst frei inder Wohnung bewegen können, wenn das behinderte Kind schläft – und zwar mit Hilfe von Medikamenten. Es leidet stark unter lauten Geräuschen. „An dem Wochentag, an dem das Müllauto am Haus vorbei fährt, gerät es außer sich“, berichtet der Vater.

Gegen das Fenster gestürzt

Lange war er arbeitslos, inzwischen hat er wieder einen Job auf dem zweiten Arbeitsmarkt. „Hier darf kei nFremder in die Wohnung“, sagt er, und die Tür muss stets verschlossen sein, damit das autistische Kind nicht alleine auf die Straße geht. Die Vorhänge im Wohnzimmer hält Familie W. geschlossen, denn Licht reizt ihr zweitjüngstes Kind ebenfalls. Vor einiger Zeit hat es sich in seinem Zimmer gegen die Fensterscheibe gestürzt und sich verletzt. Dies war das Alarmzeichen für Herrn W., einen Antrag bei der Krankenkasse auf Sicherheitsverglasung für die Wohnung zu stellen. Doch die Kasse lehnt die Übernahme der Kosten ab und begründet dies damit, dass dies eine vorbeugende Maßnahme sei und nicht direkt in Zusammenhang mit der Pflegebedürftigkeit des Kindes stehe. „Für mich wäre das schoneine große Erleichterung“, sagt Frau W. „Dann könnte ich, wenn ich alleine in der Wohnung bin, auch mal beruhigt auf die Toilette.“

Das Kind ist schulpflichtig, war aber jetzt monatelang zuhause. Seit kurzem besucht es eine Schule für geistig Behinderte. Aber, so berichtet Frau W., die meiste Zeit müsse es außerhalb des Klassenraumes betreut werden, weil allein schon die Geräusche im Klassenzimmer für ihr Kind unerträglich seien. „Eigentlich bräuchte es einen Heilerziehungspfleger. Aber der wird nicht bezahlt“, sagt sie. „Vermutlich liegt eine Wahrnehmungsstörung im Ohr vor. Aber unser Kind kann uns ja nichts sagen.“ Das Einkommen von Herrn W., der alleiniger Ernährer der Familie ist, reicht nicht aus, damit sich die Familie als Erleichterung die Sicherheitsverglasung leisten kann.

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