Lokales: Matthias Ring (mri)

Toll, diesen Satz mal schreiben zu können: Früher war alles besser. Also, zumindest was den „Tatort“ aus Münster betrifft. Der Kripokommissar Frank Thiel und der Rechtsmediziner Professor Karl-Friedrich Boerne suchten nach dem Mörder und fanden herrlich skurrile Figuren, markige Worte und auf gewisse Weise auch zueinander. Der Proll und der Snob warfen sich Beleidigungen und auch Gegenstände an den Kopf und triezten einander – und doch wussten wir alle vor dem Fernsehschirm: Sie sind ein Dreamteam.

 

Nun ist aus den beiden ein Komikerduo geworden. Und aus dem Fernsehkrimi, der eine Geschichte erzählt, sich Zeit für seine Charaktere und sie vor allem ernst nimmt: eine Krimiklamotte. Sie will offenbar nur noch eines sein: lustig.

Abgenutzte Nummer

Das Interesse an ihren eigenen Protagonisten scheint den „Tatort“-Autoren irgendwie abhandengekommen sein. Es genügt nicht mehr, dass Thiels waldschratiger Vater ab und an einen Joint raucht – inzwischen marodiert er praktisch dauerbekifft und chronisch pleite in seinem Taxi durch die Handlung. Dem Kommissar selbst ist inzwischen auch das letzte anständige Kleidungsstück abhandengekommen, wenn er denn überhaupt je mal vollständig bekleidet ist. Und Professor Boerne, na ja, der war schon immer eine Karikatur seines Berufsstandes, nur nutzt sich die Opern-Champagner-Protzschlitten-Nummer samt pathologischem Hang zur Großspurigkeit auf Dauer einfach ab.

Die Macken, die einst dafür verantwortlich waren, dass die Figuren liebenswert wurden, sind mittlerweile so groß wie Krater, in denen der Rest zu verschwinden droht. Wenn die Marke zur Masche wird, bleiben am Ende nur Klischees.

Coole Typen, gute Schauspieler

Ich jedenfalls habe von Boerne und Thiel noch lange nicht genug, erst recht nicht, weil es um sie herum noch viele Möglichkeiten gibt. Das müsste man mal auserzählen: Vater Thiel überführt sein Taxi nach Marokko und kifft sich in den Lebensabend. Alberich zieht sich die Tarnkappe über und bleibt unsichtbar. Und die Frau Staatsanwältin erkrankt an Lungenkrebs, was sich auch prima in die ARD „Themenwoche“ einbauen lässt. Hauptsache, Natalia Wörner springt nicht in allerletzter Sekunde als Staatsanwältin ein, denn: was uns die Stuttgarter alles so angetan haben – da bin ich doch dreimal lieber Münsteraner!

Oder wäre womöglich eine alleinerziehende Mutter, die bedeutungsschwanger durch die niedersächsische Provinz streift, um verschworene Dorfgemeinschaften aufzuwühlen, die bessere Alternative?

Nein, da bleibe ich bei Liefers und Prahl, die coole Typen und nebenbei noch gute Schauspieler sind, was im „Tatort“ keine Selbstverständlichkeit ist. Wem das zu wenig Krimi ist, soll ein Buch lesen – oder abwarten, bis Til Schweiger, Christian Ulmen oder wie die alle heißen ihren Dienst antreten. Das, ja, das kann heiter werden!

Kontra: Tobias Köhler

Toll, diesen Satz mal schreiben zu können: Früher war alles besser. Also, zumindest was den „Tatort“ aus Münster betrifft. Der Kripokommissar Frank Thiel und der Rechtsmediziner Professor Karl-Friedrich Boerne suchten nach dem Mörder und fanden herrlich skurrile Figuren, markige Worte und auf gewisse Weise auch zueinander. Der Proll und der Snob warfen sich Beleidigungen und auch Gegenstände an den Kopf und triezten einander – und doch wussten wir alle vor dem Fernsehschirm: Sie sind ein Dreamteam.

Nun ist aus den beiden ein Komikerduo geworden. Und aus dem Fernsehkrimi, der eine Geschichte erzählt, sich Zeit für seine Charaktere und sie vor allem ernst nimmt: eine Krimiklamotte. Sie will offenbar nur noch eines sein: lustig.

Abgenutzte Nummer

Das Interesse an ihren eigenen Protagonisten scheint den „Tatort“-Autoren irgendwie abhandengekommen sein. Es genügt nicht mehr, dass Thiels waldschratiger Vater ab und an einen Joint raucht – inzwischen marodiert er praktisch dauerbekifft und chronisch pleite in seinem Taxi durch die Handlung. Dem Kommissar selbst ist inzwischen auch das letzte anständige Kleidungsstück abhandengekommen, wenn er denn überhaupt je mal vollständig bekleidet ist. Und Professor Boerne, na ja, der war schon immer eine Karikatur seines Berufsstandes, nur nutzt sich die Opern-Champagner-Protzschlitten-Nummer samt pathologischem Hang zur Großspurigkeit auf Dauer einfach ab.

Die Macken, die einst dafür verantwortlich waren, dass die Figuren liebenswert wurden, sind mittlerweile so groß wie Krater, in denen der Rest zu verschwinden droht. Wenn die Marke zur Masche wird, bleiben am Ende nur Klischees.

Und nun könnte man fast den Eindruck bekommen, dahinter stecke jenseits von Münster ein Trend, der die gesamte „Tatort“-Reihe erfasst hat. Sie wird immer mehr zu einem Formatradio am Sonntagabend: Viele Ermittlerteams bedienen nur noch eine Klangfarbe und sind in ihren Stereotypen und Konstruktionen gefangen. Beispiele gefällig? Die Kommissare waren mal miteinander verheiratet (Leipzig), haben ihre Familie auf tragische Weise verloren (Stuttgart), sind medikamentensüchtig (Dortmund) und schwer krank (Wiesbaden) oder einfach nur so traumatisiert (Frankfurt). Und so weiter.

Mal wieder gute Geschichten

Diese durch Dauerverbrauch abgenutzten Muster bekommen wir wieder und wieder serviert – und in den seltensten Fällen machen sie die Storys besser. Was sich die Drehbuchautoren für Christian Ulmen und Nora Tschirner ausdenken, dem neuen Team in Weimar, davor kann man sich nur fürchten. Und vor Til Schweiger sowieso.

Liebe „Tatort“-Autoren, erzählt uns einfach mal wieder gute Geschichten. Über Menschen und Kriminalfälle. So wie das die Briten mit „Luther“, „Für alle Fälle Fitz“ oder „Die Methode Hill“ tun. Und macht – bitte, bitte – aus den Münsteraner Comicfiguren wieder Charaktere. Denn wenn alles nur noch lustig ist, macht es einfach keinen Spaß mehr.

Tobias Köhler