Die Falkertschule ist vor 100 Jahren eröffnet worden. Sie war Lazarett und moderne Versuchsschule. Aktuell steht die Grund- und Werkrealschule vor großen Herausforderungen.

Aus den Stadtteilen: Kathrin Wesely (kay)

S-West - Kurz vor den Sommerferien hat die Falkertschule im Westen ihr 100-jähriges Bestehen gefeiert. Zurücklehnen kann sich der Jubilar aber nicht. Denn im Kampf ums Überleben der weiterführenden Schulen warten auf die Grund- und Werkrealschule noch eine Reihe von Herkulesaufgaben.

 

Im Zuge der Neuordnung der Werkrealschulen in Stuttgart soll die Falkertschule langfristig zur Gemeinschaftsschule umgerüstet werden. Hintergrund ist, dass die Stadt auf zurückgehende Schülerzahlen reagiert, indem sie Schulen schließt. Auch die Friedensschule in der Bismarckschule ist betroffen. Im Schuljahr 2014/15 soll sie der Falkertschule samt Schülern und Lehrern zugeschlagen werden. Desweiteren ist eine Fusion mit der benachbarten Schlossrealschule geplant. Von der Hasenbergförderschule kommen drei Lehrer, um das Thema Inklusion besser zu verankern.

Eine neue zehnte Klasse

Damit an der Falkertschule auch gewiss keine langweilige Routine aufkommt, erhält sie im September noch eine neue zehnte Klasse, die aus bunt zusammengewürfelten Schülern besteht. Die Altersspanne reicht von 16 bis 18 Jahren. „Die Jugendlichen kommen aus Berufsschulen, anderen zehnten Klassen in der Stadt, aus der Ausbildung, sie haben vorher gejobbt oder gar nichts gemacht“, erklärt die Schulleiterin Barbara Hohkamp mit einem etwas besorgtem Unterton. Aus dieser inhomogenen Truppe einen Klassenverbund zu schmieden, dürfte keine leichte Hausaufgabe werden. Mit all den Neuen wird die Schule zum neuen Schuljahr dann 320 Schüler zählen. Zuletzt war ihre Zahl auf 233 gesunken.

Blättert man das Buch zum 100-Jahr-Jubiläum durch, stellt man allerdings fest: Es ist fast alles schon einmal da gewesen. Die Schule war am 1. Mai 1914 als „Sammelschulhaus“ eröffnet worden. Wie die Schulleiterin Hohkamp schreibt, kamen damals Schüler der Seiden-, Römer-, Schwab-, Schreiber-, Johannes- und der Mädchenmittelschule in die Falkertstraße. „Alle zogen damals ein in das größte und schönste Schulhaus der Stadt“, so Hohkamp. Allerdings nicht für lange: Nach den Sommerferien 1914 wurde die Schule zum Lazarett umfunktioniert und blieb es bis nach Kriegsende. Ihre Wiedereröffnung erfolgte erst im Jahr 1920.

Weg vom Frontalunterricht

Kurz darauf wurde die Falkertschule zur „Versuchsschule“. Die Grundschule war gerade erst eingeführt worden, man forschte noch nach geeigneten pädagogischen Wegen. In der Falkertschule versuchte man es mit einer liberalen Methode. Hohkamp hält die Konzepte von damals für modern: „Man wollte weg vom Frontalunterricht und die Kinder nicht mehr stundenlang zwischen Bänke und Stühle pressen. Sie sollten Bewegung haben, man nahm sie mit ins Freie, erklärte ihnen die Natur. Die Welt sollte ihnen anschaulich gezeigt werden. Es war eine Zeit, in der man begann, die Kindheit als eigenständige Lebensphase ernst zu nehmen.“ Ein Schüler von damals schilderte später in einem Brief, wie er einmal frech den Spruch an die Tafel schrieb: „Der Himmel ist blau, das Wetter ist schön, Karl Aicher, wir wollen spazieren gehen.“ Anstatt einer Strafe erwarteten den Knaben samt Klasse ein Ausflug in den Schulgarten, wo der Lehrer „uns den Unterschied zwischen der Taubnessel und der Brennnessel“ zeigte – der sich dem Schüler offenbar bis ins hohe Alter einprägte.

1934 war Schluss mit dem modernen Zauber. Auf Erlass der Oberschulbehörde wurde der Schulversuch abgebrochen. 1944 ist das Gebäude dann schwer getroffen worden. Das einstige Einzugsgebiet war wie kein anderer Stadtteil flächenhaft zerstört. Doch im Oktober 1945 wurde zwischen den Trümmern des Schulhauses der Unterricht wieder aufgenommen, unter widrigsten Umständen. „Die Decke drohte, herunterzubrechen, die Fußböden zeigten große Löcher, und elektrisches Licht war keines da“, erinnert sich ein Schüler, wie im Jubiläumsbuch nachzulesen ist. Zum Heizen hatten die Kinder aus Trümmern einen alten Ofen geborgen, das Brennholz sammelten sie morgens auf dem Schulweg zusammen. Baulich wieder hergestellt war die Schule erst wieder im Frühjahr 1962.

Kuhn sieht eine „Vorzeigeschule“

Die Falkertschule wurde nie mehr „Versuchsschule“, aber auf neue Konzepte und Methoden hat man sich auch später immer wieder eingelassen. So wurde 1971 eine Förderklasse für besonders begabte Schüler eingerichtet. Bereits seit 1989 ist die Falkertschule Ganztagsschule, und seit dem Schuljahr 2008/09 wird in der Grundschule bilingual unterrichtet. Beim aktuellen Projekt Gesamtschule hat die Einrichtung ebenfalls eine Vorreiterrolle. In seinem Vorwort zum Jubiläumsbuch resümiert Stuttgarts Oberbürgermeister Fritz Kuhn: „Seit ihrer Gründung im Jahr 1914 ist die Falkertschule eine Vorzeigeschule, aber auch eine Schule im Wandel, die sich immer wieder selbst neu erfindet, sich den Erfordernissen der Zeit anpasst und häufig auch ihrer Zeit voraus ist.“