Hundert Tage nach ihrem Amtsantritt schätzt sich die neue Regierung als handlungsfähig ein. Die Herausforderungen: S 21 und Energiewende.  

Stuttgart - "Ich bin zufrieden." Mit diesen Worten bilanziert Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) die Ergebnisse der ersten hundert Tage grün-roter Regierungspolitik. "Wir sind gut gestartet", so der Regierungschef. Zwischen den Koalitionspartnern herrsche eine gute Atmosphäre. "In Kabinettssitzungen wird zügig entschieden." Und er nehme im Land "eine wirklich gute Stimmung wahr". Kretschmann weiter: "Die Menschen haben eine hohe Erwartung an uns alle, die wir sehr ernst nehmen." Dass die Neuen ihr Versprechen wahr machen, die Bürger stärker in Entscheidungen einzubinden, sei das, "was sie am meisten von uns erwarten".

 

Dass dies ein zentrales Thema der neuen Landesregierung ist, bekräftigten am Mittwoch der Regierungschef und sein Stellvertreter, Wirtschafts- und Finanzminister Nils Schmid (SPD). "Ich führe das Amt des Ministerpräsidenten ohne Machtattitüde", so Kretschmann. "Wir haben zwar klare Ziele, diskutieren mit den Leuten aber sehr offen über die Wege dahin." Nachhaltigkeit auch im politischen Handeln "geht der Geschwindigkeit vor".

Stuttgart 21 macht's schwer

Ein "Reibungspunkt" wie Stuttgart 21 sei eigentlich "koalitionsverhindernd", so der Ministerpräsident. Da sich Grüne und SPD aber auf "klare Verfahrensschritte" geeinigt hätten, würde der Konflikt "ganz gut gehandelt". S21 sei "das einzige Streitthema" der Koalition, ergänzte Schmid. Das sei von Anfang an klar gewesen. Man wisse, dass man einander nicht bekehren könne. Darum solle "die inhaltliche Debatte nicht allzu wuchtig" geführt werden.

Das kann laut Schmid dem Stimmenkampf vor der Volksabstimmung überlassen bleiben. In Deutschland sei es ein Novum, dass eine Sachfrage per Referendum entschieden werde, sagte Nils Schmid. "Wir wollen mit den Fakten vors Volk treten", nicht "unter dem Eindruck, dass etwas abgerissen wird". Damit unterstrich Schmid Kretschmanns Hoffnung, die Bahn möge "einsehen, dass bis zur Volksabstimmung keine irreversiblen Baumaßnahmen gemacht werden", etwa am Südflügel des Bahnhofs.

Chancengleichheit für alle

"Wenn Stuttgart 21 entschieden ist, bekommen wir die Bühne frei für die anderen Themen", sagte Schmid weiter. Das sind für ihn etwa eine Bildungspolitik, die "Chancengleichheit für alle sichert" sowie eine Gesellschaftspolitik, "die Vielfalt anerkennt" in einem wirtschaftlich stark bleibenden Baden-Württemberg - alles "unterlegt von einer soliden Finanzpolitik".

Es sei "ein gemeinsames Anliegen der Regierung", darauf zu achten, dass das haushaltspolitische Handlungsdreieck von Investitionen, Vermögenserhalt und Schuldenabbau so austariert ist, "dass die Schuldenbremse eingehalten wird". Der Weg zur Konsolidierung habe erst begonnen, sagte Schmid. Man wolle dabei, so Kretschmann ergänzend, "nicht schöne Zahlen vorweisen, sondern in eine Struktur kommen, dass sich die Ausgaben nach den Einnahmen richten".

Nächste Herausforderung: Energiewende

Auch auf der Bundesebene habe sich Baden-Württemberg in den vergangenen hundert Tagen als sehr durchsetzungsstark erwiesen. Seine Landesregierung, so Kretschmann, "hatte einen maßgeblichen Anteil an der Durchsetzung des endgültigen Atomausstiegs und an der Einleitung der Energiewende auf Bundesebene." Diese im Land zu gestalten, sei eine der nächsten Herausforderungen. Aber auch hier sieht Grün-Rot die Chance, Akzente zu setzen. Und zwar über die Beteiligung des Landes an der EnBW. Im Aufsichtsrat hätten "erste Strategiegespräche" begonnen; freilich werde es "ein ziemlich langer und auch kein einfacher Weg", den Energieversorger umzubauen.

Insgesamt habe man von der Wirtschaft auf die dialogorientierte Wirtschaftspolitik eine "gute Resonanz" bekommen. "Es ist gelungen, eine breite Debatte über nachhaltiges Wirtschaften auszulösen", sagte Kretschmann. Auch wenn es dabei schon auch das eine oder andere Missverständnis gegeben habe.