Ein Manifest für den Frieden haben christliche und muslimische Gemeinden in Sindelfingen verabschiedet -  und erinnern damit an die 9/11-Anschläge.

Regio Desk: Oliver im Masche (che)

Sindelfingen - Auch zehn Jahre nach den Anschlägen auf das World Trade Center und das Pentagon steht selbst den Menschen diesseits des Atlantiks angesichts der Gewalt der Al-Kaida-Terroristen die Fassungslosigkeit ins Gesicht geschrieben. Mit dem Einsturz der zwei Hochhäuser wurde auch das Urvertrauen in eine friedliche Welt erschüttert. In Sindelfingen (Kreis Böblingen) pflegt man indes das friedliche Miteinander - in vielen kleinen Schritten, bei denen man stets die Gemeinsamkeiten der Völker unterstreicht, und die kulturellen Unterschiede nicht nur toleriert, sondern sie meist auch wertschätzt.

 

So ist der Dialog zwischen Christen und Muslimen in der Daimlerstadt, in der 6000 Moslems leben, von religiöser und ehrenamtlicher Seite schon lange vor dem 11. September 2001 angestoßen worden. Ein weiterer Höhepunkt des Miteinanders ist am Sonntag auf dem Marktplatz gefeiert worden.

"Niemand hat das Recht, im Namen der Religion zu Gewalt aufzurufen."

Mehr als 150 Teilnehmer nahmen an der Gedenkstunde zu Ehren der Opfer der Terrorschläge teil. Organisiert hatten das Treffen elf christliche und sieben muslimische Vereine aus der Stadt. "Niemand hat das Recht, im Namen der Religion zu Gewalt aufzurufen", sagte der Pfarrer Reinhardt Seibert von der evangelischen Goldberggemeinde, der die Gedenkstunde mit initiiert hatte. "Es gibt die Pflicht, ein Leben in Frieden und Gerechtigkeit zu führen - unabhängig von der Weltanschauung."

Die Vertreter der Christen und der Muslime verlasen den von Papst Johannes Paul II. im Jahr 2002 an weltweit alle Staats- und Regierungschefs gerichteten Dekalog von Assisi und bekannten sich damit zur gemeinsamen Verantwortung für den Frieden. Darunter waren neben den Vertretern der katholischen und evangelischen Kirche sowie der Freien Kirchen auch Mitglieder des Deutsch-Türkischen Vereins für Integration, des Deutschen Türkisch-Islamischen Kulturzentrums (DTIKD), des Sunnah-Vereins und des Nationalen Vereins Türkischer Arbeitnehmer. Auch ein Mitglied der Vereinigung Milli Görüs, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird, zählte zu den Unterzeichnern der Assisi-Gedenktafel, die an einem öffentlichen Raum ausgestellt wird - voraussichtlich im Rathaus.


Unter Punkt drei des Dekalogs von Assisi heißt es: "Wir verpflichten uns, die Kultur des Dialogs zu fördern, damit gegenseitiges Verständnis und Vertrauen zwischen den Einzelnen und den Völkern wachsen. Sie sind Voraussetzung für einen wahren Frieden."

Diesen Gedanken versucht man in Sindelfingen schon seit Jahrzehnten mit Leben zu füllen. So wird seit Mitte der 70er Jahre jährlich das Internationale Straßenfest gefeiert, an dem mehr als 30 Nationen ihre Stände aufbauen. An den drei Festtagen strömen mehr als 100.000 Besucher in die Stadt. Seit Mitte der 90er Jahre gibt es zudem den Christlich-Islamischen Dialog-einen Runden Tisch-mit dem Ziel, sich gegenseitig besser kennen zu lernen und zu verstehen. Dazu zählen auch Besuche in den Kirchen und der großen Ulu-Moschee sowie Kultur- und Freizeitveranstaltungen. Als nächste Aktion steht Ende dieser Woche die Eröffnung einer Bilderausstellung über Gastarbeiter der ersten Stunde an.

"Gegenseitige Verständnis muss wachsen"

Dennoch hob Mehmet Kaplan vom DTIKD-Kulturzentrum gestern hervor, dass noch viel zu tun sei. "Das gegenseitige Verständnis muss weiter wachsen", sagte Kaplan. Auch er kenne Stimmen von Moslems, die den Terroranschlag vom 11. September verharmlosen. "Solche Leute kann man leider nicht mit Argumenten erreichen. Wir müssen versuchen, die friedvollen Menschen auf unsere Seite zu bringen."