Der Vorsitzende von Südwestmetall lockt bei den 13. Backnanger Wirtschaftsgesprächen rund 850 Gäste ins Festzelt. Stefan Wolf bekommt für seine Rede viel Applaus, aber auch ordentlich Kritik.

Rems-Murr/ Ludwigsburg: Martin Tschepe (art)

Backnang - Wenn der Backnanger Oberbürgermeister Frank Nopper einen mehr oder weniger prominenten Redner für seine Backnanger Wirtschaftsgespräche engagiert, dann hat er meistens einen listigen Hintergedanken im Kopf. Am Dienstagabend bei der Eröffnung des lokalen Wirtschaftsgipfels erklärt der OB, dass er von seinem ehemaligen „Vorzeigekommilitonen“ Stefan Wolf – abgesehen von einer ausgezeichneten Rede – nur eins erwarte: eine „arbeitsplatz- und gewerbesteuerträchtige Dependance“ von dessen Unternehmen in der Murrstadt.

 

Wolf ist der Vorstandsvorsitzende der Elring-Klinger AG in Dettingen an der Erms. Das Unternehmen entwickelt und produziert für die Automobilhersteller unter anderem Zylinderkopfdichtungen und hat weltweit rund 7400 Mitarbeiter. So ein kleiner Firmenableger in Backnang – das sollte doch, bitte schön, drin sein.

Harsche Kritik an der Politik

Doch Wolf widmet sich zunächst ausgiebig den großen Fragen, die Wirtschaftsbosse bewegen, zum Beispiel dem Thema Fachkräftemangel. Die Rente mit 63 sei ein großer Fehler, denn viele versierte Mitarbeiter gingen den Unternehmen verloren. Wolf fordert die Politik auf, eine Regelung zu finden, die es gut ausgebildeten Flüchtlingen ermöglicht, im Land zu bleiben, denn „wir brauchen diese Menschen“.

Er kritisiert die IG Metall, denn sie habe „den Pfad einer angemessenen Tarifentwicklung leider verlassen“. Die Mütterrente, sagt Wolf, sei grottenfalsch. Die vielen Milliarden Euro sollten besser für Einrichtungen der Kinderbetreuung ausgegeben werden, denn „wir brauchen mehr Frauen in den Unternehmen“. Auch den Mindestlohn und das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) geißelt der Hauptredner der 13. Backnanger Wirtschaftsgespräche. Deutschland, so Wolf, werde „ein technologiefeindliches Land“. Die Konkurrenz schlafe nicht, viele Firmen in Asien seien mindestens einen Schritt voraus.

„Mittelständischen Unternehmen gut gewappnet“

Trotz dieser ziemlich ernüchternden Analyse des Ist-Zustands stellt der Jurist dem südwestdeutschen Mittelstand ein Spitzenzeugnis aus. Gut 80 Prozent der Mittelständler seien mit den Rahmenbedingungen im Land sehr zufrieden beziehungsweise zufrieden. „Niemand ist unzufrieden.“ Baden-Württemberg liege damit „weit vor dem Bundestrend“. Der Südwesten gelte als die „innovativste Region“ in der EU. Wolf sieht die mittelständischen Unternehmen „gut gewappnet“.

Das engagierte Referat des Wirtschaftsmannes löste eine längere, kontroverse Debatte aus – das hatte es bei den Wirtschaftsgesprächen schon lange nicht mehr gegeben. Meistens wollen die Gäste möglichst schnell zum Buffet. Nopper spricht von einer „starken, aufrüttelnden Rede“, der Vorsitzende des Industrievereins Backnang, Harro Höfliger, von einem „hervorragenden Vortrag“. Menschen, die eher den Gewerkshaften, der SPD oder den Grünen nahe stehen, kritisieren zunächst vorsichtig, später beim Smalltalk ganz offen, dass Wolf fast nur Klischees bedient und nur ganz wenige neue Ideen geliefert habe.

„Eldorado für Mittelstand, Handwerk und Gewerbe“

Nopper sagt mit Blick auf die Situation der Unternehmen in Backnang und Umland: es gebe zwar keinen Anlass zum Übermut, „aber die Lage ist gut, so gut wie selten“. Die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten in der Stadt sei im vergangenen Jahr von 13 500 auf gut 14 000 gestiegen. Backnang sei eine „aufstrebende, florierende Stadt“. Die Verwaltung setze alles daran, dass „Backnang sogar ein Eldorado für Mittelstand, Handwerk, Gewerbe und freie Berufe ist“.

Wer weiß, vielleicht eröffnet die Elring-Klinger AG ja tatsächlich eines Tages eine Dependance in Backnang. Stefan Wolf jedenfalls behauptet, dass er – wenn er denn von dem Wunsch in Kenntnis gesetzt worden wäre – sogleich ein Baugesuch mit nach Backnang gebracht hätte.