Der Hoffenheimer Innenverteidiger Niklas Süle eint Wucht mit Eleganz und ist auf dem Weg, ein ganz Großer zu werden. Am Freitag empfangen Süle und Co. mit Borussia Dortmund einen Konkurrenten um die internationalen Plätze.

Sport: Marco Seliger (sem)

Stuttgart - Irgendwie ging der große Tag des Niklas Süle (21) ein bisschen unter. Als der Innenverteidiger von 1899 Hoffenheim sein Debüt in der Nationalelf feierte, redete kaum einer über diesen großen, jungen Innenverteidiger mit den herausragenden technischen Qualitäten. Gesprächsthema war ein alter Hase. Bastian Schweinsteiger beendete Ende August beim 2:0 gegen Finnland in Mönchengladbach seine Karriere im Nationalteam, weshalb Süles Einstand in den Hintergrund rückte. Auch der Abwehrmann selbst war damals berührt von Schweinsteigers tränenreichem Abschied und der emotionalen Rede vor dem Spiel. „Schade, dass Bastian jetzt geht, wo ich komme“, sagte Süle, „ich habe selbst einen Klos im Hals gehabt, als ich Bastis Tränen sah. Ein Riesen-Spieler geht.“

 

Süle holt in Rio Olympia-Silber

Dafür ist nun, wenn man so will, ein anderer Riese im Kommen. Niklas Süle, 1,95 Meter groß, 90 Kilogramm schwer, schickt sich an, die Fußballwelt zu erobern. Mit 1899 Hoffenheim ist der gebürtige Frankfurter in dieser Bundesligasaison noch ungeschlagen. Nach überragenden Auftritten bei den Olympischen Spielen in Rio und dem Gewinn der Silbermedaille mit dem deutschen Team setzte er seinen ganz persönlichen Höhenflug fort – und will nun mit seiner Mannschaft im Topspiel gegen Borussia Dortmund an diesem Freitag (20.30 Uhr) den Platz in der Spitzengruppe festigen. Dann trifft Süle auf den Turbosturm des BVB um den Torjäger Pierre-Emerick Aubameyang. Und es würde angesichts der jüngsten Leistungen nicht überraschen, wenn er auch den Sprinter aus Gabun ausschalten würde.

Süle gehört in dieser Saison zu den besten Innenverteidigern der Liga. Er ist nicht nur ein großer und starker Abwehrmann, der seinen Körper in den Zweikämpfen und Kopfballduellen geschickt einsetzt. Der Innenverteidiger ist obendrein extrem beweglich, sein Passspiel ist klar und präzise. Und manchmal, da tänzelt der Riese Süle im Spiel nach vorne durch die gegnerischen Reihen, was dann angesichts seiner Größe oft ziemlich lustig aussieht. Aber wenn man es nicht besser wüsste, würde man Süle angesichts seiner technischen Fertigkeiten fast schon für den Hoffenheimer Spielmacher hinter den Spitzen halten. Süle ist ein, wie es in der neudeutschen Fußballsprache heißt, kompletter Innenverteidiger. Er paart Wucht mit Eleganz und wandelt aufgrund seiner Qualitäten auf den Spuren der Weltmeister Mats Hummels und Jérome Boateng – was aufgrund seiner Ausbildung nicht verwundert.

Eine Fußballerkarriere auf dem Reißbrett

Süles bisherige Karriere ist ein Sinnbild für den Weg eines modernen Fußballprofis im 21. Jahrhundert. Im Dorfverein Rot-Weiß Walldorf entdeckt, später zu Eintracht Frankfurt und SV Darmstadt in die Jugend gewechselt. In den Trikots aller Juniorennationalmannschaften gespielt – und dann, ab 2010, den Feinschliff in der hoch geschätzten Jugendakademie von 1899 Hoffenheim erhalten. Dort feierte Süle sein Bundesligadebüt, wurde im Kampf gegen den Abstieg gestählt – und wer nun glaubt, dass der erste Rückschlag sicher noch kommen wird und die Karriere dann womöglich ins Wanken kommt, liegt daneben. Denn Süle erlitt im Dezember 2014 einen Kreuzbandriss – und kam danach noch stärker zurück.

Der heutige Hoffenheimer Bundesliga- Trainer und frühere Jugendcoach Julian Nagelsmann kennt Süle schon seit fünf Jahren. Wenn er auf den Weg seines Schützlings zurückblickt, kann er sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. „Nik war früher ein Freigeist“, sagt Nagelsmann, „er hat seine Rolle sehr offensiv interpretiert und brauchte ab und zu mal einen zwischen die Hörner. Das hat ihm nicht geschadet, wenn man sieht, wie stark er sich entwickelt hat.“ Süle selbst bestätigt den Coach in seiner Einschätzung: „Ich bin nicht mehr so vorlaut wie in der Jugend. Ich muss nicht mehr immer zu allem etwas erwidern, was Julian sagt.“

Auch der FC Bayern soll Interesse haben

Niklas Süle ist also auch persönlich gereift – und seine Entwicklung ist den europäischen Spitzenclubs nicht verborgen geblieben. Im Sommer bot der FC Chelsea 30 Millionen Euro Ablöse. Hoffenheim lehnte ab, weil die Bilanz nach dem Abgang von Kevin Volland zu Bayer Leverkusen schon im Gleichgewicht war. Nach dieser Saison könnten die Dinge anders laufen. Auch der FC Bayern München soll Interesse haben, der Kaderplaner Michael Reschke soll Süle bereits mehrfach bei seinen Chefs empfohlen haben. Süles Vertrag in Hoffenheim läuft bis 2019, gut möglich, dass er schon vorher den Abgang macht. „Karriereschritte sollten genau abgewogen werden“, sagt der Innenverteidiger selbst dazu, betont aber auch, dass jeder junge Profi von Spielen auf internationalem Niveau träume. Bei Niklas Süle scheinen sie nur noch eine Frage der Zeit zu sein.