Unter Julian Nagelsmann hat 1899 im Kampf gegen den Abstieg auch beim 2:1 gegen Ingolstadt drei ganz wichtige Punkte geholt. Der Erfolg liegt am Profil des jüngsten Trainers der Liga und daran, dass er kein Autoritätsproblem besitzt.

Sport: Heiko Hinrichsen (hh)

Hoffenheim - Es kommt womöglich nicht zum ersten Mal vor, dass der ehemalige Fußballprofi und derzeit äußerst strebsame Bodybuilder Tim Wiese mit einer Einschätzung ein wenig daneben liegt. Den Spitznamen „Baby-Mourinho“, den hatte der einstige Hoffenheimer Torhüter dem jungen Trainer Julian Nagelsmann verpasst. Das war zu einer Zeit, als der jüngste Chefcoach in der Geschichte der Fußball-Bundesliga noch als Assistent unter der Regie seiner Vorgänger Frank Kramer, Marco Kurz und Markus Gisdol tätig war.

 

Tatsächlich hinkt der Vergleich des angehenden Wrestlers Tim Wiese ja gewaltig: Zwar ist auch Julian Nagelsmann eine gehörige Portion Selbstbewusstsein mit auf den Weg gegeben worden; doch die offenbar naturgegebene Arroganz von „The Special One“, wie sich der Portugiese José Mourinho einst taufte, die geht dem gebürtigen Landsberger völlig ab.

Natürlich sind sie in Hoffenheim derzeit ziemlich stolz auf ihren blutjungen, äußerst erfolgreichen Cheftrainer, mit dem die gerne als Retortenclub verschrieenen Kraichgauer endlich mal wieder ein Alleinstellungsmerkmal besitzen. Denn derart jugendlich-frisch wie bei Hoffe mit dem unerschrockenen Nagelsmann geht es sonst auf keiner anderen Bundesliga-Trainerbank zu.

Nagelsmann folg auf den herzkranken Huub Stevens

Der Neue folgte am 11. Februar nach dem 20. Spieltag auf den gesundheitlich angeschlagenen Huub Stevens. Viele Fans sagen, das war gerade noch rechtzeitig, um den damals mit 14 Pünktchen auf Platz 17 abgestürzten Club des Selfmade-Milliardärs Dietmar Hopp noch aus den Niederungen der Tabelle ans Licht zu befördern. „Uns fehlen nur noch drei Punkte zur besten Rückrunde unserer Bundesliga-Geschichte“, jubelte der Manager Alexander Rosen nun nach dem knappen 2:1 (1:1)-Sieg über den bereits gesicherten Aufsteiger FC Ingolstadt. Mit 37 Punkten haben sich die Hoffenheimer einen Puffer auf den VfB, auf Bremen und Frankfurt herausgespielt. Auch die Aufgabe am 33. Spieltag, ein Gastspiel beim bereits abgestiegenen Schlusslicht Hannover 96, erscheint machbar.

„Wir sind noch nicht gerettet – und müssen wo weitermachen“, brüllte Julian Nagelsmann allerdings den Spielern nach Spielende im Abschlusskreis auf dem Rasen ins Gewissen. Zwar sind die meisten seiner Akteure auf dem Feld nur unwesentlich jünger als er selbst – ein Autoritätsproblem besitzt der Chefcoach aber nicht. So hat der alternde Starstürmer Kevin Kuranyi, 34 , der nach drei Jahren bei Dynamo Moskau Probleme mit dem Tempo der Bundesliga besitzt, unter ihm noch keine Minute gespielt. Und dem Siegtorschützen gegen Ingolstadt, dem Einwechselspieler Nadiem Amiri, dem erklärte Nagelsmann, „dass mir sein Torjubel nicht gefallen hat.“

Damit meinte der Trainer lediglich den ersten Teil der Jubelarie. Denn nach Toren von Stefan Lex für den FCI (17.) und dem Ausgleich von Mark Uth (37.) war Amiri das erlösende 2:1 gelungen, ehe er sich seines Trikots entledigte, um mit beiden Zeigefingern selbstverliebt auf seine nackte Brust zu deuten. Dass der 19-Jährige kurz danach das Trikot mit der Nummer 17 in die Höhe hielt, dürfte auch dem Trainer gefallen haben. „Ich habe dem Steve eine SMS ins Krankenhaus geschrieben, dass ich für ihn treffen werde“, sagte Amiri: „Zum Glück hat das geklappt.“ Schließlich hatte sich die Nummer 17 im TSG-Kader, der Schweizer Steve Zuber, bei einem Trainings-Zweikampf mit dem Landsmann Fabian Schär einen Schädelbasisbruch zugezogen.

Nur Bayern, Dortmund und Leverkusen sind besser als Hoffe

„Im Gegensatz zu früher gehen wir aus engen Spielen nun als Sieger raus“, sagte der TSG-Trainer, der in der „Nagelsmann-Tabelle“ mit sieben Siegen, zwei Remis bei drei Niederlagen, also 23 Punkten aus zwölf Spielen unter seiner Regie, nur den Bayern, Dortmund und Leverkusen den Vortritt lassen muss. Doch derlei Rechenspielchen liebt der Trainer, der seine eigene Karriere beim FC Augsburg II mit 20 Jahren wegen Kniebeschwerden aufgeben musste, nicht. „Ich sehe bei uns beiden wenig Gemeinsamkeiten“, sagte Nagelsmann zum Vergleich mit Mourinho. Der war mit 28 Jahren übrigens erst Co-Trainer beim portugiesischen Zweitligisten AD Ovarense.