Das schwul-lesbische Zentrum wird noch in diesem Jahr zu einer Erstberatungsstelle. Langfristig wünscht sich das Zentrum des Vereins Weißenburg ein Regenbogenhaus für Stuttgart.

Lokales: Sybille Neth (sne)

S-Süd - Im 20. Jahr wird alles anders: Das schwul-lesbische Zentrum Weißenburg wird zur Erstberatungsstelle. „Wir streben sehr ambitioniert an, dass wir damit am 1. April starten“, kündigt Joachim Stein an, der das Zentrum mitgegründet hat. Zusammen mit weiteren Vereinen und Aktiven aus der schwul-lesbischen Szene will das Zentrum in einem Gebäude in der Lazarettstraße ein Büro beziehen, speziell für das Beratungsangebot. Nach etlichen Jahren hartnäckigem Kampf bekam die Einrichtung jetzt im Doppelhaushaushalt 2016/17 eine halbe Stelle für die Beratung von Schwulen bewilligt. Die andere halbe Stelle ging an das Fraueninformationszentrum.

 

Große Feier mit Politprominenz

Gefeiert wurde das 20-jährige Bestehen bei Kaffee und Kuchen am Sonntagnachmittag. Unter den zahlreichen Gratulanten war auch Politprominenz: Sozialbürgermeisterin Isabel Fezer (FDP) und die stellvertretende Präsidentin des Landtags, Brigitte Lösch (Grüne), warben in ihren Grußworten für Toleranz. Die Ministerin für Soziales im Land Katrin Altpeter hatte ihre Glückwünsche schriftlich geschickt. Vertreten waren beim Fest auch Repräsentanten der im Gemeinderat vertretenen Fraktionen. Für Stein beweist das Votum für die Beratungsstelle, dass die offizielle Seite gegenüber Schwulen und Lesben mittlerweile sehr tolerant sei. Ein Meilenstein auf diesem Weg sei der Aktionsplan des Sozialministeriums Baden-Württemberg gewesen, um „Vorurteile gegenüber lesbischen, schwulen, bisexuellen, transsexuellen, transgendern, intersexuellen und queeren Menschen (LSBTTIQ)“ abzubauen. In diesem Zusammenhang zeigte sich bei einer Umfrage des Sozialministeriums unter 2300 Betroffenen, dass sich mehr als die Hälfte von ihnen mehr Beratung wünschen würden.

Beratungsstelle soll in einigen Wochen fertig sein

Wenn alles klappt, können sich in dem zusätzlichen, neuen Büro des Zentrums verunsicherte Jungs und Männer sowie Eltern, die mit der Homosexualität ihres Sohnes konfrontiert sind, in einigen Wochen schon Rat holen. „Wir wollen aber keineswegs alle, die kommen, den schwul-lesbischen Kreisen zuordnen“, betont Stein. Wenn ein Jugendlicher kein Interesse an Mädchen verspüre, werde erst einmal geforscht, ob es vielleicht organische oder psychische Gründe dafür geben könne.

Mitgefeiert haben am Sonntag auch Vertreter der Türkischen Gemeinde Stuttgart. Mit ihr zusammen arbeitet das Zentrum an einem Projekt, das sich an Schwule und Lesben mit Migrationshintergrund richtet. „Wir haben seit 20 Jahren fast nur Deutsche beziehungsweise Menschen aus Mitteleuropa bei uns“, berichtet Joachim Stein. Migranten kommen oft aus einem streng religiösen Umfeld und haben laut Stein die größten Hemmungen, sich zu outen. Nun wollen der Verein und das Zentrum den Kontakt zu jungen Schwulen und Lesben in Vereinen und in den Schulen suchen und mit den Jugendlichen zusammen diskutieren, was sich verändern müsste, damit sie offen zu ihrer Homosexualität stehen können.

Das große Ziel ist ein Regenbogenhaus für Stuttgart

Vor 20 Jahren bezog das Zentrum seine 450 Quadratmeter großen Räume an der Weißenburgstraße. Dort angesiedelt ist unter anderem auch die Schwulenberatung Rosa Telefon. Insgesamt sind zehn eigenständige Vereine regelmäßig hier aktiv. Sie alle kommen aus der schwul-lesbischen Szene. „Wir haben zum Beispiel Anfragen für einen Raum, weil jemand bei uns einen Yogakurs oder einen Tanzworkshop anbieten will“, erklärt Stein.

Alle zwei Wochen treffen sich hier auch die Jugendgruppen für schwule Jungs und lesbische Mädchen. Die jüngsten Besucher und Besucherinnen sind gerade 15 Jahre alt. Außerdem hat das Café im Zentrum von Dienstag bis Freitag immer abends von 19 bis 22 Uhr geöffnet, sonntags von 15 bis 20 Uhr. Stein steht da oft selbst nach Feierabend hinter der Theke, denn der harte Kern derer, die das Zentrum am Laufen halten, sind gerade fünf Ehrenamtliche. Unter den Gästen im Café finde sich eine „wunderbare Mischung von ganz jung bis sehr alt“, freut sich Stein. „Unser ältester Stammgast ist kürzlich mit 91 Jahren verstorben.“ Das große Ziel des Zentrums ist es jetzt, zusammen mit anderen Gruppierungen ein so genanntes Regenbogenhaus in Stuttgart zu gründen.