Vor zwanzig Jahren ist der Kinder- und Jugendsender Super RTL an den Start gegangen. Damals gab es noch keine Pisa-Studien und keine Helikopter-Eltern, die nach Bildungsinhalten gefragt hätten. Heute ist das anders, sagt der Geschäftsführer Claude Schmit.

Stuttgart – - Er war von Anfang an, vom 28. April 1995, als Verantwortlicher mit dabei: Claude Schmit. Der 54-jährige Luxemburger, heute der Geschäftsführer von Super RTL, will mehr Bildungsinhalte ins Programm bringen und sieht sich generell mit gesteigerten Qualitätsansprüchen konfrontiert: „Die Kinder sind kritischer geworden“, sagt er im StZ-Gespräch.
Herr Schmit, haben sich die Kinder in den vergangenen zwanzig Jahren verändert?
Kaum, was ihre Sehgewohnheiten anlangt: Kinder sind noch immer vom Bewegtbild fasziniert, wollen unterhalten werden und dabei auch etwas lernen. Aber die Gesellschaft hat sich verändert. Stichwort Pisa-Studie und Helikopter-Eltern: die Zahl der Eltern, die Wert auf Bildungsinhalte legen, ist gestiegen. Wissen ist für Super RTL deshalb in Zukunft ein Differenzierungsmerkmal. Wir haben bereits täglich am Vorabend Wissensmagazine im Programm und wollen mittelfristig zum Kika-istischsten Privatsender in Deutschland werden.
Ältere Erwachsene erinnern sich gerne an die Augsburger Puppenkiste, „Pan Tau“ oder tschechische Märchenfilme. Woran erinnern Sie sich aus der eigenen Kindheit?
„Daktari“, „Immer wenn er Pillen nahm“ und solche Sachen. Ein eigenständiges Kinderfernsehen gab es früher ja nicht. Aber jetzt haben wir bei uns junge Mitarbeiter, die Super RTL schon aus ihrer Kindheit kennen und sich an Serien erinnern wie „Bob der Baumeister“. Und überhaupt ist heute das Angebot viel größer als früher.
Darunter ist aber reichlich Massenware, die billig produziert wird.
Nun, die Kinder sind kritischer geworden. Sie verlangen, dass Kindersendungen ein ähnliches Qualitätsniveau haben wie Erwachsenensendungen. Ehrlich gesagt: die Augsburger Puppenkiste interessiert heute weniger die Kinder als vielmehr nostalgisch angehauchte Eltern. Kinder sind durch professionelle Qualität verwöhnt. Es hat eben nicht nur die Vielfalt massiv zugenommen, sondern auch die Qualität.
Was halten Sie von dem Vorschlag, ARD und ZDF sollten nur auf den Gebieten tätig sein, auf denen die Kommerziellen nichts anbieten. Man bräuchte dann den Kinderkanal nicht mehr, oder?
Theoretisch mag das richtig sein, realistisch ist das nicht. Der Kinderkanal ist da, und das ist gut so. Ich kann Eltern verstehen, die sagen: Wir wollen nicht, dass insbesondere unsere kleinen Kinder Werbung ausgesetzt sind. Ob das medienpädagogisch der richtig ist, ist eine andere Frage.
Aber wenn es den Kinderkanal nicht gäbe, wären Sie auch nicht traurig.
Natürlich nicht. Im Gegenteil. Ich würde mich freuen.
Ihr Sender ist profitabel, aber seitdem Super-RTL-Gesellschafter Disney mit einem eigenen Sender auf dem Free-TV-Markt ist, haben Sie Marktanteile verloren.
Natürlich haben wir das. Und der ewige Zweite, der Kinderkanal, ist der lachende Dritte. Nachdem der Kika uns 15 Jahre lang auf den Fersen war, hat er es jetzt dank unseres eigenen Gesellschafters geschafft, uns zu überholen. Aber der Kika ist kommerziell kein Konkurrent, im Gegensatz zum Disney Channel und zu Nickelodeon. Dass wir mehr Reichweite haben als beide zusammen, ist weltweit einzigartig.
Super RTL darf nun aber keine Disney-Programme mehr zeigen.
Als wir das zum ersten Mal hörten, war das Entsetzen groß. Aber wir hatten zeitgleich mit Dreamworks über die „Dragons“-Serie verhandelt und konnten uns dann auf einen Output-Deal einigen. Das heißt: Wir kaufen in den kommenden Jahren alle Serien, die das Studio produziert. Diese Zusammenarbeit ist eine glückliche Fügung, zumal wir bei Dreamworks etwas bekommen, was wir bei Disney niemals bekommen hätten: Nebenrechte. So verdienen wir an den Merchandising-Erlösen der Serien und der Kinofilme von Dreamworks.
Welche Ziele hat Super RTL in den vergangenen zwanzig Jahren verfehlt?
Als wir angefangen haben, dachten wir, Online würde das große Geschäft werden. Wir wollten eine unabhängige Gesellschaft zur Bündelung unserer Aktivitäten gründen, an die Börse gehen und reich und berühmt werden. Es ist leider keiner von uns reich und berühmt geworden. Wir haben die eigenständige Online-Abteilung aufgelöst. Die Redaktion unserer Kinder-Website Toggo.de ist im Programm angesiedelt und dient der Vertiefung der TV-Inhalte.
Nun drängen Video-on-Demand-Dienste wie Netflix auf den Markt.
Ob Netflix und andere so erfolgreich sind, wie sie behaupten, wage ich zu bezweifeln, aber sie sind da. Wir müssen da jetzt mitspielen und machen uns zum zwanzigsten Geburtstag mit der eigenen Plattform „Kividoo“ selbst ein Geschenk. Alle Serien, die wir selbst ausstrahlen, sind dort zu sehen. Und auch viel öffentlich-rechtliches Material, beispielsweise die „Sesamstraßen Classics“ und „Pan Tau“. Insgesamt werden für monatlich 5,99 Euro über 3500 Episoden angeboten: Super RTL bietet jetzt ein Netflix nur für Kinder an.