Der Präsident überrascht sein Land mit der Ankündigung, dass er eine neue Hauptstadt bauen lassen will.

Kairo - Auf allen Fotos sieht man Präsident Abdel Fattah al-Sisi zufrieden lächeln. Aus ägyptischer Sicht war die dreitägige Investitionskonferenz im Badeort Scharm al-Scheich ein großer Erfolg. Der starke Mann am Nil hat anderthalb Jahre nach dem Umsturz durch die Armee sein Land wieder auf die internationale politische und ökonomische Bühne zurückgeführt – trotz der harten Unterdrückung im Inneren, der steigenden Zahl von Bombenanschlägen und der wachsenden Terrorgefahr.

 

Mindestens 40 Milliarden Euro wurden von den angereisten Staats- und Konzernchefs für die kommenden Jahre zugesagt. Die meisten Vorhaben sind im Öl- und Gassektor, in der Stromerzeugung sowie in der Immobilienbranche. Dagegen mangelt es an Investitionen in Industrie, Produktion und Landwirtschaft, die die meisten Arbeitsplätze schaffen und der breiten Bevölkerung zugutekommen. IWF-Chefin Christine Lagarde dämpfte daher die Euphorie der am Roten Meer versammelten ägyptischen Machtelite und warnte, Wirtschaftswachstum müsse inklusiv sein, also auch bei Frauen und jungen Leuten ankommen. „Hochgesteckte Ziele lassen sich nicht durch Wunschdenken, sondern nur durch harte Arbeit und Ausdauer erreichen“, zitierte sie die populäre ägyptische Musikikone Umm Kulthum.

40 Milliarden Euro Kosten für die erste Bauphase

Aus Deutschland war Sigmar Gabriel angereist. Der Wirtschaftsminister überbrachte Sisi die lang ersehnte Einladung von Kanzlerin Angela Merkel zu einem Staatsbesuch in Berlin. Damit rückt die Bundesregierung von ihrer bisherigen Linie ab, den Ex-Feldmarschall erst nach der Wahl eines neuen Parlamentes zu empfangen. Das für Ende März geplante Votum am Nil musste kürzlich auf den Herbst verschoben werden, weil das Verfassungsgericht das von Sisi dekretierte Wahlgesetz annullierte. Zu Gabriels Delegation gehörte auch Siemens-Chef Joe Kaeser, dessen Konzern den Bau eines Gas- und Dampfturbinenkraftwerks sowie mehrerer Windkraftanlagen vereinbarte.

Ihre 90 Millionen Landsleute überraschte die ägyptische Führung in Scharm al-Scheich mit dem glitzernden Großmodell einer neuen Hauptstadt, die in den nächsten fünf bis sieben Jahren in der Wüste östlich von Kairo entstehen soll. Nach Angaben von Bauminister Mostafa Madbouly belaufen sich die Kosten für die erste Phase bis 2022 auf 40 Milliarden Euro, über deren Finanzierung er sich allerdings ausschwieg. Präsidentenpalast, Ministerien sowie ausländische Botschaften sollen in die neue Retortenstadt umziehen, die laut Modell eine Skyline mit Wolkenkratzern wie die Metropolen am Golf bekommen wird. Fünf Millionen Menschen sollen hier auf 700 Quadratkilometern wohnen, einem Gebiet fast so groß wie Berlin.

Die Infrastruktur Kairos ist zerrüttet, viele Häuser baufällig

Die bisherige Metropole Kairo mit ihren 20 Millionen Menschen platzt aus allen Nähten. Ihre Infrastruktur ist extrem zerrüttet, viele Brücken und Häuser sind baufällig. Seit mehr als zehn Jahren versucht Ägypten, eine dritte U-Bahn Linie fertig zu stellen, die den heutigen Flughafen mit der Innenstadt verbindet. In der neu ausgerufenen Hauptstadt dagegen sind nicht nur ein weiterer Großflughafen geplant, sondern auch Universitäten, Moscheen, 2000 Schulen, 600 Krankenhäuser, ein Technologiepark sowie ein Solarkraftwerk. „CC“ – für „Capital Cairo“ und gleichzeitig die Initialen Sisis – haben enthusiastische Twitter-Befürworter das neue Gigaprojekt ihres Präsidenten getauft.

Andere im Netz dagegen reagierten entgeistert: „Unsere Dubai-besoffenen politischen, militärischen und ökonomischen Eliten wollen sich abkehren von einer Tausende Jahre alten Geschichte und so tun, als sei Ägypten ein unbeschriebenes Blatt“, schrieb Khaled Fahmy, bekannter Historiker an der American University in Kairo. „Sie sehnen sich nach einem neuen Ägypten – mit einer neuen Hauptstadt und mit einem neuen Volk.“