Die Redaktion hat die Karten für den Rems-Murr-Kreis gelegt – und dabei für die Zukunft manch erstaunlich-unglaubhafte Erkenntnis gewonnen. Bei der Gartenschau wird schmutzige Wäsche gewaschen, und die Tower-Ruine zur städtebaulichen Allzweckwaffe.

Waiblingen - Die Karten haben gesprochen, die Botschaft ist – es war zu befürchten – klar wie trübe Kloßbrühe: Das Orakel sagt für die Remstalgartenschau ein gigantisches interkommunales Projekt voraus, welches dem Mammutvorhaben endgültig zum Durchbruch verhilft. Um den Fluss besser sichtbar zu machen, wird entlang der Rems statt eines weißen Bandes eine 80 Kilometer lange Wäscheleine gespannt. Die Bürger der Gartenschaukommunen werden freundlich aufgefordert, die Leine zu nutzen – und über alle Gemarkungsgrenzen hinweg ihre schmutzige Wäsche nicht nur zu waschen, sondern auch kommunenübergreifend zu trocknen. Das Ganze sei nachhaltig, heißt es vonseiten der Veranstalter, denn die solare Trocknung sei ein Beitrag zum Klimaschutz. Zudem werde auf schwäbische Tugenden wie Sauberkeit und Geiz gesetzt – ein klarer Vorteil für den Standort. Anfänglich zweifelnde Naturschützer werden durch den Einsatz von biologisch abbaubaren Waschmitteln und einer PCB-freien Leine befriedet. Videos der Aktion erreichen auf Youtube hohe Klickzahlen und das Remstal wird weltweit bekannt als allersauberster Landstrich weit und breit.

 

Das Landratsamt zieht um

Die Kreisverwaltung verwirft ihr gerade erst mühsam entworfenes Immobilienkonzept am Ende doch wieder. Weil bei einer von den Freien Wählern in Auftrag gegebenen Personalstudie einer Hamburger Consultant-Firma herauskommt, dass jede zweite Stelle der Behörde „im Prinzip entbehrlich“ ist, beschließt der Kreistag einen Umzug vom Alten Postplatz in den brach liegenden Fellbacher Gewa-Tower. Landrat Richard Sigel muss sich zudem von seiner neuen organisatorischen Linie verabschieden: Flache Hierarchien seien in einem Hochhaus leider nicht darstellbar. Dem Vernehmen nach ist aber ein heftiger Kampf darüber entbrannt, wer mit Sigel in die vordem unverkäufliche Dachgeschosswohnung einziehen darf.

400-Meter-Rutsche in Fellbach

Als die Kreisbaugesellschaft zum Ausbau des Towers anrücken will, werden die Handwerker jedoch zurückgepfiffen. Die Landkreisverwaltung hat das Kleingedruckte in der Vereinbarung mit dem Insolvenzverwalter überlesen. Die Bauruine ist mittlerweile längst anderweitig vermarktet. Auch da hat natürlich die angehende Gartenschau millionenschwer die Finger drauf. Welch besseren Leuchtturm am Remstalrand könnte man sich denn auch vorstellen. Schlichte Betonkunst ohne Schnickschnack wie Innenausbau oder Aufzug. Dafür belohnt denjenigen, der die knapp 1000 Treppenstufen hinaufstapft, auch wieder eine lange Leine. Die direkt ins Schwimmbecken des F 3 führende Tarzanschaukel wird todsicher der absolute Gartenschaurenner. Ein 400-Meter-Rutsch quer durch Fellbach, da verblassen selbst die 16 weißen Kuben remstalabwärts wie ein Vogelschiss im Grünen. Und für die Bauaustellung anno 2024 – auch das haben uns die Karten nebenbei verraten – gilt die Prachtruine vom Turmbau zu Fellbach schon jetzt als Stilikone: „Wir können alles – unter 100 Meter“.

Windradstandort in luftiger Höhe

Die Karte des Turms scheint endgültig ausgespielt, doch da fällt uns der Narr in die Hand – eine Karte, die Scheitern auf ganzer Linie, aber auch jugendliche Unbekümmertheit bedeuten kann. Das kann nur eines bedeuten: nach der Windkraft-Affäre schaut der Stadtchef des benachbarten Waiblingen nach vorne. Und nach oben. Dabei fällt sein Blick auf den Turm, den Fellbach-Tower, und dieses wunderbare, vollkommen leere Dach. Ja, da könnte man doch noch ein Windrädchen drauf packen! Vielleicht sogar zwei? So nah wie der Turm an der Gemarkungsgrenze steht, lässt sich dieses Fleckchen bestimmt in Windeseile eingemeinden. Und damit ist dann auch diese vermaledeite Buocher Höhe endgültig vom Winde verweht. Vor allem in Korb ist die Erleichterung groß. Außer bei den Bewohnern der Hanweiler Halbhöhenlage, die jetzt beim Erleichtern durch ihre Toilettenfenster direkt auf das Windrad in Fellbach schauen. Miese Aussichten. Mit dieser Meinung stehen sie nicht allein da, das finden auch die Aktiven der Bürgerinitiative Pro Schurwald. Streng genommen sei der Tower nämlich eine Fortsetzung des Höhenzugs zwischen Neckar- und Remstal und somit besonders schützenswert. Ein Sturm zieht auf und, das zeigen die Karten ganz eindeutig, so wird die Windkraft wieder für ein turbulentes Jahr im Kreis sorgen.

Ökologische Modellsiedlung

Nachdem der Gewa-Tower nicht mehr zu haben ist, hält der Landrat nach einem anderen Plätzchen Ausschau, von wo aus er sein Refugium überblicken kann – und wird beim Saffrichhof fündig. Die Vorteile der kleinen Siedlung auf dem Schönbühl bei Weinstadt-Beutelbach liegen klar auf der Hand: Der Ausblick ist mindestens ebenso grandios und der Landkreis hat sie bereits für die nächsten neun Jahre angemietet. Zudem sind die Gebäude nach dem Auszug der Flüchtlinge ab sofort verfügbar und bereits renoviert, was Kosten spart. Der Eigentümer Thomas Barth bietet zudem der heimatlosen Kreisverwaltung kurzerhand an, seine Pläne einer ökologischen Modellsiedlung erneut zurückzustellen, um ihr weitere Gebäude des nahegelegenen Jugendheims als Übergangslösung zu vermieten. Zum symbolischen Preis von einem Euro dürften dann sogar die einst für die Flüchtlinge angelegten Plätze zum Fußball- und Cricketspielen genutzt werden. Das verlockende Angebot kann Sigel nicht ablehnen, sind damit doch gleich zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Die Kreisverwaltung hat wieder ein Dach über dem Kopf, und die laut der Personalstudie entbehrlichen Behördenmitarbeiter finden zumindest bei sportlichen Betätigungen etwas Beschäftigung.

Strandbad auf der Brache

Auch auf der Oberen Walke in Backnang tut sich was – endlich. Das frei geräumte Areal an der Murr wartet seit Jahren darauf, bebaut zu werden. Zunächst sollte ein Fachmarktzentrum entstehen, dann waren Wohnhäuser geplant. Getan hat sich nichts. Spötter sprechen von einer Mondlandschaft. Jetzt kommt Schwung in die Sache: Nein, der Wunsch der Stadträte des Bürgerforums wird nicht verwirklicht, keine neue Super-Sporthalle. Aber ein anderer Vorschlag der umtriebigen Gemeinderatsfraktion wird umgesetzt – annähernd. Die Gruppe um Alfred Bauer hatte einst gefordert, das neue Hallenbad auf der Walke zu bauen. Das Plansch-Dorado steht zwar längst andernorts: direkt neben dem Mineralfreibad. Nun soll die Obere Walke aber zum Strandbad mit direktem Zugang zur Murr werden. Schon demnächst karren Lastwagen Sand an – echten Nordseesand. Das ehrgeizige Projekt soll den Tourismus ankurbeln. Die schier endlosen Diskussionen um die künftige Nutzung des einstigen Industrieareals sind beendet – sagen die Karten.