Die Deutschen unterhalten keine Liebesbeziehung zur EU und ihren Institutionen. Dabei gibt es kein Land unter den 28 Mitgliedstaaten, das mehr Einfluss auf das Geschehen in Brüssel und Straßburg hat. Das ist nicht nur dem Einfluss der Kanzlerin geschuldet.

Politik/Baden-Württemberg : Bärbel Krauß (luß)

Berlin - Die Deutschen unterhalten keine Liebesbeziehung zur EU und ihren Institutionen. Dabei gibt es kein Land unter den 28 Mitgliedstaaten, das mehr Einfluss auf das Geschehen in Brüssel und Straßburg hat. Das ist beileibe nicht nur dem Einfluss der Kanzlerin geschuldet, sondern liegt auch in der Hand jedes einzelnen Bürgers über 18 Jahren.

 

Tatsächlich können die deutschen Wähler so viele Vertreter in das neue EU-Parlament entsenden, wie kein anderes Volk: 96 von 751 EU-Parlamentariern werden zwischen Alpen und Ostsee bestimmt, wenn am 25. Mai die achte Europawahl über die Bühne geht. Das hat der Bundeswahlleiter Roderich Egeler in Berlin mitgeteilt. Im wichtigen Nachbarland Frankreich sind es 74, in Großbritannien 73 Volksvertreter. Estland und Zypern als kleine EU-Staaten stellen nur je sechs Abgeordnete im neuen EU-Parlament, dem der Bundeswahlleiter bescheinigt, in den vergangenen Jahren Kompetenzen und damit auch Macht und Einfluss gewonnen zu haben.

Die Kompetenzen des Europaparlaments sind gewachsen

Ob einer der jüngsten Beschlüsse – die Zahl der Plastiktüten bis 2019 um 80 Prozent zu reduzieren – die Deutschen von der Wichtigkeit der EU-Parlamentarier überzeugt, sei dahingestellt. Um zu belegen, dass es bei dieser Wahl um viel geht, verweist Roderich Egeler einerseits auf die gewachsenen Haushaltskompetenzen des EU-Parlaments und andererseits zum Beispiel auf das Verbot hochspekulativer Kreditausfallversicherungen und die Stärkung der Fluggastrechte. Sie wurden in dieser Legislaturperiode durchgesetzt.

In Deutschland bewerben sich 1053 Kandidaten aus 25 Parteien um ein Mandat in Straßburg. Es gibt keine Direktwahl; die 61,4 Millionen Wahlberechtigten machen ihr Kreuz bei den Listen der Parteien. Neben den im Bundestag vertretenen Kräften CDU, CSU, SPD, Linke und Grüne treten unter anderem die FDP, die Freien Wähler, die Alternative für Deutschland (AfD), die Piraten, die NPD, eine Familien- und eine Volksabstimmungspartei an.

Die bisherige Drei-Prozent-Klausel gilt nicht mehr

Eine Routineangelegenheit wird diese achte Europawahl hierzulande nicht. Das liegt schon allein daran, dass das Bundesverfassungsgericht die Drei-Prozent-Sperrklausel gekippt hat. Damit haben kleine Parteien deutlich höhere Chancen, im EU-Parlament vertreten zu sein. Der Bundeswahlleiter und seine Mitarbeiter haben durchgerechnet, was es bedeutet hätte, wenn diese Regeln schon beim vorigen Urnengang gegolten hätten: Dann wären nicht sechs, sondern 14 deutsche Parteien in Straßburg vertreten. Dann hätten die Freien Wähler zwei Sitze; die Republikaner, die Tierschutzpartei, die Familien-Partei, die Rentnerpartei, die Piraten sowie die ÖDP (Ökologisch Demokratische Partei) je einen Sitz erobert.

130 000 Stimmen – das entspricht 0,5 Prozent der Wahlberechtigten – hätten 2009 gereicht, um eine Partei nach Straßburg zu entsenden. Wo genau die Hürde diesmal liegt, lässt sich nach den Worten des Bundeswahlleiters, nicht vorab beziffern, weil es unter anderem von der Wahlbeteiligung abhängt. Für die Fans von Splitterparteien könnte das ein weiterer Anreiz sein, zum Wählen zu gehen: So wenig Gleichgesinnte reichten noch nie, um in einem Parlament politischen Einfluss nehmen zu können.