Der Weltmeister Deutschland ist am ehemaligen Spitzenreiter Polen vorbei gezogen. Auch dank der starken Leistung des Nationalspielers Mario Götze.

Sport: Heiko Hinrichsen (hh)

Frankfurt - Wenn es sein muss, dann kann sich Joachim Löw auch vom schönen Spiel seiner kickenden Edelfüße verabschieden. Dann schaltet der Bundestrainer um auf Pragmatismus. Also saß der Chef nach dem 3:1 (2:1)-Erfolg seiner Nationalelf in der EM-Qualifikationsgruppe D über Polen in der Nacht zum Samstag im Bauch der Frankfurter Fußballarena – und zog zufrieden seine erste Zwischenbilanz. „In diesem Spiel ging es ganz allein darum, zu siegen und die Tabellenführung zu übernehmen“, sagte der 55-Jährige, „und das haben wir geschafft.“

 

Tatsächlich ist der Weltmeister am ehemaligen Spitzenreiter, den Polen um ihren Coach Adam Nawalka, mit dem Sieg vorbei gezogen. Die Löw-Elf liegt jetzt zwei Punkte vorne, ehe es am Montag im drittletzten Qualifikationsspiel vor der Auslosung der EM-Endrunde am 12. Dezember in Paris gegen Schottland geht. Der Bundestrainer erwartet allerdings im Hampden Park von Glasgow eine andere Partie als jene vom Freitagabend vor 48.500 Fans in Frankfurt. „Die Schotten haben 0:1 in Georgien verloren, sind von den Iren als Gruppendritter überholt worden“, sagte der 55-Jährige, „die müssen jetzt auch offensiv etwas anbieten.“

Dabei darf Löw beim Gastauftritt im Norden der britischen Insel getrost auch auf die Qualitäten seiner eigenen Mannschaft setzen. Denn die erste Erkenntnis der gelungenen Revanche gegen Polen für das 0:2 vom Hinspiel in Warschau war, dass der Bundestrainer weiterhin wie bei der WM in Rio über ein nervenstarkes Team verfügt. „Diese Mal war der Druck da. Vielleicht brauchen wir das“, sagte etwa der Leverkusener Karim Bellarabi, der im Hinspiel in der Nationalelf debütiert hatte. Und tatsächlich war dem Team des Weltmeisters keine Nervosität anzumerken. Die Deutschen kombinierten ballsicher und flüssig, hatten eine gute Raumaufteilung – und gingen nach einer feinen Ballstafette über Bellarabi und den Kölner Linksverteidiger Jonas Hector („bei uns spielt er immer hervorragend“, so Löw) durch Münchens Thomas Müller mit 1:0 in Führung (12.).

Auf Mario Götze ist Verlass

Danach gewann Löw die zweite Erkenntnis, dass auf seinen WM-Finaltorschützen zumindest im Nationaldress weiter Verlass ist. Denn Mario Götze nutzte die Tage im DFB-Team quasi als Wohlfühloase für die beim FC Bayern leicht verunsicherte Fußballerseele, machte ein gutes Spiel - und sollte später noch zum Matchwinner avancieren. Bei seinem ersten Treffer des Abends, dem zum 2:0 (20.), zeigte Götze mit einem tollen Dribbling im gegnerischen Sechzehner, welch außergewöhnlicher Fußballer er an guten Tagen sein kann.

Die sichere Führung im Rücken schien dem Weltmeister allerdings nicht gut zu tun. Nach 35 Minuten riss der Faden im deutschen Spiel. „Da hat sich dann jeder bei uns seinen persönlichen Fehlpass genommen“, sagte der Dortmunder Innenverteidiger Mats Hummels. Als dann der linke polnische Offensivmann Kamil Grosicki den Ball in der 38. Minute scharf herein gab, da zeigte Robert Lewandowski, dass er ein Weltklassestürmer ist. Mit dem Kopf besorgte der Angreifer vom FC Bayern das 1:2 für die Polen. Und die Deutschen wurden dann doch kurzfristig nervös. So bewahrte der Torhüter Manuel Neuer nach einem eigenen missratenen Abwurf seine Elf mit einer sensationellen Parade gegen Lewandowski vor dem möglichen Ausgleich (45.).

Can kam immer besser in die Partie

„Wir machen es uns eben manchmal selbst schwer. Wir haben einige Chancen liegen lassen. Außerdem sind die Polen ausnahmslos durch unsere Fehler zu Chancen gekommen“, sagte Joachim Löw, der nach dem Wechsel noch eine dritte positive Erkenntnis gewann. Schließlich wusste sich sein Debütant nach schwachem Beginn zu steigern: Emre Can vom FC Liverpool stand in seinem ersten Länderspiel erstmals in seiner Karriere als rechter Verteidiger auf dem Platz. „Dass man in seinem ersten Länderspiel nervös ist, ist doch klar – zumal es um viel ging“, nahm der Real-Profi Toni Kroos den Neuling in Schutz, „aber nach der Pause wurde Emre wesentlich sicherer, hat nichts anbrennen lassen und sogar offensiv einige Akzente gesetzt.“

Tatsächlich kam Can, der sich beim 1:2 von Lewandowski einen Stellungsfehler geleistet hatte, immer besser in die Partie. „Ich bin sehr zufrieden, denn es war schon immer mein Traum, Nationalspieler zu werden“, sagte Can, der ehemalige Kapitän der deutschen U-19-Auswahl. Als dann noch Götze zunächst den Pfosten traf, ehe er mit seinem zweiten Treffer des Abends zum 3:1 vollendete (80.), waren die wichtigen drei Punkte auf dem Weg zur Euro 2016 eingefahren. „Dass Mario ein ganz besonderer Spieler ist, das wissen vor allem wir Dortmunder noch ganz genau“, lobte Hummels seinen ehemaligen Mitspieler Götze, der nach den Gerüchten über einen möglichen Wechsel zu Juventus Turin mit dem Ende der Transferperiode nun wieder nach vorne blickt – auch, in dem er sagte: „Ich freue mich auf alles, was vor mir liegt.“