Die Baden-Württembergischen Literaturtage finden im Oktober in Waiblingen statt. Die Mitglieder einer örtlichen Autorengruppe verlosen sich aus diesem Anlass selbst: Privatleute können eine Lesung bei sich daheim gewinnen.

Waiblingen - Hanns-Josef Ortheil, Martin Walser, Jagoda Marinic, Petra Durst-Benning – an bekannten Schriftstellernamen mangelt es wahrlich nicht im Programm der 31. Baden-Württembergischen Literaturtage (siehe auch „Marathon für Buchfreunde“). Von Anfang Oktober bis Anfang November findet das Bücherfest in Waiblingen anlässlich der diesjährigen Heimattage statt. Fünf Wochen, in denen eine Lesung die nächste jagt und die Literaturfans die Qual der Wahl haben angesichts eines gut 60 Seiten umfassenden Veranstaltungshefts.

 

Und was kommt, wenn die für mal mehr, mal weniger Honorar verpflichteten Autoren wieder von dannen gezogen sind? Darüber hat sich Ralf Neubohn, der seit ungefähr 25 Jahren das Antiquariat „Der Nöck“ in der Waiblinger Altstadt betreibt, Gedanken gemacht. Dem 49-jährigen schreibenden Bücherfreund ist es seit langem ein großes Anliegen, dass auch die Kultur vor der Haustür gefördert und geschätzt wird. „Ich will die Breitenkultur in Waiblingen stärken, denn ich finde es schade, wenn mir Leute erzählen, dass sie, wenn es um Kultur geht, immer nach Stuttgart oder Schorndorf fahren.“

Aus Gesprächen mit seinen Kunden weiß Ralf Neubohn aber auch, dass viele Menschen Hemmungen haben, zu einer Lesung, beispielsweise im Literaturhaus Stuttgart, zu gehen: „Sie haben Berührungsängste und sagen, sie wissen nicht, wie sie sich verhalten sollen.“

Und so hat Neubohn die Literaturtage zum Anlass genommen, um mit einer ganz speziellen Aktion die Hemmschwelle möglichst niedrig zu setzen: Er bietet Privatleuten, Firmen, Kindergärten, Vereinen oder Schulen die Möglichkeit, eine Lesung in den eigenen vier Wänden zu gewinnen. Insgesamt sechs Lesungen seien als Preise angedacht, sagt Neubohn – bei großer Nachfrage seien auch mehr drin. „Die Leute haben die Chance, bei sich zu Hause im Wohnzimmer, im Garten oder sonstwo in lockerer Atmosphäre eine Lesung zu genießen und sie dürfen entscheiden, wen sie dazu einladen: ihre Familie, Freunde oder den halben Sportverein, wenn es Platz gibt.“

Der Austausch ist gut für Leser und Autoren

Nach der Lesung – sie soll „zwischen 40 Minuten und einer Stunde plus x“ dauern – bleibt noch genügend Zeit für die Zuhörer, sich mit den Mitgliedern der Autorengruppe „Literarisches Kleeblatt“ zu unterhalten. „Der Austausch bringt beiden Seiten etwas“, ist Ralf Neubohn überzeugt. Sobald die Gewinner Anfang November feststehen, setzt er sich mit ihnen in Verbindung und lotet aus, was die Gastgeber und das Publikum erfreuen könnte. Moderne Lyrik, humorvolle Balladen, Kurzgeschichten aus dem Leben oder High Fantasy aus einer komplett anderen Welt – all das könne das Literarische Kleeblatt mit seinen mittlerweile gut 20 Autorinnen und Autoren abdecken, versichert Ralf Neubohn. Er plant, jeweils zwei Autoren zu einer Lesung zu schicken – einen, der Prosa schreibt und einen Lyriker – um möglichst viele Geschmäcker im Publikum zufriedenstellen zu können.

Nicht jeder will einen Promiautor hören

Michael Kerawalla ist einer der Autoren, die sich zur Verlosung stellen. Der 50-Jährige sagt, er werde „sein ganzes Repertoire“ zur Lesung mitnehmen – er schreibt Kurzgeschichten und Fantasyromane. Sein erstes Buch „Stein der Finsternis“ ist im Jahr 2006 erschienen, „Turoon“ vor drei Jahren. Nach der Veröffentlichung seines ersten Buchs habe er Möglichkeiten gesucht, vor Publikum zu lesen, erzählt Kerawalla. Keine einfache Sache, wie Ralf Neubohn bestätigt. „Früher haben Veranstalter Schriftstellern nur dann eine Chance gegeben, wenn sie bei einem Großverlag waren.“ Inzwischen hätten Autoren es etwas leichter, aber beileibe nicht leicht. Manch ein Veranstalter lasse lieber einen Raum leer stehen, als einen Neuling auf die Bühne. „Dabei will nicht jeder Zuhörer unbedingt einen Promiautor hören.“ Denn Hand aufs Herz: was für wahre Bücherfans zählt, sind der Schreibstil und die Story und nicht der Name, der vorne auf dem Buchcover steht. Außerdem, sagt Neubohn, „gibt es in Waiblingen viel mehr interessante Leute, die viel besser schreiben, als mancher denkt“.