Olaf Daiß ist seit 35 Jahren bei der Polizei. Seit zwei Jahren leitet der 52-Jährige den Polizeiposten in Plieningen. Die Arbeit in der Stadtrand-Idylle ist geregelter, aber keinesfalls weniger oder ruhiger.

Birkach/Plieningen - Eigentlich wollte er ja Krankenpfleger werden. Doch daran scheint sich Olaf Daiß erst einmal erinnern zu müssen, wenn er gefragt wird, ob er schon immer zur Polizei gehen wollte. Denn nach den fast 35 Dienstjahren ist der 52-Jährige Polizist durch und durch. Seit zwei Jahren leitet Daiß den Polizeiposten in Plieningen.

 

An diesem Mittag geht es recht ruhig zu in der Dienststelle im Erdgeschoss des Betonklotzes, in dem auch das Bezirksrathaus untergebracht ist. Vor dem Fenster kommt im Zehn-Minuten-Takt die Stadtbahn an der Garbe an, die Menschen strömen vorbei zu ihren jeweiligen Zielen. Nur wenige verirren sich in den Posten. Einmal klingelt es. Eine Frau tritt ein. Sie fragt nach einer Broschüre zum Thema Schutz vor Einbrechern. „Für meine Schwiegermutter“, erklärt sie dem Kollegen, der an diesem Tag den Platz am Empfangstresen eingenommen hat. „Es gibt Tage, da geht schon der erste morgens mit mir durch die Tür, und den ganzen Tag geben sich die Leute die Klinke in die Hand“, erzählt Daiß. Und dann gebe es Tage, da komme niemand.

Idylle: ja – keine Verbrechen? Fehlanzeige

Vier Beamte arbeiten im Polizeiposten Plieningen. Auch wenn es wenig Publikumsverkehr gibt, gehe die Arbeit nicht aus, erzählt Olaf Daiß. Jeder von ihnen habe stets einige Fälle auf dem Tisch, die es zu bearbeiten gilt. Plieningen und Birkach seien auf der einen Seite schon idyllisch. „Es ist wie bei der Landpolizei. Bei Veranstaltungen im Ort werden der Bürgermeister, der Pfarrer und der Polizist eingeladen“, sagt Daiß und lacht. Gut beschäftigt sind der Hauptkommissar und die Kollegen trotzdem. Einbruch, Körperverletzung, Diebstahl oder häusliche Gewalt – die Bandbreite der Fälle sei groß.

Nur geregelter ist die Arbeit. Denn die Polizisten im Posten haben keine Schichtarbeit, nachts und an den Wochenenden übernimmt der Streifendienst vom Revier in Möhringen. Das war auch der Grund für Daiß, von seiner Stelle als Dienstgruppenleiter in Zuffenhausen auf die Fildern zu wechseln. Nach Jahrzehnten Streife und Schichtdienst wollte er es klassischer: fünf Tage die Woche, am Wochenende frei.

Ohne Straßenkarte verlässt er den Posten noch nicht

Obwohl die Beamten des Postens nicht als „Feuerwehr der Polizei“ ausrücken, wie Daiß die Streife nennt, die bei einem Notruf über die 110 reagiert, spielt sich die Arbeit nicht nur vor dem Computer ab. Er versuche so oft wie möglich draußen unterwegs zu sein, sagt Daiß. Sprach es, setzt seine Uniformmütze auf und greift sich seinen Einsatzkoffer. Darin sind Formulare, Warnwesten und

Olaf Daiß ist gerne draußen unterwegs. Foto: Barnerßoi
Spurensicherungstüten. „Und eine Straßenkarte habe ich sicherheitshalber auch immer noch dabei“, sagt Daiß. Kurz bevor er den Posten verlässt, weist ihn der Kollege noch darauf hin, dass ein Pappenheimer aus Birkach per Haftbefehl gesucht werde. „Bring ihn mit, falls du ihn findest“, sagt der Kollege im Scherz. Ein anderer, der daneben steht, fragt: „War das er oder sein Bruder, der mit der Machete rumgerannt ist?“ – die Filderbezirke scheinen doch ein heißes Pflaster zu sein.

An diesem Nachmittag hat der Hauptkommissar einige Briefe dabei. Das können mal Benachrichtigungen sein oder Vorladungen, erklärt Daiß. Wann immer es geht, wirft er die Post persönlich ein, so komme er automatisch in den Bezirken herum. „Wann komme ich sonst schon mal in den Flachsweg?“, sagt er, als er den Blinker setzt und in die kleine Sackgasse biegt.

Auf dem Weg zum nächsten Briefkasten legt Olaf Daiß an der Baustelle in der Ortsmitte einen Stopp ein. Solche Arbeiten zu kontrollieren, gehöre zu den üblichen Aufgaben, wenn er draußen unterwegs ist, sagt Daiß. Kaum angekommen, fällt ihm gleich etwas auf. Zum einen, dass ein Auto und ein Roller im Halteverbot vor der Baugrube stehen. Aber auch, dass die Halteverbotsschilder falsch angebracht worden sind. Beide weisen nach links, das macht keinen Sinn. Schnell ist der Kapo auf der Baustelle gefunden, Daiß erklärt ihm, dass er die Schilder ummontieren muss. Er ist einsichtig, bedankt sich für den Hinweis.

Einsatz im Domina-Studio

Zurück am Steuer des Streifenwagens sagt Olaf Daiß, dass es in seinem Beruf sehr auf den richtigen Ton ankomme. Aggressive Betrunkene zum Beispiel könne man mit einem ruhigen Ton beruhigen. Und einmal habe er einen Motorradfahrer angehalten, der augenscheinlich einer Bande angehörte und sehr wütend war. Doch auch er war nach einem kurzen Gespräch fromm wie ein Lamm, sagt Daiß. Sollte es doch mal ernst werden, hat der Polizist Pfefferspray, Teleskop-Schlagstock, Handschellen und natürlich die Dienstwaffe am Gürtel.

Letztere habe er noch nie gegen einen Menschen richten müssen, erzählt Daiß. Doch auch so gebe es genug Erlebnisse, die selbst ein gestandener Mann nicht gleich verkraftet. Wie oft musste er Todesnachrichten überbringen, hat Menschen dabei zusammenbrechen sehen. Einmal wurde er zu einem plötzlichen Kindstod gerufen. „Als ich danach heim kam, bin ich gleich ins Zimmer meines damals ersten Kindes abgebogen“, erzählt der fünffache Vater.

Zellen mal anders

Doch es gibt auch Anekdoten zum Schmunzeln. Einmal wurde Daiß zu einem Einbruch in einem Domina-Studio gerufen. Obwohl er den Anblick von Zellen gewohnt ist, haben sie ihn dort irritiert. „Ich war froh, als ich da wieder draußen war“, sagt Daiß und lacht.

Der letzte Einsatz des Tages ist eine Aufenthaltsermittlung. Ein Mann sollte Post vom Amt erhalten, die Briefe kommen aber zurück. Der Mann scheint nicht mehr an der Adresse zu wohnen, an der er gemeldet ist. Auf dem Weg Richtung Steckfeld, wo der Fall wartet, klappert Daiß noch zwei beliebte Falschparkerstellen ab. Und wird prompt fündig. Am Steinbeis-Institut an der Filderhauptstraße verteilt er das erste Knöllchen. Auf der Wendeplatte am Ende der Erisdorfer Straße stellt er noch eine Zahlkarte aus, wie er die Strafzettel nennt. Eine weitere will der Polizist gerade schreiben, da kommt der Fahrer reumütig angetrabt. Daiß lässt noch einmal Gnade walten.

Der Gesuchte scheint spurlos verschwunden

Im Steckfeld findet auch der Polizist den gesuchten Briefkasten nicht. Ein Nachbar öffnet auf den zweiten Klingelversuch. Er ist sichtlich überrascht, dass die Polizei vor der Tür steht. Er erzählt, dass der Gesuchte schon vor zwei Monaten ausgezogen sei, wohin wisse er nicht. Das reicht Olaf Daiß vorerst, er wird nun noch einmal über die Behörden versuchen, die neue Adresse des Mannes herauszufinden.

Zurück auf der Dienststelle sagt Daiß, dass er genau dieses Draußensein und den Kontakt zu den Menschen an seiner Arbeit so mag. Über seine Berufswahl habe er bis heute nicht mehr nachgedacht. Doch wenn er es sich nun so recht überlege, sei er froh, dass er nicht Krankenpfleger geworden ist.