Ein Marathon als Medizin: Beim Klassiker in Boston sorgten rund eine Million Zuschauer für eine Rekordkulisse. Für gewöhnlich stehen nur halb so viele an der Strecke. Doch dieser Marathon war allen wichtig. Es sollte ein Zeichen gesetzt werden - und das ist gelungen.

Ein Marathon als Medizin: Beim Klassiker in Boston sorgten rund eine Million Zuschauer für eine Rekordkulisse. Für gewöhnlich stehen nur halb so viele an der Strecke. Doch dieser Marathon war allen wichtig. Es sollte ein Zeichen gesetzt werden - und das ist gelungen.

 

Boston - Es war ein Marathon zwischen Trauer und Triumph und er hatte einen großen Sieger: Boston. 371 Tage nachdem zwei Bomben-Anschläge die Metropole im Nordosten der USA und ihre Anwohner mitten ins Herz trafen, wurde der 118. Marathon am Montag zu einem Paradebeispiel für den Slogan „Boston Strong“. Am Patriots-Day, einem Feiertag in Massachusetts, machten die Bostonians zusammen mit den offiziell 35 671 Läuferinnen und Läufern einen wichtigen Schritt nach vorne im schmerzhaften Prozess der Vergangenheitsbewältigung - der umjubelte Heimsieg von Meb Keflezighic tat ein Übriges.

„Ein Jahr später herrscht wieder alte Herrlichkeit beim Boston Marathon“, hieß es in der Tageszeitung „New York Times“. US-Präsident Barack Obama richtete aus dem Weißen Haus in Washington aus: „Danke, dass Sie der Welt die Bedeutung von Boston Strong gezeigt haben.“

Der Himmel über Boston war blau, die Sonne schien, und als Meb Keflezighi in 2:08:37 Stunden für den ersten US-Sieg seit 1983 sorgte, herrschte auf der Zielgeraden regelrechte Stadionatmosphäre.

„Dies ist aufgrund der Geschehnisse vom Vorjahr wahrscheinlich der bedeutendste Sieg für einen Amerikaner“, meinte Keflezighi. Sein Triumph wurde in den lokalen Sportnachrichten am Abend als „Sahnehäubchen auf der Schokoladentorte“ bezeichnet. Doch auch ohne Keflezighis Coup wäre dieser 21. April 2014 historisch gewesen. Rund eine Million Zuschauer sorgten für eine Rekordkulisse. Die Menschen standen selbst an den beiden Stellen dichtgedrängt, an denen im Vorjahr die Sprengsätze detonierten - ein Marathon als Medizin.

Keflezighi trug die Namen der drei Bombenopfer sowie den des bei der Verbrecher-Jagd getöteten Polizisten auf seiner Startnummer. Er schüttelte im Zielbereich viele Hände - auch die von Jeff Bauman. Der hatte vor einem Jahr beide Beine durch die Bomben verloren und der Polizei anschließend noch am Krankenbett wichtige Hinweise zum Älteren der beiden mutmaßlichen Attentäter gegeben. Bauman stand mit Krücken auf der Tribüne. Wie er sind auch viele andere an jenen Ort zurückgekehrt, der ihr Leben für immer verändert hat.

Zum Beispiel 28 Frauen und Männer der Initiative „4.15 Strong.“ Der Name ist eine Anlehnung an den 15. April 2013. Alle Mitglieder der Gruppe wurden Opfer der Bomben. Einige erlitten Verbrennungen, Knochenbrüche oder Hörschäden, andere hatten Metallsplitter in den Beinen und im Rücken. Nicht jeder war zuvor Marathonläufer - doch alle sind es jetzt und alle haben in Boston unter dem Jubel der Zuschauer die blau-gelbe Ziellinie überquert. „Es fühlt sich so an, als hätten wir uns etwas zurückgeholt“, sagt Dave Fortier, Mitbegründer der Initiative.

Auch Rita Jeptoo holte sich etwas zurück. Die Kenianerin feierte ihren dritten Triumph in Boston und verteidigte mit dem Streckenrekord von 2:18:57 Stunden souverän ihren Titel. „Im Vorjahr konnte ich meinen Sieg nicht genießen“, sagte sie überglücklich, „dieses Mal werde ich es können.“