Dass man den „Playboy“ nur der Interviews wegen lese, ist ein Herrenwitz. Dass es sich eigentlich um eine Architekturzeitschrift handelt, klingt vielleicht auch so, ist aber das Ergebnis einer aktuellen Studie.  

Stuttgart - Flache Dächer, rechte Winkel, helle Wände – dass die bauliche Formensprache der Moderne quadratisch, praktisch und gut ist, weiß jeder. Aber ist sie auch sexy? Für Hugh Hefner war sie es. Als Architekturfachzeitschrift hatte der seinen „Playboy“ bekanntermaßen zwar nicht angelegt, trotzdem erschienen dort in den Anfangsjahren Lobeshymnen auf Walter Gropius oder Mies van der Rohe sowie Reportagen zur Ästhetik des Neuen Bauens. Dabei ging es Herausgeber Hefner nicht allein darum, das Magazin durch anspruchsvollere Features vor dem Schmuddelimage billiger Masturbationsvorlagen zu bewahren. Le Corbusier und Co. wurden zu Ausstattungshelfern in Hefners Vision eines lustzentrierten Lifestyles, der sich von traditioneller Gemütlichkeit abheben wollte. So bekommt die mit dem bauhausstrengen Funktionalismus verbundene Formel vom „nackten Innenraum“ etwas Zweideutiges.

 

Den erotischen Abenteurern, den Don Juans der boomenden Nachkriegsjahre entwarfen die Mustereinrichtungen im „Playboy“ ein erotisches Disneyland, ein „Pornotopia“. Unter diesem Titel legt die spanische Genderforscherin Beatriz Preciado eine scharfsinnige Studie vor, die rekonstruiert, wie Gropius unter die Pin-ups kam – und wie die revolutionären Wohnutopien zur Kulisse mit sexuellen Hintergedanken verflachten.

Propagandamedium einer hedonistischen Männlichkeit

Die deutschsprachige Ausgabe des Männerspaßmagazins feiert in diesem Monat ihren vierzigsten Geburtstag. Doch die Autorin interessieren vor allem die Gründungsjahrgänge. Hier nämlich avancierte der „Playboy“ in den 50er und frühen 60ern zum Propagandamedium einer aufstrebenden hedonistischen Männlichkeit. Folgt man Preciado, dann spiegeln die schicken Apartments und Wohnlandschaften, die das Häschenheft in seiner Glanzzeit vorstellte, gewandelte Geschlechteridentitäten und Existenzentwürfe. Mit dem „Playboy“, so die Argumentation des Buches, begann die Emanzipation des Mannes von der Rolle des Familienvaters.

In dem Zeitalter, für das Hefners Welt beispielhaft steht, bildet sich ein apartes Junggesellentum heraus, ohne ungewaschene Socken und leere Kühlschränke. Der Innenraum hörte nach 1945 auf, allein eine Sphäre der Frau zu sein. Plötzlich interessierten sich auch Männer für Gastronomie und Wohnkultur. Seinen Lesern wollte Hefner einen gehobenen maskulinen Einrichtungsstil schmackhaft machen.

Unentwegt breitete der „Playboy“ alle Innovationen aus, die Innenarchitekten und Möbeldesigner zu bieten hatten. Klappsofas, offene Küchen, Schreibtischkombinationen. Wohnen, Schlafen und Arbeiten in einem. Freizeit und Job durchdrangen sich. Die integrierte Cocktailbar als Verführungsvehikel war ebenso ein Muss wie Betten, die sich aus der Wand ziehen und wieder verstecken ließen. Wo man gerade noch Sex hatte, konnten fünf Minuten später Geschäfte gemacht werden.

Auf optimale Durchsicht hin geplante Bauten

Persönlich gab sich der Hobbyarchitekt Hefner nicht mehr mit einem schicken Single-Apartment zufrieden. Eine Playboy-Villa musste her, ja, ein ganzes Schloss. In Chicago, später in Los Angeles entstanden die halböffentlichen Herzkammern des Bunny-Imperiums, deren Interieurs teils direkt aus dem Skizzenblock des Sexmedien-Tycoons kamen. Die transparente Ästhetik von Glasbauten wie Mies van der Rohes Farnsworth House erweiterte sich zu einer Architektur des Voyeurismus. Alles war auf kontinuierlichen Raumfluss und optimale Durchsicht hin geplant. Viel Glas, wenig Wände, filmische Überwachungstechnik. Und als Clou der von innen einsehbare Swimmingpool, den der Nichtschwimmer Hefner besonders mochte.

Da der typische Playboy das trübe Hafenbecken der bürgerlichen Ehe nebst Einfamilienhaus von der Liste seiner Lebensziele gestrichen hat, musste auch die traditionelle Hausfrau verschwinden. Mit Geschirrspülern und anderen Küchengeräten signalisierte das Playboy-Penthouse, dass weibliche Hilfe im Haushalt nicht mehr nötig war.

Für Ehefrauen ist hier kein Platz

An Stelle die Ehefrau tritt das „Girl next door“, das, wie der Name sagt, ebenfalls über eine räumliche Kategorie definiert wird. Das „Mädchen von nebenan“ lebt in territorialer Nähe zum Playboy, soll aber bitte schön kein beständiger Teil seines Haushalts werden, wobei das, was Hefner in Text und Aktbild als den Frauentyp der Moderne verkauft, letztlich ein männliches Wunschbild, eine onanistische Fiktion darstellt. Denn dem Ideal des Next-door-Girls entspricht natürlich nicht die ökonomisch und intellektuell unabhängige Frau, sondern die latent unterbelichtete, stets zum Zwischendurchsex bereite Dame aus der Billigboutique. Der kürzlich abgeschaffte Seite-eins-Nackedei der „Bild“-Zeitung gehört in diese Ahnenreihe. Preciado spricht von einer „Intimität zum Aufklappen“, das Wiederzuklappen gehört auch dazu.

Bekannt wurde die Autorin vor einigen Jahren durch ihr „Kontrasexuelles Manifest“, in dem sie die Abschaffung der Begriffe männlich und weiblich diskutierte. Für ein anderes Buchprojekt nahm sie in einem Selbstversuch über mehrere Monate Testosteron ein, was wohl erklärt, weshalb sie auf dem Verlagsfoto mit einem Oberlippenbärtchen à la Clark Gable zu sehen ist.

Entsprechend wenig liegt ihr an der Perspektive des traditionellen Feminismus und seinen Antiporno-Feldzügen. Unaufgeregt und analytisch klug, gelingt Preciado ein Meisterstück in der Interpretation von Alltagsphänomenen. Inspirierend sind nicht zuletzt die zahlreichen Querbezüge, die bald zu James-Bond-Filmen, bald zu den erotischen Verliesen des Marquis de Sade hergestellt werden. Wegen der Fülle von Referenzen aus dem gesamten Feld der visuellen Kultur hätte man sich einen reicheren Abbildungsteil gewünscht. Dies schmälert aber nicht die Verdienste der Autorin, die zugleich eine Archäologie der multimedialen Gegenwart geschrieben hat.

Beatriz Preciado: Pornotopia. Architektur, Sexualität und Multimedia im „Playboy“. Wagenbach, 168 Seiten, 24,90.