Die Martinskirche Bad Cannstatt blickt auf eine bewegte Vergangenheit mit höhen und Tiefen zurück. Der 500. Geburtstag wird mit Gottesdienst und Gemeindefest gefeiert, angekündigt haben sich Bischof Gebhard Fürst und Stadtdekan Christian Hermes.

Bad Cannstatt - Bad Cannstatt - Das Geburtstagskind ist aus Stein, die Ehrengäste jedoch sind sehr lebendig: Zum 500-jährigen Bestehen der katholischen Martinskirche in der Neckarvorstadt haben sich Bischof Gebhard Fürst, der Stadtdekan Christian Hermes und vier ehemalige Pfarrer der Kirche angekündigt, erzählt der Pfarrer Karl Böck, der seit zwölf Jahren dort Seelsorger ist und sich rundum wohlfühlt.

 

„Ich bin stolz, Pfarrer einer Martinskirche zu sein.“ Der heilige Martin sei einer der wenigen Heiligen der katholischen Kirche, die jeder kenne, egal ob jung oder alt, religiös oder nicht. Seine Mantelteilung mit einem Bettler sei „eine Form der Nächstenliebe, an der sich jede Kirchengemeinde messen lassen muss“. Der heilige Martin sei ein Vorbild, gerade auch in der heutigen Zeit, findet der Geistliche und erinnert daran, dass Martin von Tours als Offizier des römischen Besatzungsheeres einst die Teilnahme an einer Schlacht verweigert, also für Gewaltverzicht einstand, mit der Begründung, er sei kein Soldat des römischen Kaiseres mehr, sondern ein Soldat Christi.

Kirche wurde versetzt

Nicht zuletzt der Bedeutung des heiligen Martin wegen habe sich die Gemeinde für den feierlichen Abschluss des Jubiläumsjahres ein Datum ausgesucht, das nur wenige Tage vor dem 11. November, dem Gedenktag des Heiligen Martin liege. Gefeiert wird der runde Geburtstag der Kirche in der Neckarvorstadt nämlich schon das ganze Jahr: Konzerte verschiedener Cannstatter Musikvereine hat es gegeben und Führungen mit dem Historiker Olaf Schulze, bei denen nicht nur der Pfarrer Karl Böck viel über die Geschichte seiner Kirche erfahren hat. „Die Martinskirche ist eine der ältesten Kirchen im Mittleren Neckarraum“, erzählt der Theologe. Allerdings stand sie nicht von jeher an der heute bekannten Stelle an der Brückenstraße in der Neckarvorstadt. Die Ur-Martinskirche befand sich auf der Altenburg „vermutlich mitten im Steigfriedhof“, erläutert Karl Böck. Bereits für das 6. und 7. Jahrhundert ist eine solche Martinskirche auf der Altenburg belegt.

„Irgendwann verlagerte sich das Leben aber mehr und mehr vom Berg weg hinunter ins Dorf Brie am Neckar, wie früher die Neckarvorstadt genannt wurde“, erzählt der Pfarrer. Die Leute wollten nicht mehr jeden Sonntag mühsam den Berg hinauflaufen, um in den Gottesdienst zu gehen. Und so wurde zwischen 1511 und 1516 die Kirche auf dem Berg abgetragen und am heutigen Standort wieder aufgebaut.

Dort allerdings war ihr kein langes Kirchendasein vergönnt: „Nachdem die Lehre der Reformation in Württemberg angenommen worden war, verließ der letzte Pfarrer der Martinskirche, Daniel Monschrek, die Gemeinde und die Stadt im Jahr 1534“, berichtet Böck. Die Pfarrangehörigen wurden der Stadtkirche zugeteilt, die Martinskirche zur „geistlichen Verwaltungsscheuer“ ernannt.

Festgottesdienst mit dem Bischof

Die Kirche wird in dieser Zeit als Fruchtkasten und Lagerraum für Fässer und Bottiche genutzt, sogar Requisiten des Volksfests sind zeitweise dort untergebracht. Erst von 1858 an finden wieder Gottesdienste in der Kirche statt, nachdem durch die Industrialisierung viele Menschen in das Gebiet ziehen und König Wilhelm I. der katholischen Gemeinde Cannstatt den „finanzkammerlichen Fruchtkasten“ geschenkt hat.

„Die Kirchengeschichte gleicht der eines Menschenlebens, es gibt Höhen und Tiefen“, sagt Karl Böck. Ein Tiefpunkt ist der Zweite Weltkrieg, als die Cannstatter Martinskirche nahzu vollständig zerstört wird. Nur der Gewölbekeller und ein Mauerrest sind von der Urkirche übrig geblieben. Schlichter als die Ur-Kirche, aber größer wurde sie im Jahr 1948 neu aufgebaut, damals wurde das Gebäude um das heutige Foyer erweitert. Zweifelsohne ein großer Gewinn sei die italienische Gemeinde, die sich mit dem Zuzug der Gastarbeiter in der 1960er Jahren etabliert habe und die sich die Kirche mit der katholischen Kirchengemeinde teilt. „Die Gemeinde San Martino belebt das Gemeindeleben und am Festgottesdienst am Sonntag wird natürlich auch ein italienischer Kirchenchor singen“, erzählt Karl Böck.

termin: Der Festgottesdienst mit Bischof Gebhard Fürst beginnt am Sonntag, 6. November, um 10 Uhr. Danach ist Gemeindefest im Gemeindehaus, um 17 Uhr geht der Tag mit einem Abendlob in der Kirche zuende. Bereits am Samstag, 5. November, findet der traditionelle Martinszug mit Martinsritt und Laternenlauf statt, los geht es um 17. 30 Uhr in St. Rupert, Koblenzer straße 17.