Vor 60 Jahren hat die Stadt Stuttgart die Bodenseewasserversorgung mitgegründet. Aber noch bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts war Wasser ein rares Gut in der Stadt.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Stuttgart - Das Wasser ist für die Menschen nicht nur in Stuttgart etwas völlig Selbstverständliches: Es kommt jederzeit und in jeder gewünschten Menge aus den Leitungen in Küche und Bad. Im Vergleich zu anderen Lebensmitteln ist Wasser zudem recht günstig – 1000 Liter kosten in Stuttgart 2,56 Euro.

 

Doch diesen Überfluss gibt es erst seit 100 Jahren. Denn Stuttgart ist ein so wasserarmes Gebiet, dass bis ins 19. Jahrhundert hinein jede noch so kleinste Quelle gefasst und genutzt werden musste; dennoch flossen aus allen diesen Quellen weniger als hundert Liter pro Sekunde (zum Vergleich: aus dem Bodensee werden pro Sekunde 7755 Liter entnommen).

Wasserknappheit zu Beginn des 20. Jahrhunderts

Noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts war das Wasser deshalb so knapp, dass sich Stuttgart zwei Rohrnetze leisten musste. Aus einem floss das kostbare Quellwasser, das aber nicht für alle Zwecke reichte und lange nur an die öffentlichen Brunnen geleitet wurde – dort mussten es sich die Bürger holen. Aus dem anderen Netz, das in die Häuser reichte, kam nur Nutzwasser, das häufig schlecht schmeckte und trüb aussah.

Das Wasser für Stuttgart wird über hunderte von Kilometern hergeleitet - für eine größere Ansicht klicken Sie auf die Grafik.

Erst vor rund 100 Jahren wendete sich das Blatt: Stuttgart gehörte 1912 zu den Gründungsmitgliedern des neuen Zweckverbandes der Landeswasserversorgung (LW), der die Wasserfülle des Donaurieds rund um Ulm anzapfte. Im Jahr 1917 floss dann zum ersten Mal tatsächlich Wasser nach Stuttgart, nachdem ein Hochbehälter in Rotenberg fertiggestellt war. Daneben gibt es in diesem Jahr ein richtiges Jubiläum zu feiern: Vor 60 Jahren wurde der Zweckverband Bodenseewasserversorgung (BWV) ins Leben gerufen, weil Stuttgart damals seinen Wasserdurst noch immer nicht hatte stillen können. Vier Jahre später war Stuttgart dann über eine rund 250 Kilometer lange Leitung direkt an den Bodensee angeschlossen. Seither baden die Stuttgarter im Wasserglück.

Zwei Arten Wasser in der Landeshauptstadt

37,2 Millionen Kubikmeter Wasser verbrauchen die Bürger der Landeshauptstadt pro Jahr – oder vielmehr gebrauchen, denn Wasser bleibt ja erhalten und kehrt, in welcher Form auch immer, in den Kreislauf zurück. Die Menschen im östlichen Stadtgebiet erhalten das etwas härtere Landeswasser; in den westlichen Bezirken fließt Bodenseewasser aus den Leitungen. Gemischt wird in Stuttgart nicht. Allerdings gibt es an der Solitude und in Ruit Anlagen, durch die im Notfall die Netzsysteme miteinander verbunden werden können, wie Maria Quignon von der BWV erläutert.

Was die Qualität des Wassers anbetrifft, so sollen Abertausende von Analysen pro Jahr belegen, dass das Wasser bedenkenlos getrunken werden kann. Auch Pflanzenschutzmittel oder Medikamente, die in den Kläranlagen noch nicht gut genug herausgefiltert werden können, seien nur in sehr geringen Mengen feststellbar, sagen beide Zweckverbände. Nach heutigem Stand der Wissenschaft könne ein gesundheitliches Risiko ausgeschlossen werden, heißt es in einer Stellungnahme der BWV.

Streit um den Wert des Wassernetzes

Die Landeswasserversorgung muss aber einen höheren Aufwand betreiben, da das Donauwasser stärker gereinigt werden muss als das recht saubere Bodenseewasser. Der Nitratgehalt, verursacht durch den Eintrag aus landwirtschaftlichen Flächen in das Grundwasser, ist beim LW-Wasser mit 23,9 Milligramm pro Liter recht hoch. „Ohne diesen Eintrag läge der Nitratgehalt bei zwölf Milligramm“, sagt Sprecher Bernhard Röhrle: „Den Wert zu senken, bleibt eine unserer großen Aufgaben.“Die existenziellen Probleme um das Wasser sind also in Stuttgart vorbei – politische gibt es aber sehr wohl. Die Stadt Stuttgart hat um die Jahrtausendwende ihr Wassernetz an die Energie Baden-Württemberg (EnBW) verkauft – und möchte es nun zurückhaben. Seitdem streiten sich Stadt und EnBW um den Kaufpreis. Ein erster Termin am Landgericht wurde nun aber vom Juli in den Dezember verlegt.

Stuttgarts OB Fritz Kuhn (Grüne) ist im Übrigen der Vorsitzende beider Versorgungsverbände. Das ist insofern kurios, als die EnBW ja Eigentümer des Stuttgarter Netzes ist, und ihr gehören auch die Wasserbezugsrechte. Die Stimmrechte in den Verbandsversammlungen blieben aber bei der Stadt, so Maria Quignon. Was bedeutet: Vorerst ist Kuhn in dieser Sache der König, aber ein König ohne Land.