Vor 65 Jahren hatte Dagobert Duck seinen ersten Auftritt. Trotzdem gibt es eigentlich keinen Grund, ihm alles Gute zu wünschen.

Stuttgart - Ja, es stimmt, Dagobert Duck wurde im Dezember 1947 zum ersten Mal gesichtet. Aber nein, wir wünschen ihm nicht alles Gute zum Geburtstag! Weil er in dieser von Carl Barks für den Disney-Konzern gezeichneten Geschichte nämlich nicht geboren wird, sondern in schon erwachsener Gestalt und vollständig ausgereiftem Missmut („Ich kann niemand leiden, und mich kann auch niemand leiden“) herumtobt, zornig durch seinen Zwicker schaut und die Zähne fletscht, Letzteres ein nur unter der als Ducks bekannten Subsippe der Enten auftretendes Phänomen.

 

Im Original heißt Dagobert übrigens Scrooge McDuck, was einerseits auf seine schottisch-sparsamen Wesenszüge verweist und andererseits auf Ebenezer Scrooge in Charles Dickens’ „Weihnachtsgeschichte“. Bloß dass dieser Geizhals nach einer rabiaten Geisterbehandlung zum Wohltäter mutiert, während unser Onkel Dagobert sich über die letzten 65 Jahre hinweg als absolut therapieresistent erwiesen hat. So dass man immer noch eine Diagnose hinsichtlich seines Charakters zitieren darf, die inzwischen auch schon gut vier Jahrzehnte alt ist und in Grobian Gans’ Buch „Die Ducks – Psychogramm einer Sippe“ gestellt wird: „Onkel Dagobert ist ein idealtypischer Vertreter der lebensfeindlichen kapitalistischen Ethik, dessen Liebesfähigkeit von den Menschen weg zu den Sachen hin pervertiert ist.“

Immer noch und immer wieder muss der Name Onkel Dagobert herhalten, wenn von „dem“ Kapitalisten die Rede ist, oder auch sein Bild, das ihn unverändert mit Zylinder, Gamaschen, Gehrock und Stock zeigt. Schon das aber müsste misstrauisch machen: Kann sich ein Kapitalist nicht mal neue Kleider leisten? Noch interessanter aber wäre die Frage, was der reichste Mann der Welt mit seinen zig Phantastillarden plus sechzehn Kreuzern eigentlich macht. Er führt sie nämlich nicht ein in den Kreislauf des Kapitals, er kauft sich also nichts dafür und investiert sie auch nicht (oder nur sehr wenig davon und dies nur sehr zögerlich). Er tut vielmehr etwas damit, was sich kein echter Kapitalist leisten kann: Er hebt sein Geld zinslos auf, er sammelt es in seinem riesigen Speicher!

Dagobert Duck braucht das sinnliche Geld-Erlebnis

Dieser Dagobert Duck, obwohl er ein Globalraffer ist, widersetzt sich auch dem neuen elektronischen Kapitalismus. Mit virtuellen Geldströmen kann er nichts anfangen, er braucht das sinnlich-haptische Erlebnis, er braucht, kurz gesagt: das tägliche Bad im Geld. Um noch einmal Grobian Gans zu zitieren: „Die Berührung mit Münzmetall und Banknotenpapier versetzt ihn offensichtlich in rasch zunehmende Erregung, bis er sich schließlich mit erigiertem Bürzel kopfüber hineinstürzt und zur Erfüllung gelangt.“

Der Autor Frank Schätzing („Der Schwarm“), ebenfalls ein Kenner der Duck-Sippe, schließt sich dieser Diagnose an, auch er hegt den Verdacht, dass für Dagobert das Geld der Ersatz für die Frau ist. Über den Mehrwert des ersten selbst verdienten Kreuzers, den Dagobert unter einer Glasglocke aufbewahrt, schreibt Schätzing: „Er ist Dagoberts Lebensspender und sein Lebenszweck, man könnte sagen, seine komplette Potenz ist eingeschmolzen in der unscheinbaren kleinen Münze.“

Und wo bleiben eigentlich die Panzerknacker? Sie dürfen in einem Dagobert-Duck-Text natürlich nicht fehlen. Wünschen wir ihnen viel Glück!