Die württembergische Stadt blickt zum Jubiläum zurück auf die Lebenswirklichkeit im Mittelalter.

Waldenbuch - Am 14. September 1363 haben Herzog Rainold von Urslingen und sein Sohn Konrad die Stadt Waldenbuch an die Grafen Eberhard II. und Ulrich IV. von Württemberg verkauft. 650 Jahre später feiert die Kommune das historische Ereignis mit einem Jubiläumsprogramm. Zu jener Zeit, als die Adligen in Stuttgart den Kaufvertrag besiegelten, hatten die Bewohner Waldenbuchs wenig Grund zur Freude. „Es war eine gewalttätige Zeit, in der Hungersnöte, Krankheiten und die Landverheerung die Menschen bedrohten“, sagt der Waldenbucher Laienhistoriker Siegfried Schulz. Er hat zum Jubiläum die damaligen Lebensumstände erforscht.

 

Sie tragen gerne bunte Farben? Vergessen Sie es. Lange Haare beim Mann finden Sie chic? Nicht dran zu denken. Solche äußeren Merkmale waren im Mittelalter den Adeligen vorbehalten. Das bäuerliche Volk musste sich braun und grau gewanden und die Haarpracht im Zaum halten. „Der Adel war stets bemüht, sich abzugrenzen. Symbole, Siegel, Wappen und Farben spielten dabei eine wichtige Rolle“, hat der Pfarrer und Studiendirektor a. D. recherchiert.

Die Optik zählte

Nach dem Grund dafür muss man nicht lange suchen. Vom Lesen und Schreiben hatten die Herren oft genau so wenig Ahnung wie ihre Untergebenen. Was zählte, war ein optisch beeindruckender Auftritt. Auch Rainold und sein Bruder Werner verstanden sich vor allem auf eines – das Kriegshandwerk. Als der Reichtum der Herren von Urslingen aufgrund von Hungersnöten, Epidemien oder der teuren Hofhaltung weniger wurde, verdingten sie sich als Soldritter in Italien. Ihre finanzielle Lage änderte sich dadurch kaum. Gerieten die Ritter in Gefangenschaft, waren hohe Lösegeldforderungen zu begleichen.

Die Kämpfe waren grausam, und die Sorge, für die Untaten in der Hölle zu schmoren, war groß. „Die Angst vor dem Jenseits spielte eine wichtige Rolle“, erklärt Schulz. Nach ihrer Rückkehr aus Italien zahlten die Brüder deshalb große Summen an die Nonnen in Rottweil und Wittich, damit diese für das Seelenheil beteten. 1363 dann hatte Rainold – Werner war bereits gestorben – keine Wahl mehr. Um den teuren Lebensstil zu finanzieren, gingen Waldenbuch sowie die Dörfer Schönaich, Dettenhausen, Plattenhardt, Obersielmingen, Ditmarsweiler, Horb (ein Hof bei Ruit), Lengenfeld (das heutige Leinfelden) sowie der Reichenbach für 13 000 Pfund Heller an den Grafen Eberhard II, der zu jener Zeit im Land auf Einkaufstour war.

120 bis 150 Einwohner

Für die Waldenbucher Bevölkerung dürfte sich durch den Besitzerwechsel nicht viel verändert haben. „Vielleicht wurden die Abgaben und Steuern etwas angehoben; ansonsten aber beschäftigten die Menschen damals ganz andere Sorgen. Für sie ging es ums Überleben“, verdeutlicht Schulz. Aus einer Steuerliste aus dem Jahr 1383 weiß er: Die Schönbuchstadt hatte damals 22 Herdstellen. „Unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten können wir davon ausgehen, dass um 1363 zwischen 120 und 150 Einwohner in Waldenbuch lebten“, hat Schulz berechnet.

Nach weiteren zeitgenössischen Überlieferungen aus der Schönbuchgemeinde sucht man vergeblich. Aufgrund anderer Beschreibungen aus dieser Zeit entsteht jedoch ein realistisches Bild der Lebensumstände, die damals herrschten. Demnach stand auf dem heutigen Schlossberg ein Wohnburgturm, der von einem Plankenzaun umgegeben war. Richtung Süden fügte sich die Vorburg an, die das Vieh, die Wagen, Dunggrube, Scheune und den Vorratsspeicher beherbergte. „Die Häuser der Bauern, die zum Teil schon auf Stein gegründet waren, dürften sich im Bereich der Straßen Neuer Weg und Richtung Haus der Begegnung befunden haben“, vermutet der Laienhistoriker. Ein weiterer Zaun aus Planken oder Weidengeflecht hat das Ensemble vermutlich nach außen hin geschützt.

Bedrohungen waren allgegenwärtig

Das Leben war hart und kurz. Das Durchschnittsalter lag bei 30 Jahren. Kinder waren ab dem siebten Geburtstag für ihren eigenen Lebensunterhalt verantwortlich. Bedrohungen durch Krankheiten, Rattenplagen oder den Einfall eines feindlichen Heeres waren allgegenwärtig. Die Mobilität der bäuerlichen Bevölkerung beschränkte sich auf einen engen Radius. Siegfried Schulz kommt zu dem Schluss: „Das Leben spielte sich in einem Umkreis von höchstens 20 Kilometern ab.“

Der später aus diesen Umständen resultierende Widerstand der Bauern ist Geschichte und eine der Grundlagen dafür, dass sich die Lebensbedingungen der Menschen hierzulande in den folgenden Jahrhunderten deutlich verbesserten. Für Siegfried Schulz ist das Jubiläumsjahr deshalb nicht nur ein Grund zum Feiern, sondern vor allem auch eine Gelegenheit, inne zu halten und sich zu erinnern. Für den Jahresrückblick der Gemeinde, der im Februar erscheint, hat er deshalb einen Aufsatz mit dem Titel „Menschen in ihrer Zeit“ erarbeitet, der die historischen Umstände des Verkaufs von Waldenbuch detailliert beleuchtet. Im Jahresrückblick 2014 folgt der zweite Teil, der sich mit der Mentalität und den Ängsten der Bevölkerung im Jahr 1363 beschäftigt.

Die Fest-Höhepunkte im Überblick

11. Januar, 19 Uhr
Auftaktveranstaltung „650 Jahre württembergische Stadt“ im Forum der Oskar-Schwenk-Schule. Den Festvortrag hält die Historikerin Professor Sabine Holtz von der Universität Stuttgart. Auch der Chef des Hauses Württemberg, Carl Herzog von Württemberg, ist an diesem Abend zu Gast.

19. April, 19 Uhr
Vernissage der Ausstellung „Von Mantua nach Württemberg – Barbara Gonzaga und ihr Hof“ in der Dürnitz von Schloss Waldenbuch. Die Ausstellung des Hauptstaatsarchivs Stuttgart ist bis zum 14. Juli im Museum der Alltagskultur im Schloss zu sehen.

3. bis 6. Mai
Großes Jubiläumswochenende im Stadtkern. Bewirtung und kulturelles Abendprogramm im Festzelt auf dem ehemaligen Auch-Areal, verkaufsoffenes Wochenende und Markt mit historischem Handwerk in der Altstadt sowie eine Präsentation von mittelalterlichem Leben im Schlosshof. Am Samstag ab 11 Uhr Bühnenprogramm am Schachbrett. Montags Familiennachmittag im Festzelt von 15 bis 17 Uhr. Einzelheiten zum Programm unter www.waldenbuch.de

3. Oktober, 19 Uhr
Auf dem Marktplatz großer Zapfenstreich mit rund 200 Mitwirkenden, darunter der Musikverein Stadtkapelle Waldenbuch, die Feuerwehr und der Spielmannszug Leinfelden.