Beim achten Stuttgarter Klimagespräch werden die Sorgen der Unternehmer deutlich. Aber Politiker und Techniker sind optimistisch, dass die Wende gelingt.

Stuttgart - Die Energiewende bereitet den kleinen und mittleren Unternehmern Sorgen. Das wurde am Mittwoch vor 300 Gästen beim 8. Klimagespräch der Industrie- und Handelskammer Region Stuttgart auf der Messe deutlich, das von zwei prominenten Absagen überschattet wurde: während Umweltminister Peter Altmaier sich wegen der deutsch-indischen Regierungskonsultationen entschuldigen ließ und Joachim Pfeiffer, den wirtschaftspolitischen Sprecher der Unionsfraktion als Ersatz schickte, wurde die kurzfristige Absage von Stephan Kohler, dem Chef der Deutschen Energie-Agentur als „stillos“ empfunden, wie IHK-Geschäftsführer Hans-Jürgen Reichardt es formulierte.

 

Reichardt sowie der IHK-Präsident Georg Fichtner malten die großen Fragezeichen aus, die sie hinter der Energiewende sehen: Wie sieht der Fahrplan bis zur Abschaltung des letzten Kernkraftwerkes 2022 aus? Wie wird ein drohendes Stromdefizit verhindert? Strangulieren die steigenden Stromkosten die Wirtschaft? „24 Monate nach der Einleitung der Energiewende fragen wir uns, ob sie scheitert“, sagt Fichtner. Ihm fehlt die Koordination der Energiepolitik auf der Ebene Europas, Deutschlands, der Bundesländer und der Gemeinden. Und das baden-württembergische Ziel – bekannt unter der Formel 50/80/90 – hält er für überaus ambitioniert: Bis 2050 eine um 50 Prozent erhöhte Energieeffizienz, eine Versorgung zu 80 Prozent aus Erneuerbaren sowie eine um 90 Prozent verminderte Emissionen.

Joachim Pfeiffer zeigte sich optimistisch, dass die Energiewende zu meistern sei: „Aber wir sind in einem Marathonlauf und haben erst einige Kilometer hinter uns.“ Er skizzierte mehrere Herausforderungen: die bessere Energieausbeute – so seien 90 Prozent aller Heizkessel „nicht auf dem Stand der Technik“; den kostspieligen Ausbau der Netze, die auch den Wind- und Solarstrom aufnehmen müssen; aber auch eine drastische Zunahme der Speicherkapazitäten. Bisher reiche das Speichervolumen für 30 Minuten. Dieser Wert müsse bis 2050 um das 250fache erhöht werden und allein mit Pumpspeichern werde das nicht zu machen sein, sagte Pfeiffer. Erwartet werden neue technologische Lösungen, wie das „Abschalten von Lasten“ zu Spitzenzeiten, etwa das von Kühlaggregaten.

Ingenieure sind zuversichtlich beim Thema Energiewende

Pfeiffer sprach sich vehement für eine Sicherung des Energiestandortes Deutschland aus, erinnerte aber zugleich die versammelten Unternehmer daran, dass es einen politischen Konsens darüber gebe, die energieintensiven Unternehmen von der Abschaffung der EEG-Privilegien auszunehmen. Im übrigen dürfe man die Industrie nicht ständig zum Sündenbock machen: „Die EEG-Umlage beträgt 5,3 Cent, würde man alle Ausnahmeregelungen für die Industrie abschaffen, würde sie nur um einen Cent sinken.“ Der Preis dafür wären Arbeitsplatzverluste. Allerdings sieht auch Pfeiffer Handlungsbedarf in der Politik: „Das Schleswig-Holstein dreimal soviel Energie erzeugen will, wie es braucht, und dass Bayern autark sein möchte, das passt nicht zusammen.“

Zumindest die Ingenieure sind zuversichtlich: „Nein, die Energiewende wird nicht scheitern“, so begann Albrecht Reuter, IT-Vorstand bei Fichtner sein Referat. Das Wundwerk sind „Smart Grids“, intelligente Netze, die alle Stromerzeuger, Verteiler, Speicher sowie die Prosumenten miteinander verbinden. Das Wort Prosument wird man sich merken müssen, denn der klassische Konsument soll selbst Strom erzeugen oder tut es heute bereits.

Für ein neues Design des Strommarktes sprach sich Udo Niehage, der Energiewende-Beauftragte der Siemens AG aus. Während es bei der Liberalisierung des Strommarktes noch 1000 Stromerzeuger in Deutschland gab, so sind es heute 1,5 Millionen. Sie müssten nicht nur „mit Kupferkabeln“ sondern mit „Kommunikationssträngen“ vernetzt werden. Niehage sprach das Problem der schwierigen Finanzierung der notwendigen „flexiblen Kraftwerke“ an. Er stellte Berechnungen vor, wie schmal die Stromreserve – normalerweise zehn bis 15 Prozent – an einem dunklen Februartag werden könnte: „Es kann sein, dass uns manchmal was fehlt.“ Niehage forderte anstatt Dirigismus mehr Markt und Wettbewerb. Statt des Einspeisvorranges müsse man für die Erneuerbaren zur „Einspeiseverantwortung“ kommen, sie sollten ihren Strom künftig „nach Fahrplan“ selbst vermarkten.