Bei der ZDF-Sendung „Klartext Frau Merkel“ patzte die Bundeskanzlerin nur einmal – in der Konfrontation mit einer von Altersarmut betroffenen Putzfrau.

Stuttgart - Weitgehend locker und souverän hat die CDU-Parteivorsitzende und Kanzlerin Angela Merkel am Donnerstagabend die Konfrontation mit den Anliegen von Bürgern im Rahmen der ZDF-Sendung „Klartext“ gemeistert. Die Kanzlerin zeigte sich als die große „Versteherin“. Mindestens viermal fiel der Satz „ich verstehe Sie“, sei es beim von einer Einbruchsserie geplagten Einzelhändler aus München, einer von Altersarmut betroffenen Reinigungskraft oder einem von Unsicherheit geplagten Flüchtling aus Syrien, der dringend auf den Nachzug seiner Familie wartet: „Ich verstehe Sie, halten Sie durch.“

 

Die stärksten Momente der Sendung waren das Eingeständnis der Kanzlerin, dass sie in ihrem Ruhestand privat statt der Hosenanzüge lieber Jeans tragen werde, dass sie Salami als Snack zwischendurch der Schokolade vorziehe und dass sie im Umgang mit den „starken Männern“ der Welt – von Trump bis Erdogan – einfach „die Stärken der Frau“ einsetze. Die Kanzlerin deklinierte ihr Regierungsprogramm bei den Punkten Innere Sicherheit, Pflegenotstand, medizinische Versorgung auf dem Lande, Terrorbekämpfung und Schwierigkeiten mit der Integration von Flüchtlingen einfach mal durch – und war damit meist auf der sicheren Seite.

Thema Internet-Anschluss

Bewegend war einerseits das Elend eines Schreiners aus Schelklingen auf der Schwäbischen Alb, der wegen der Automatisierung seiner Maschinen auf einen starken Internetanschluss angewiesen ist – der ihm aber fehlt. Da hatte die Kanzlerin eigentlich wenig gegenzusetzen- außer einem Vier-Milliarden-Programm zur Förderung des Internetzugangs und dem Versprechen: „Ich müsste mich mal erkundigen, was da los ist im Alb-Donau-Kreis.“

Einem jungen Mann, der wegen der zunehmenden Datenüberwachung des Staates im Rahmen der Terrorbekämpfung den „Überwachungsstaat“ befürchtete, nahm Merkel den Wind aus den Segeln. Die Kanzlerin beschrieb die Probleme mit Hackern, die dem Staat zusetzen und grinste schelmisch bei dem fragenden Hinweis an den jungen Mann: „Sind Sie nicht auch ein bisschen ein Hacker?“

Einen anderen starken Akzent setzte die Kanzlerin, als sie einer Frau aus Erfurt Paroli bot, die sich über den durch den Flüchtlingszustrom verursachten „Männerüberschuss“ in Deutschland beklagte, der das Land „in eine Schieflage“ gebracht habe und zu einer rasanten Zunahme an Sexualdelikten geführt habe. Die Kanzlerin hielt da streng dagegen, wehrte sich gegen einen „Generalverdacht“ gegen Flüchtlinge und sah das „demografische Gleichgewicht“ noch im Lot. Gleichwohl sagte sie, dass man Kriminellen unter den Flüchtlingen gegenüber „hart“ sein müsse.

Merkel verpatzt eine Szene

Allein eine einzige Szene verpatzte der Kanzlerin die Show: Es trat auf eine Frau, die als Reinigungskraft in einem Krankenhaus arbeitet. Nach 40 Jahren wird sie in fünfeinhalb Jahren in Rente gehen und nur 650 Euro erhalten und auf Grundsicherung angewiesen sein. Die Frau forderte das Rentensystem Österreichs ein, dass offenbar mindestens 1000 Euro im Monat als Rente garantiert. „Soll ich als alte Frau um den Bahnhof streichen und Pfandflaschen sammeln“, fragte die Betroffene. Die Kanzlerin konterte – und bewies dabei nicht besonders viel Mitgefühl: „Sie machen ja selber die Tarifverhandlungen“, sagte sie der gewerkschaftlich engagierten Frau.

Und ob sie nicht Kinder habe und an „Riester“ oder eine Zusatzversicherung denke – fünfeinhalb Jahre vor Rentenbeginn? Die Frau sagte, sie habe keine Kinder und „Riester“ habe nur den Riester reich gemacht. Die Kanzlerin sagte, dass es nicht allen Rentnern in Deutschland schlecht gehe und sie einen raschen Umbau des Rentensystems nicht versprechen könne. „Armes Deutschland“, sagte die Reinigungskraft, eines der reichsten Länder der Welt lasse Rentner in einer Situation, in der sie „an nichts teilhaben können.“ Es war der Tiefpunkt für Merkel in dieser TV-Debatte.