Seine Luft ist kühl, feucht und staubfrei: Der Heilstollen im ehemaligen Wasseralfinger Eisenerz-Bergwerk soll Allergikern und Asthmakranken Linderung verschaffen. Der Erhalt des anerkannten Kurbetriebs ist jedoch fraglich.

Aalen - Die Kälte kriecht einem langsam in den Kittel. 400 Meter tief im Bauch des Braunenbergs hat es nur noch elf Grad Celsius und eine Luftfeuchtigkeit von 98 Prozent. Die Heilstollen-Patienten kuscheln sich in ihre Schlafsäcke. Fragt sich, wie lange noch.

 

In den vergangenen Jahren sind immer weniger Gäste zum Atemholen im praktisch staubfreien Mikroklima unter Tage gekommen. Der Kurbetrieb im ehemaligen Eisenerz-Bergwerk Tiefer Stollen kostet die Stadt kostet jährlich 50 000 Euro. Die Grünen im Gemeinderat würden das Kurangebot deshalb am liebsten einstellen, zumal sie den therapeutischen Nutzen für fraglich halten. Die Stadt gibt dem größten der drei baden-württembergischen Heilstollen aber noch eine Chance. Bis zum Herbst will der Oberbürgermeister Thilo Rentschler (SPD) seinem Gemeinderat Vorschläge machen, wie dem seit 2004 offiziell anerkannten Asthmatherapie-Kurbetrieb wieder neues Leben eingehaucht oder ob ein Mitbetreiber gefunden werden kann.

Die saubere, staubfreie Luft „hilft fast allen Leuten, die Entzündungen der Atemwege haben“, sagt der Ellwanger Lungenfacharzt Wolfgang Fladerer. Er ist seit Anfang April der neue Stollenarzt in Aalen und betreut Patienten vor der Einfahrt, wenn sie es wünschen oder es eine der fünf betreuenden Krankenschwestern für notwendig hält. Insbesondere Patienten mit Asthma, chronischer Bronchitis und anhaltendem Husten bringe der Aufenthalt im Tiefen Stollen Linderung. Aber auch Allergiker, die der Heuschnupfen plagt oder die unter Neurodermitis leiden, profitierten von den zweistündigen Einfahrten ins ehemalige Bergwerk. Vor allem Kindern soll die staubfreie Luft bei ihren Beschwerden helfen. Die meisten Krankenkassen übernehmen die Therapie.

Die Patientenzahlen haben sich praktisch halbiert

Trotzdem gehen die Gästezahlen zurück. 243 Patienten waren es im vergangenen Jahr, die sich von Ende März bis Ende Oktober insgesamt 3225 Mal zum Kuren in den Tiefen Stollen haben bringen lassen. Das ist weniger als 1989, als der Heilstollen den Betrieb aufnahm. Damals suchten 310 bei 5500 Einfahrten in der kühlen Luft Linderung ihrer Beschwerden.

Seine Blütezeit erlebte der Stollen, nachdem er im Jahr 2004 zu einem der insgesamt 56 Kurorte im Land ernannt worden war. 2007 ließen sich 564 Patienten insgesamt 5905-mal mit einem zünftigen „Glückauf“ vom Bergwerksbähnle in das Innere des Berges kutschieren. Das waren fast doppelt so viel wie im vergangenen Jahr. Dabei registriert Aalen noch die meisten Einfahrten der bundesweit elf Heilstollen, die im Heilstollenverband organisiert sind. Die zwei anderen baden-württembergischen Stollen in Neubulach im Nordschwarzwald (2194 Einfahrten) und in Münstertal nahe Freiburg hatten in den vergangenen fünf Jahren zwar mit Schwankungen zu kämpfen. Der Rückgang fällt dort aber nicht so dramatisch aus wie auf der Ostalb. Doch bei den beiden anderen Heilstollen in Süddeutschland – im oberpfälzischen Bodenmais und im fränkischen Pottenstein – haben sich die Einfahrten allein in den vergangenen fünf Jahren ebenfalls halbiert.

Vom Feinstaub geplagte Großstädter sollen gelockt werden

Den Grund sieht der Heilstollenverband vor allem darin, dass Klima-Heilstollen-Therapien drei Wochen in Anspruch nehmen, die Kassen diese Kuren aber nur teilweise anerkennen würden. Der Verband hat sich am Freitag in Aalen bei seiner Hauptversammlung daher mit Zukunftsfragen befasst. So will man Gesundheitsbewusste oder vom Feinstaub geplagte Großstädter mit Bewegungsangeboten oder Atemtherapien anlocken. Zudem gebe es interessante Trends: Die Stollen würden zunehmend für Veranstaltungen genutzt, etwa für Ausstellungen oder kulinarische Angebote. Selbst Hochzeiten sollen in den ausgedienten Bergwerken schon gefeiert worden sein. www.bergwerk-aalen.de