Mehr als sechs Monate ist eine argentinische Familie mit dem VW-Bus zum Weltfamilientreffen in Philadelphia gereist. Dort erfüllte sich am Sonntag ihr Traum: eine Begegnung mit ihrem berühmtesten Landsmann, Papst Franziskus.

Philadelphia - Es ist der Höhepunkt ihres großen Abenteuers. Nach sechs Monaten Anreise über 20 000 Kilometer quer durch zwei Kontinente, aus Argentinien bis in die USA, erlebte die argentinische Familie Walker am Sonntag einen unvergesslichen Moment: ein kurzes Treffen mit ihrem Landsmann Papst Franziskus Weltfamilientreffen in Philadelphia.

 

„Wir haben das von Anfang an das mehr als ein Abenteuer denn als eine Pilgerfahrt gesehen“, sagt Mutter Noel stolz. „Wir nehmen unglaublich viele Erfahrungen und Treffen mit anderen Familien auf dieser langen Reise mit.“ Vater Catire weiß natürlich, dass nun der Alltag wiederkommt. Dem TV-Sender CNN sagte er: „Wir haben unsere Arbeitsverträge gekündigt, um Zeit für diese Reise zu haben. Jetzt werden wir uns neu auf die Suche machen.“

Ihren Bulli nennen die Walkers liebevoll „Francisca“

Angefangen hatte alles vor gut einem halben Jahr. „Wir sind Carmin, Mia, Dimas, Cala, Noel und Catire – eine argentinische Familie auf dem Weg zum Papst“, schrieben die Walkers auf ihrer Website. Mit einem selbst restaurierten Volkswagen Bulli – sie nennen ihn liebevoll „Francisca“ – reisten sie quer durch die beiden Kontinente zum Weltfamilientreffen. Weit mehr als 100 000 Menschen besuchten seitdem die Website, folgten Familie Walker auf ihrer abenteuerlichen Reise zum Heiligen Vater.

Vor allem dann wenn die Walkers irgendwo in Lateinamerika wieder mal Journalisten begegneten, die über ihre Reise berichteten, schnellten die Zahlen hoch. Für Vater Catire war die ganze Reise eine Herausforderung, die die ganze sechsköpfige Familie bestehen wollte. „Man muss miteinander auskommen, auf engstem Raum und auch an schlechten Tagen“, so der Mann. So wuchs und rückte im wahrsten Sinne des Wortes die Familie enger zusammen. Streit musste geschlichtet werden, Argumente ausgetauscht, denn weglaufen geht nicht. Man ist aufeinander angewiesen. Via Internet, Twitter und Facebook verfolgten die Menschen jede einzelne Station der Walkers. Das Spannendste aber sei gewesen, wie andere Familien auf den Trip reagierten, sagt Catire Walker. Oft erhielten Sie via E-Mail Einladungen von anderen Familien, die sich mit ihnen austauschen wollen. „Es ist ein Geschenk, Freunde auf der ganzen Welt zu haben“, schreibt Catire. Und es findet ein reger Austausch statt. Von Familie zu Familie. Es wird über Probleme, über die Erfahrungen und über schöne Erlebnisse berichtet.

Die Tour führte die Familie durch zwölf Länder

Das alles funktioniert auch, weil die Walkers dem Rest der Welt großes Vertrauen entgegenbringen. Nicht überall auf der Reise war es ungefährlich, aber es hat funktioniert. Die Neugier, sagt Catire, sei größer als die Angst gewesen. Quer durch alle Klima- und Höhenzonen ging es: via Argentinien, dem Heimatland des Papstes, nach Chile, Peru, Ecuador, Kolumbien, Panama, Costa Rica, Nicaragua, El Salvador, Guatemala, Mexiko und schließlich die USA. Wann immer die Familie eine Grenze überschritt, klebten die Kinder eine neue Flagge auf das Auto. So ist eine stattliche Sammlung zusammengekommen.

Offenbar hatte sich die abenteuerliche Tour der Argentinier auch bei den Organisatoren herumgesprochen. „Um sechs Uhr morgens bekamen wir einen Anruf, dass der Papst uns gerne sehen würde“, berichtet Alfredo Catire Walker in seinem Blog. Und Franziskus habe sie schließlich mit den Worten empfangen: „Seid ihr die Familie, die von Buenos Aires hergereist ist? Ihr seid doch wahnsinnig!“ Walker entgegnete nach eigenen Worten, sie hätten einfach „eine Portion gesunde Unvernunft“ wie der Papst. Nach herzlichen Umarmungen und einer kurzen Plauderei drehte sich Franziskus im Weggehen noch einmal um und rief: „Ihr seid verrückt!“ – „Das ist das größte Geschenk zum Abschluss der Reise unseres Lebens“, schrieb Walker. Nun werden sie noch mehr zu erzählen haben, wenn sie irgendwann wieder zu Hause sind. Gereift und gewachsen an einem wirklich spektakulären Familienabenteuer.

Der Papst prangert die Wegwerfkultur der Gesellschaft an

Der Anlass von Franziskus’ Besuchs in Philadelphia war das achte katholische Weltfamilientreffen. Konsumkultur und Bindungsängste bedrohen nach den Worten des Papstes heute das Glück vieler junger Menschen. Anstatt zu heiraten und eine Familie zu gründen, lebten sie in „radikaler Einsamkeit“, beklagte er am Sonntag bei einem Treffen mit Bischöfen und Seminaristen in der US-Metropole Philadelphia. Statt Vertrauen und Verbindlichkeit zu suchen, jagten Jugendliche „Likes“ und „Followers“ in sozialen Netzwerken hinterher.

„Was wichtig ist, bestimmt heute der Konsum. Beziehungen konsumieren, Freundschaften konsumieren, Religionen konsumieren, konsumieren, konsumieren...“, so Franziskus im Priesterseminar des US-Erzbistums. Die Welt ähnele heute einem Shopping-Center mit riesiger Auswahl und vielen Möglichkeiten. Dies habe jedoch dazu geführt, dass sich junge Menschen an nichts und niemanden mehr binden wollten. Vielmehr dominiere eine Kultur, in der alles weggeworfen werde, „was den Neigungen des Konsumenten ‚nicht mehr dient’ oder sie nicht ‚befriedigt’“, kritisierte Franziskus. Auch Christen seien nicht immun gegenüber den Veränderungen ihrer Zeit.

Die jungen Menschen seien Opfer eines Wohlstandsideals

Er warnte die Geistlichen jedoch vor Kulturpessimismus und vorschnellen Urteilen über Jugendliche. Viele junge Menschen seien keine Egoisten, sondern Opfer eines Wohlstandsideals, für das sie ihre Ehe immer weiter aufschöben. Priester und Bischöfe seien gefordert, als Seelsorger die Wunden der Einsamkeit zu heilen und für die Schönheit des Familienlebens zu werben.

Papst Franziskus ist in den USA auch mit Missbrauchsopfern zusammengetroffen. Das teilte er den Bischöfen in Philadelphia mit. Dort kündigte er auch an. dafür zu sorgen, dass „alle Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden“. Im Juni hatte Franziskus ein eigenes vatikanisches Gericht für Bischöfe eingerichtet, die sexuellen Missbrauch von Mitarbeitern vertuschen.

Franziskus trifft sich mit fünf Missbrauchsopfern

Wie Vatikansprecher Federico Lombardi anschließend mitteilte, hatte Franziskus am Morgen drei Frauen und zwei Männer empfangen, die als Minderjährige von Geistlichen und Kirchenmitarbeitern missbraucht worden waren. An dem rund halbstündigen Treffen nahmen auch Angehörige und Freunde teil. Franziskus habe die Berichte der Opfer angehört, mit ihnen gebetet und sie gesegnet.

Schon früher während der USA-Reise hatte Franziskus die sexuellen Missbrauch verurteilt und als schwere Bürde für die Kirche bezeichnet. Es bedürfe großer Anstrengungen, um verlorenes Vertrauen wiederzugewinnen. Im Juni hatte Franziskus die Rücktritte von Erzbischof John Nienstedt in Minneapolis und dessen Weihbischof Lee Piche angenommen. Ihr Amtsverzicht erfolgte zehn Tage nach Vorwürfen der Staatsanwaltschaft, das Erzbistum habe beim Schutz Minderjähriger vor sexuellem Missbrauch versagt.