Wegen des Abgas-Skandals hat es eine Razzia bei Volkswagen gegeben. Es seien Durchsuchungen in Wolfsburg und anderen Orten durchgeführt worden, teilte die Staatsanwaltschaft Braunschweig mit. Es ging um Beweissicherung.

Wolfsburg/Braunschweig - Die Abgas-Affäre bei Volkswagen zieht immer weitere Kreise: Bei einer groß angelegten Razzia hat die Staatsanwaltschaft Braunschweig am Donnerstag in Wolfsburg und anderen Orten Akten und Computer sichergestellt. Es seien sowohl Geschäftsgebäude des Konzerns als auch Privatgebäude sowie Wohnungen von VW-Mitareitern durchsucht worden, sagte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Braunschweig. Alle Orte befänden sich im Zuständigkeitsbereich der Behörde. Dieser reicht von Wolfsburg im Norden bis zum Harz im Süden.

 

Neben drei Staatsanwälten seien rund 50 Einsatzkräfte des Landeskriminalamts im Einsatz gewesen, sagte die Sprecherin. Ziel der Durchsuchungen sei es, Unterlagen und Datenträger sicherzustellen, die mit Blick auf „in Betracht kommende Straftatbestände“ Auskunft über die Vorgehensweise der an der Manipulation der Abgaswerte von Dieselfahrzeugen beteiligten Firmenmitarbeiter und deren Identität geben könnten, teilte die Staatsanwaltschaft weiter mit. Details könnten aus ermittlungstaktischen Gründen derzeit nicht mitgeteilt werden.

„Wir werden die Staatsanwaltschaft bei der Ermittlung des Sachverhaltes und der verantwortlichen Personen nach besten Kräften unterstützen“, sagte ein VW-Konzernsprecher der Deutschen Presse-Agentur. Die Ermittlungen dienten schließlich „einer unverzüglichen und vollständigen Aufklärung, an der Volkswagen hohes Interesse hat.“ Im VW-Stammwerk in Wolfsburg sei den Ermittlern eine umfassende Dokumentensammlung übergeben worden. VW selbst hatte am 23. September Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft erstattet.

Europas größter Autokonzern hatte vor drei Wochen eingeräumt, in Dieselfahrzeuge ein Computerprogramm eingebaut zu haben, mit dem die Abgaswerte manipuliert werden können. Von den weltweit rund elf Millionen betroffenen Fahrzeugen sind laut VW etwa acht Millionen in der EU zugelassen, davon 2,8 Millionen in Deutschland. Dem Konzern drohen Strafzahlungen und Entschädigungszahlungen in Milliardenhöhe.

Wegen des Betrugs sollte am Donnerstag der US-Chef von VW, Michael Horn, vor einem Ausschuss des amerikanischen Parlaments in Washington Rede und Antwort stehen. Aus seiner vorab veröffentlichten Stellungnahme geht hervor, dass Horn bereits im Frühling 2014 über mögliche Verstöße gegen Emissionsregeln in den USA und gegebenenfalls drohende Strafen durch die US-Umweltbehörde EPA informiert war.

Unklar ist, wen Horn daraufhin in der Wolfsburger VW-Zentrale informiert hat und was dann unternommen wurde. Horn informierte den Kongress zudem, dass VW in den USA den Zulassungsantrag für die Fahrzeuge des Modelljahres 2016 zurückgezogen habe.

Gabriel fordert von VW mehr Transparenz

Unterdessen kommen im Abgas-Skandal jeden Tag neue Details ans Licht: VW räumte ein, die Steuerung zahlreicher Fahrzeuge mit dem Dieselmotor EA 189 könne nicht nur den amerikanischen Abgastest erkennen, sondern auch den europäischen Prüfzyklus NEFZ. Dies berichteten NDR, WDR und „Süddeutsche Zeitung“.

Ein Unternehmenssprecher in Wolfsburg sagte dazu, ob und wie weit die Software tatsächlich unerlaubt eingreife, sei derzeit noch Gegenstand von internen und externen Prüfungen. „Auch ist rechtlich noch unklar, ob es sich überhaupt um eine verbotene Abschalteinrichtung im Sinne der europäischen Normen handelt.“ Bisher hatte VW mitgeteilt, bei der Mehrheit der betroffenen elf Millionen Fahrzeuge weltweit sei die Software zwar installiert, aber nicht eingeschaltet gewesen.

Das Kraftfahrt-Bundesamt prüft derweil einen von VW vorgelegten Zeit- und Maßnahmenplan zur Bewältigung des Abgas-Skandals. Wie das KBA am Donnerstag mitteilte, geht es dabei um die Frage, inwieweit die von VW vorgeschlagenen Maßnahmen geeignet sind, um einen „regel- und zulassungskonformen Zustand“ der betreffenden Fahrzeuge herzustellen.

VW plant für die betroffenen Fahrzeuge je nach Motorvariante unterschiedliche Lösungen und will vor dem Rückruf von Millionen Autos zunächst „intensive Qualitätstests“ vornehmen, wie es in Konzernkreisen hieß. Die Rückrufe sollen im Januar 2016 beginnen und Ende des Jahres beendet sein.

Für mögliche Steuerschäden durch die Abgas-Manipulationen von VW soll zudem nach Ansicht von Nordrhein-Westfalens Landesregierung der Konzern und nicht der Steuerzahler geradestehen. Wegen der von VW eingestandenen Manipulationen könnten Kfz-Steuern zu niedrig festgesetzt worden sein, heißt es laut „Süddeutscher Zeitung“ in einem Brief von NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans an Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU).

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) sagte dazu am Donnerstag nach einem Treffen mit VW-Betriebsräten, er halte nichts davon, dass es „von wem auch immer“ eine politische Profilierung zulasten von VW gebe. „Auch solche Dinge gehören aufgeklärt. Und wenn es eine Aufklärung gibt, wird man auch über Konsequenzen sprechen.“

Der Minister forderte außerdem von VW mehr Transparenz. „Klar ist, dass das Unternehmen aufklären muss. Je offensiver es das tut, desto besser wird es werden. Je defensiver, desto schwieriger.“

Gabriel warnte aber davor, übers Ziel hinauszuschießen. „Es hängen über 70 000 Arbeitsplätze an der modernen Dieseltechnologie“, sagte er. „Ich kann nur dazu raten, jetzt nicht eine allgemeine Debatte über die Autoindustrie in Deutschland zu führen.“ Beim aktuellen Skandal gehe es „um ein strafwürdiges Verhalten von einem Unternehmen. Das ist schlimm genug, aber man muss aufpassen, nicht die ganze Industrie in Deutschland oder gar Europa zu schädigen.“