Der frühere VW-Vorstandschef wird wohl weitere Posten aufgeben müssen. Es wird mit seinem vollständigen Rückzug gerechnet.

Stuttgart - Drei Wochen nach seinem Rücktritt als VW-Chef wächst der Druck auf Martin Winterkorn, auch seine anderen Ämter im Wolfsburger Autokonzern niederzulegen. Winterkorn ist unter anderem auch Aufsichtsratschef der VW-Tochter Audi und der erst im Sommer gegründeten neuen Lkw-Holding der Wolfsburger. Besonders kritisiert wird zudem sein Chefposten bei der Stuttgarter Porsche Holding. Es sei entscheidend, dass sich Winterkorn als Vorstandschef der einflussreichen Porsche Holding zurückziehe, sagt der Fondsmanager Ingo Speich von Union Investment, der Fondsgesellschaft der Volks- und Raiffeisenbanken. Auch der VW-Großaktionär Niedersachsen und die mächtige Arbeitnehmerseite bei VW machen dem Vernehmen nach Druck.

 

Am Montag verdichteten sich Hinweise, dass Winterkorn den Forderungen nachkommen wolle. Bereits in den nächsten Tagen sei damit zu rechnen, dass er sich vollständig zurückziehen werde, berichteten die „Süddeutsche Zeitung“ sowie die Sender WDR und NDR.

Keine glaubwürdige Aufarbeitung des Skandals

Die Porsche Holding hielt sich bedeckt. „Uns liegen keinerlei Erkenntnisse vor, dass eine Entscheidung gefallen ist“, sagte ein Sprecher des Unternehmens. In Unternehmenskreisen war indes zu hören, dass es nur eine Frage der Zeit sei, bis Winterkorn bei der Holding weichen werde. Über die Stuttgarter Dachgesellschaft hält der PS-Clan der Porsches und Piëchs eine Mehrheit der Stimmrechte bei VW. Behielte Winterkorn seinen Chefposten bei der Stuttgarter Holding, hätte er weiterhin erheblich Einfluss auf die Unternehmenspolitik von VW und somit auch auf Matthias Müller, den bisherigen Chef des Autobauers Porsche, der nun als neuer Konzernchef das Steuer übernommen hat, kritisiert Ingo Speich von Union Investment. Unter diesen Umständen, so der Fondsmanager, wäre eine umfassende und glaubwürdige Aufarbeitung des Abgasskandals durch den neuen Vorstandsvorsitzenden nicht möglich.

Zudem würde ein Festhalten Winterkorns an seinem Posten, wie ein Insider veranschaulicht, auf der nächsten Hauptversammlung zu einer nur schwer vorstellbaren Situation führen. Winterkorn müsste dann den Aktionären berichten, wie die Aufklärung des Abgasskandals vorankommt. Dies wäre jedoch wohl kaum mit dem personellen Neuanfang vereinbar, den Winterkorn bei seinem Rücktritt als VW-Chef versprochen hat. Der 68-Jährige hatte mit seinem Rücktritt als Konzernchef am 23. September zwar „die Verantwortung für die bekannt gewordenen Unregelmäßigkeiten bei Dieselmotoren“ übernommen, jedoch hinzugefügt, dass er sich „keines Fehlverhaltens bewusst“ sei.

Kreditwürdigkeit von VW verschlechtert sich

Mitte September war bekannt geworden, dass VW in den USA Abgaswerte von Wagen mit Dieselmotor durch eine Software manipuliert hatte, die bei Tests zu einem niedrigeren Schadstoffausstoß als im Alltagsbetrieb führten. Die Software wurde in insgesamt elf Millionen Fahrzeuge weltweit eingebaut. Dies hat nun auch Konsequenzen für die Kreditwürdigkeit des Autokonzerns. Die US-Ratingagentur Standard & Poor’s senkte am Montag die entsprechende Bewertung um eine Stufe auf „A-“. Zudem drohte die Agentur den Wolfsburgern mit weiteren Verschlechterungen. Wegen der Nachrüstung der betroffenen Fahrzeuge und möglicher Schadenersatz- und Strafzahlungen muss VW mit hohen Kosten rechnen.

Der neue VW-Chef Matthias Müller hat die Mitarbeiter in der vergangenen Woche auf einer Betriebsversammlung auf harte Zeiten vorbereitet und die Sicherung eines guten Ratings am Kapitalmarkt als „höchste Priorität“ eingestuft. Müller hat angekündigt, dass alle Investitionen auf den Prüfstand gestellt und das von Winterkorn eingeleitete Effizienzprogramm nachjustiert werde. Betriebsratschef Bernd Osterloh hat derweil angekündigt, dass bei Einschnitten auch Freiflüge für VW-Manager auf den Prüfstand müssten. Nach Angaben eines Unternehmenssprechers dürfen alle Konzernvorstände, viele Vorstände der zwölf Marken und viele Generalbevollmächtigte am Wochenende kostenlos im Firmenjet nach Hause fliegen.