Mit einem großen Fest hat Hakim Schommers die Zeit seines Finkennests ausklingen lassen. Wie es für ihn nach fünf Jahren als Pächter eines Lokals weitergeht, ist unklar.

S-Mitte - Die vergangene Woche war wie eine einzige Beerdigung, sagt Hakim Schommers. „Ich habe erst versucht das Ganze nüchtern zu sehen, geschäftlich. Aber das geht nicht“, sagt er . Gute fünf Jahre lang hat der 40-Jährige das Finkennest an der Weberstraße geführt – eine Schwulenkneipe und Institution im Leonhardsviertel. Vor einiger Zeit hat die Stadt die Immobilie vom vorherigen Besitzer, einer Stuttgarter Brauerei, gekauft. Schommers Vertrag wurde aufgrund eines Formfehlers für nichtig erklärt.

 

Schommers fühlt sich diskriminiert

Schommers fühlt sich wie schon oft in seinem Leben diskriminiert. „Stuttgart entwickelt sich zu einer anti-offenen Stadt“, sagt er. Dass sich die Stadt mit Veranstaltungen wie dem Christopher Street Day schmücke, helfe wenig. „Da geht man kurz Schwule gucken, aber das ist nicht die Realität“, sagt er. Die Realität sei, dass sein Finkennest an Weihnachten und anderen Feiertagen zum Bersten gefüllt gewesen sei. Weil viele, vor allem ältere Schwule alleine sind, keine Familie haben, keine Kinder. „Jetzt gibt es schon wieder eine Anlaufstelle weniger“, sagt er. Auch vermutet er, dass ihm Nähe zum Rotlichtmilieu unterstellt wird: „Natürlich waren hier ab und zu Prostituierte – weil sie im Finkennest kurz ihre Ruhe haben.“ Und weil sie nicht frieren müssen, fügt Uschi Metzger hinzu, eine Freundin von Hakim Schommers, die an diesem Samstagabend ins Finkennest gekommen ist, um Abschied zu nehmen. Genau wie viele andere Stammgäste und Wegbegleiter wie der Betreiber des Cafés Weiß. „Ich habe meinem Mann versprochen, nicht zu weinen und ein Klischee zu bedienen“, sagt Hakim Schommers auf der kleinen Bühne, die ihm Heinrich Huth aus der benachbarten Jakobstube ausgeliehen hat, lachend. So ganz will das an diesem Abend aber nicht klappen.

Die Suche nach neuen Räumen ist bisher erfolglos

Auf der Bühne stehen abwechselnd die Travestiekünstler Tonia Tornado, Manuela da Sanchez, Gina Deluxe und das Urgestein Coco. Sie singen Charles Aznavour, Udo Jürgens und das unvermeidliche „Atemlos“ von Helene Fischer. Spätestens an der Stelle singt die ganze Kneipe mit. Eine Abschiedsparty ist schließlich immer noch eine Party. Zwischendurch gibt es aber auch leise Töne, etwa als Hakim Schommers zusammen mit seinem Barmann ein pakistanisches Liebeslied singt.

Dieser Abend sei programmatisch fürs Finkennest. Schommers nennt sein Lokal eine Begegnungsstätte. „Multikulturell ist es hier zugegangen“, sagt der gebürtige Türke. Zum Abschied singt er einen Jazzsong. „Dann können wir später alle erzählen, das Finkennest war eine Jazzkneipe“, sagt er und schmunzelt. Seinen Humor hat er noch nicht verloren. Obwohl er noch immer nicht weiß, wie es weitergeht. Seine Suche nach neuen Räumen ist bisher ohne Erfolg geblieben. „Vielleicht werde ich einfach Sekretärin, ich habe ja eine kaufmännische Ausbildung“, sagt er. Oder Hausfrau? „Vielleicht ist das meine wahre Berufung.“ Sein Anwalt Rainer Gebauer sieht das anders: „Es wird sich etwas ergeben, da bin ich mir sicher.“

Oder wie Hakim Schommers sagt: „Aufstehen, Perücke richten und weiter geht’s.“