Der Herrenberger Bademeister Kostas Sachinidis freut sich auf das neue Naturbad. Trotzdem blickt er nostalgisch auf die Schließung des Freibades aus den 30er Jahren.

Herrenberg - Ein Besuch im Herrenberger Freibad gleicht einer Zeitreise. Erbaut wurde die Anlage in den 1930er Jahren. An einem spätsommerlichen Nachmittag ziehen Damen und Herren in Badekappen ihre Bahnen durch das Wasser des türkisblauen Beckens. Die Umkleidekabinen sind aus Holz, die rosa und weiße Farbe blättert an manchen Stellen. Am kleinen Kiosk werden Bonbons noch einzeln abgezählt und in Papiertüten verpackt. Hier hat der Bademeister Kostas Sachinidis 20 Jahre lang gearbeitet. Es ist seine letzte Saison hier, nächstes Jahr wird er schon im neuen Herrenberger Freibad im Längenholz arbeiten, das an Pfingsten öffnet.

 
Herr Sachinidis, werden Sie wehmütig, wenn Sie daran denken, dass das alte Freibad bald abgerissen wird?

Ein bisschen. Wir waren hier eine Insel der Glückseligen. Die Aura dieses Freibades gibt es sonst nirgends. Viele Herrenberger sind damit aufgewachsen und deshalb traurig über den Umzug.

Wie finden Sie denn das neue Naturbad?
Ich persönlich bin begeistert. Es ist gut, dass das Wasser nicht mehr mit Chlor, sondern mit Sand und Pflanzen gereinigt wird. Denn Chlor kann sehr gefährlich sein. Ich war zweimal auf der Intensivstation, weil aus der technischen Anlage des Herrenberger Hallenbades Chlorgas ausgetreten ist. Einige Atemzüge mehr hätten für mich tödlich sein können.
Wie oft mussten Sie denn in den vergangenen Jahren andere aus gefährlichen Situationen retten?
Insgesamt zweimal in zwanzig Jahren. Ein Mann hatte einmal einen Schlaganfall im Wasser. Ein anderes Mal musste ich einen Nichtschwimmer herausholen. Er ist bis zur Mitte des Beckens gekommen, hat dort aber aufgegeben.
Wo haben Sie schwimmen gelernt?
Ich bin in einem griechischen Dorf nahe des Olymp aufgewachsen. Unter der Woche haben meine Eltern als Tabakpflanzer gearbeitet, am Wochenende sind wir mit der Pferdekutsche ans Meer gefahren. Im Alter von sechs oder sieben Jahren konnte ich schwimmen.
Wollten Sie als Kind schon als Bademeister arbeiten?
Ich habe mit 15 Jahren erst einmal als Koch auf einem Schiff angeheuert. Nach drei Jahren bin ich zur griechischen Marine gegangen, um mich zum Taucher ausbilden zu lassen. Leider musste man dort mindestens 1,70 Meter groß sein, mir haben drei Zentimeter gefehlt. Einige Monate habe ich mich mit Einlagen in den Schuhen durchgeschwindelt, dann ist die Sache aufgeflogen und ich musste gehen.
Sind Sie nach dieser Enttäuschung nach Herrenberg gekommen?
Ich hatte als Kind schon einige Jahre in der Stadt gelebt und habe nach der Marine angefangen, in der Gießerei Leibfried zu arbeiten. Als sie pleitegegangen ist, habe ich mir überlegt, eine Umschulung zum Bademeister zu machen. Ich hatte Glück und bekam 1984 gleich eine Stelle.
Worin besteht der Job eines Bademeisters, wenn Sie gerade keine Ertrinkenden aus dem Wasser ziehen?
Wir müssen gleichzeitig auch Hausmeister, Klempner und Elektriker sein und die technischen Anlagen in Schuss halten. Das macht mindestens die halbe Arbeit aus.
Herrenberger erzählen ja gerne Anekdoten, wie sie nachts über den Zaun des Freibades geklettert sind, um zu schwimmen. Bekommen Sie davon etwas mit?
Es ist schon vorgekommen, dass ich morgens um fünf Uhr das Tor geöffnet habe und jemand schwamm nackt im Becken. Schlimmer war, als einmal nachts jemand alle Mülleimer und Sitzbänke ins Wasser geworfen hat.
Herr Sachinidis, wie lange wollen Sie noch als Schwimmmeister arbeiten?
Wenn man gesund lebt, kann man den Job bis 67 machen – das wären noch elf Jahre.