Die Polizei sieht die "primäre Ursache" für den Einsatzverlauf am 30. September im Verhalten der Stuttgart-21-Gegner.

Stuttgart - Mit knapp zehn Seiten kommt der Bericht aus, in dem viele Monate nach jenem 30. September 2010 die Ereignisse aus Sicht der Polizei abschließend analysiert und bewertet werden. Zu lesen ist darin etwa auch diese Erkenntnis: "Alternativ zur Fortführung des Einsatzes wäre in der Nachbetrachtung auch der Einsatzabbruch beim Erkennen dieses Szenarios (...)unter Inkaufnahme der zu erwartenden Nachteile eine Entscheidungsalternative gewesen."

 

Bisher war von offizieller Seite immer betont worden, dass ein solcher Abbruch eben keine Alternative gewesen sei und der Einsatz habe durchgezogen werden müssen. Diese Ansicht vertrat allen voran auch der inzwischen aus dem Dienst ausgeschiedene Polizeipräsident Siegfried Stumpf, der dieses Mittel der Deeskalation als damals verantwortlicher Einsatzleiter auch nicht in Erwägung gezogen hatte. Dazu passt eine Notiz des Staatsministeriums an den damaligen Ministerpräsidenten Stefan Mappus, die am Tag vor dem Polizeieinsatz im Schlossgarten verfasst worden war: "Nach Beginn der Aktion kommt ein Abbruch nur im Notfall in Betracht."

Der Einsatz ist anders als geplant verlaufen

Bei dem Einsatz waren mehr als hundert Demonstranten teilweise schwer verletzt worden, zudem trugen auch einige Polizisten Verletzungen davon. Gegen 40 Polizeibeamte laufen laut Sprecherin der Staatsanwaltschaft derzeit Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit dem 30. September. "Die gewählte Taktik ist aufgrund verschiedener polizeiinterner Umstände nicht aufgegangen", betonte Innenminister Reinhold Gall (SPD) bei der Vorstellung des internen Berichts im Innenausschuss des Landtags. Der Einsatz sei leider völlig anders als geplant gelaufen.

Als "primäre Ursache" für den geänderten Verlauf wird von den Polizeiexperten derweil das "Verhalten der Stuttgart-21-Gegner" genannt. "Dieses Verhalten war in der Anfangsphase unerwartet heftig, geprägt von hoher Emotionalität und der Nichtansprechbarkeit durch die Polizei", heißt es in dem Papier. Ein solches Verhalten sei erst zu einem wesentlich späteren Einsatzzeitpunkt erwartet worden.

Hans-Ulrich Sckerl, der für die Grünen im Untersuchungsausschuss vertreten war, hält diese Analyse für grundlegend falsch. "Die Einschätzung, dass die primäre Ursache für die Ereignisse das Verhalten der Demonstranten war, teilen wir ausdrücklich nicht", so der innenpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion. Stuttgarts neuer Polizeipräsident Thomas Züfle, will sich zu den Vorgängen und möglichen Fehlern im Rückblick nicht äußern, wie er sagt: "Ich war an diesem Tag in Tübingen."