Die zähe Schlussrunde beim UN-Klimagipfel in Katar hat alle Teilnehmer an ihre Grenzen gebracht. Auf Twitter haben sie über die Verhandlungen geschimpft und ihre ganz praktischen Sogen mit der Welt geteilt. Eine Rekonstruktion der letzten Stunden.

Stuttgart - Der katarische Tagungspräsident hat einen eigenwilligen Stil. Zwei Wochen hört man praktisch nichts von Abdullah bin Hamad Al-Attiyah, aber am letzten Tag des Klimagipfels in seinem Land dreht er auf. Als ihn die ersten Delegierten darauf hinweisen, dass sie ihre Rückflüge in Gefahr sehen, weil so lange und so ergebnislos verhandelt wird, antwortet er lapidar: „Ich bin nicht in Eile. Ich wohne nur zehn Minuten entfernt.“ Viele Konferenzteilnehmer geben diesen Satz oder eine Variante davon über Twitter weiter. Aber Al-Attiyahs Einstellung „es ist eure Konferenz, also liegt es an euch“ wird auch kritisiert. Das Climate Action Network aus Kanada (@CANRACCanada) fordert mehr Führung des Gastgebers.

 

Am Samstagnachmittag dann peitscht Al-Attiyah die Beschlüsse durch. „Noch nie sowas gesehen!“, kommentiert Martin Kaiser (@martinkaisergp) von Greenpeace. Zwei Minuten und 29 Sekunden habe das gedauert, berichtet der Klimaaktivist Jaden Harris (@Jaden189). Das nach eigenen Angaben unabhängige Portal „Nachhaltiges Katar“ (@SustainQatar) zitiert Seine Exzellenz Al-Attiyah hingegen mit den Worten: „Ich habe versucht, alle zum Lächeln zu bringen. Ich habe mein Bestes gegeben.“

17.000 Teilnehmer sorgen sich um ihre Flüge

Vor dem Abschlussplenum in der Verlängerung am Samstag sind die Tweets jedoch desillusioniert. Die Hashtags #DohaDisaster und #Qatarstrophe machen die Runde. Die pakistanische Klimaschützerin Meera Ghani (@MeeraGhani) berichtet am Freitagabend, alle Entwurfstexte „gehen zur Hölle“, und fragt sich, was nun folgen werde. Sie fliegt am Samstagmorgen wieder und hinterlässt den Delegierten den Wunsch, dass sie „den Schlamassel, den sie angerichtet haben, wieder in Ordnung bringen“.

Die Konferenzteilnehmer, die bleiben, machen sich auch ganz praktische Sorgen. Das Restaurant in Halle 3 habe alles Essbare verkauft, berichtet der Brite Paul Watkinson (@pwatkinson), der seit Jahren für Frankreich und die EU auf den Klimagipfeln verhandelt. „Werden sie uns zu einer Einigung hungern?“ Und der Spiegel-Online-Redakteur Christoph Seidler (@chs42) schreibt: „Schluck. Bus-Shuttleservice bei #COP18 wurde schon mal bis Samstag 22 Uhr verlängert. Hoffentlich dauert’s dann doch nicht so lang.“ Mit dem Kürzel COP18 ist der Klimagipfel gemeint: die 18. Tagung der Vertragsstaaten des UN-Klimarahmenabkommens, auf Englisch schlicht: Conference of Parties.

Der Bundesumweltminister Peter Altmaier (@peteraltmaier) bekommt in dieser Nacht nur anderthalb Stunden Schlaf und berichtet am Samstagmorgen: „Seit gestern Abend Reihe von Verbesserungen, keine Verschlechterungen, aber noch ist nichts entschieden.“ Der Tagungspräsident Al-Attiyah lässt die über Nacht neu formulierten Beschlusstexte verteilen. Christoph Seidler schickt ein Foto vom Gerangel an der Textausgabe: „Wenn Diplomaten ihre guten Manieren verlieren“, lautet sein Kommentar. Und Jochen Flasbarth (@JochenFlasbarth), der Leiter des Umweltbundesamts, erwidert: „Schlimm fänd’ ich’s, wenn sie gelangweilt an den Dokumenten vorbei gingen. . .“

Nachdenklich am Tag danach

Am Sonntagmittag ist Paul Watkinson in Doha auf dem Weg zum Flughafen. Er sei verkatert, berichtet er, obwohl er in der vergangenen Woche keinen Tropfen getrunken habe (das war in Katar verboten). „Denke darüber nach, was erreicht worden ist und was nicht“, schreibt er. Politiker bewerten die Ergebnisse mit mehr Schwung. Die EU-Klimakommissarin Connie Hedegaard (@CHedegaardEU) spricht zum Beispiel von „bescheidenen Schritten“ und davon, dass man immerhin „die Brücke überquert“ habe. Und Jochen Flasbarth versucht es mit einem aufmunternden Appell: „Nach vorn gucken! Doha hat in vielerlei Hinsicht enttäuscht – jetzt gilt es sofort Ärmel aufzukrempeln: Verhandlungen zum globalen Vertrag!“ Laut offiziellem Fahrplan haben die 194 Vertragsstaaten nun drei Klimagipfel lang Zeit, diesen Weltklimavertrag auszuhandeln.