Beruflich hat der Aufsichtsratschef der Deutschen Bank derzeit keinen Grund zu feiern. Das weitere Schicksal des Geldhauses wird für Paul Achleitners endgültige Bilanz entscheidend sein.

Korrespondenten: Barbara Schäder (bsa)

Frankfurt - An runden Geburtstagen ziehen die meisten Menschen Bilanz: Was habe ich erreicht, was will ich noch schaffen? Wofür ist es vielleicht schon zu spät? Da fragt man sich, was derzeit im Kopf von Paul Achleitner vorgeht. Der Aufsichtsratschef der Deutschen Bank wird am Mittwoch sechzig Jahre alt – die letzten vier davon hat er an der Spitze des Geldhauses verbracht.

 

Keine Frage: Erreicht hat der gebürtige Österreicher eine Menge im Leben. Er war Deutschlandchef der US-Investmentbank Goldman Sachs, Finanzvorstand beim Versicherungsriesen Allianz, hat eine ebenso kluge wie schöne Frau und drei Söhne. Und auch bei der Deutschen Bank hat er schon tiefe Spuren hinterlassen. Seine wichtigste Entscheidung war der Umbau des Vorstands: Im Juni vergangenen Jahres entriss Achleitner dem Führungsduo Anshu Jain und Jürgen Fitschen die Zügel und legte sie in die Hände des Briten John Cryan. Die Probleme der Bank sind damit allerdings längst nicht erledigt. Das weitere Schicksal des Geldhauses wird auch für Achleitners endgültige Bilanz entscheidend sein.

Als er vergangenes Jahr auf einer außerordentlichen Sitzung am Wochenende das bisherige Aufsichtsratsmitglied Cryan zum Bankchef berief, wirkte Achleitner wie ein Getriebener. Auf der Hauptversammlung zwei Wochen zuvor hatten die Aktionäre den Aufstand geprobt: Lediglich 61 Prozent stimmten der Entlastung der Vorstandsmitglieder zu. Das war eine Ohrfeige auch für Achleitner, der vergeblich versucht hatte, mit einer Neuordnung der Zuständigkeiten im Vorstand unmittelbar vor der Hauptversammlung die Gemüter zu besänftigen. Ausgerechnet dem am heftigsten umstrittenen Vorstandsvorsitzenden Jain stärkte Achleitner dabei den Rücken – nur, um dann keine drei Wochen später mitzuteilen, dass der gebürtige Inder von Bord gehe.

Den Ärger der Aktionäre bekam vor allem Achleitner ab

Immerhin hatte Achleitner mit Cryan, den er zwei Jahre zuvor in den Aufsichtsrat geholt hatte, einen präsentablen Nachfolger zur Hand. Der bodenständig auftretende Brite, der anders als Jain sehr gut Deutsch spricht, wurde von Investoren und Öffentlichkeit als Chance für einen Neuanfang begrüßt. Doch der ersehnte Befreiungsschlag ist Cryan bisher nicht gelungen.

Der Aktienkurs der Deutschen Bank fiel am Montag vorübergehend auf ein Allzeit-Tief von 10,63 Euro. Vor einem Jahr war das Papier noch gut das Doppelte wert. Den Ärger der Aktionäre bekam zuletzt vor allem Achleitner zu spüren. Im Zentrum der Kritik stand der Abgang des Aufsichtsrats Georg Thoma, den der Chefkontrolleur ursprünglich zur Aufklärung der zahlreichen Skandale der Deutschen Bank in das Gremium geholt hatte. Thoma hatte nach öffentlich vorgetragener Kritik anderer Aufsichtsräte das Handtuch geworfen. Auf der Hauptversammlung 2016 warfen mehrere Redner Achleitner vor, er habe den Wirtschaftsanwalt im Regen stehen lassen und ihn damit praktisch zum Rücktritt gedrängt.

An Achleitners Arbeitseifer besteht kein Zweifel

Die Rolle des Prügelknaben ist neu für den Spitzenmanager. Zwar wurde auch in der Vergangenheit nicht alles, was Achleitner anpackte, zu Gold: Der Kauf der Dresdner Bank, den er als Finanzchef der Allianz einfädelte, erwies sich als Missgriff. Doch seinem Ruf als gewiefter Stratege tat das keinen Abbruch. Seine Fachkenntnis in Finanzfragen steht ohnehin außer Frage, obendrein ist er als langjähriges Aufsichtsratsmitglied bei Bayer und Daimler bestens vernetzt. Nützlich für die Kontaktpflege ist sicherlich auch, dass seine Frau, die Wirtschaftsprofessorin Ann-Kristin Achleitner, ebenfalls mehreren Aufsichtsräten angehört. Auch an Achleitners Arbeitseifer besteht kein Zweifel. Insgesamt 90 Aufsichtsrats- und Ausschusssitzungen absolvierte er nach Zählung von Aktionärsschützern allein im vergangenen Jahr. Davon entfielen 73 auf die Deutsche Bank. Ganz offensichtlich nimmt Achleitner seine Aufgabe als Chefkontrolleur also sehr ernst – allein, die Erfolge wollen sich nicht so recht einstellen. Wie lange Achleitner und die Bank es noch miteinander aushalten, wird sich nächstes Jahr zeigen: Dann endet seine erste Amtszeit als Aufsichtsratschef. Angewiesen ist Achleitner auf den Job nicht: Beim Börsengang seines Ex-Arbeitgebers Goldman Sachs 1999 strich der Österreicher Millionen ein.