Ein grüner Ministerpräsident, der Vertreter des Adels einlädt? Für manche ist das überraschend oder sogar kritikwürdig. Doch Kretschmann beteuert, er habe einen guten Grund dafür.

Stuttgart - Mit einem Empfang im Neuen Schloss hat Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) die Verdienste von Adelsfamilien um den Erhalt von Liegenschaften gewürdigt. Ihre Schlösser, Gärten, Wälder und Weinberge gehörten zum kulturellen Erbe Baden-Württembergs, sagte Kretschmann am Dienstagabend in Stuttgart. Sie würden mit großem zeitlichen und finanziellen Aufwand gepflegt. Oft seien sie auch für die Öffentlichkeit zugänglich.

 

Viele Mitglieder aus Adelsfamilien engagierten sich auch ehrenamtlich für die Gesellschaft - in vielen adeligen Häusern gehöre das zur Familientradition. Zu den rund 70 Gästen des Empfangs mit gemeinsamem Abendessen zählten unter anderem Max Markgraf von Baden, Friedrich Herzog von Württemberg, Berthold Graf Schenk von Stauffenberg, Bettina Gräfin Bernadotte und Philipp Fürst zu Hohenlohe-Langenburg.

Die SPD sah die Einladung kritisch. „Es sei den Angehörigen der baden-württembergischen Adelsfamilien gegönnt, vom Ministerpräsidenten zu einem Abendessen empfangen zu werden“, sagte SPD-Fraktionschef Andreas Stoch. „Für unser Land wäre es indessen ein echter Fortschritt, wenn Kretschmann sich mit demselben Herzblut um die Belange und Interessen der hart arbeitenden Beschäftigten kümmern würde.“ Kretschmann entgegnete, er spreche jeden Tag mit vielen Menschen. „Es gibt niemanden, mit dem ich nicht rede.“ Der Einwurf von SPD-Politiker Stoch sei daher für ihn schwer nachvollziehbar.

Grüne Jugend verteidigt den Empfang

Kretschmann sagte beim Empfang, er wolle auch mehr über die Arbeit, die Aufgaben und die Pflichten des Adels erfahren. Um die Gäste auszuwählen, beriet sich die Regierungszentrale nach Angaben eines Sprechers mit den Adelshäusern Württemberg und Baden und der Adelsvereinigung. Zudem wurde das Hauptstaatsarchiv Baden-Württemberg hinzugezogen. Offiziell wurde vor fast hundert Jahren mit der Weimarer Republik die konstitutionelle Monarchie abgeschafft und damit auch der Adelsstand.

Die Grüne Jugend verteidigte den Empfang. „Ein Treffen des Ministerpräsidenten mit Adelsvertretern ist in unseren Augen erstmal unproblematisch“, sagte Landeschefin Lena Schwelling. „Kretschmann ist Ministerpräsident für alle Menschen im Land, und wir sind sicher, dass er sich nicht nur mit Vertretern des Adels, sondern auch ein andermal mit Vertreterinnen und Vertretern weniger privilegierter Gruppen, wie beispielsweise wohnungslosen Menschen trifft.“

CDU-Generalsekretär Manuel Hagel befürwortete Kretschmanns Empfang. „Der Adel hat für unser Land eine große Bedeutung. Dies zeigt sich besonders im Bereich des Kulturgutes, wie beispielsweise im Erhalt von Schlössern, der Pflege von Wäldern und der Landwirtschaft.“ Nicht ganz ernst gemeint fügte Hagel hinzu: „Persönlich bin ich mir ganz sicher, dass der Ministerpräsident in seinem Glauben an die Republik so gefestigt ist, das er nicht der Versuchung erliegt, ein Königtum auszurufen.“