Die Weilimdorfer Familie Schmidt hat zwei Adoptivkinder und eine Pflegetochter. Anna Schmidt möchte nun anderen Leuten Mut machen, es ihr gleich zu Tun und den selben Weg zu gehen.

Böblingen: Leonie Schüler (lem)

Weilimdorf - Als Veronika zweieinhalb Jahre alt ist, fragt sie ihre Mutter, ob sie einmal in ihrem Bauch gewesen sei. Als die Antwort verneint wird, kuschelt sie sich in den Schoß ihrer Mutter und sagt: „Schade. Aber dann bin ich eben jetzt in deinem Bauch.“ Für Anna Schmidt (alle Namen geändert) war überraschend, dass die Frage ihrer Adoptivtochter schon so früh kam, trotzdem war sie gewappnet. „In Seminaren des Jugendamts habe ich gelernt, ehrlich und offen mit dem Thema umzugehen und genau so viel zu beantworten, wie das Kind fragt“, sagt Schmidt.

 

Adoption nach zweieinhalb Jahren Wartezeit

Heute ist Veronika neun Jahre alt. Ihr dreijähriger Bruder Tom ist ebenfalls adoptiert. Jule, die fünfjährige Schwester, ist ein Pflegekind. Die Frage mit der Bauchmama, wie die leibliche Mutter im Familienjargon genannt wird, hat Jule lange Zeit nicht interessiert. „Sie denkt, alle haben eine Bauchmama und eine Mama“, sagt Schmidt.

Die Entscheidung, zwei Adoptivkinder und eine Pflegetochter aufzunehmen, ist bei Anna und Frank Schmidt langsam gereift. Als klar wurde, dass sie keine eigenen Kinder bekommen konnten, wurden sie beim Jugendamt vorstellig. Zweieinhalb Jahre dauerte es, bis sie die neun Wochen alte Veronika adoptieren konnten. „Im Nachhinein muss ich sagen, die Wartezeit war gut so. Man wäre sonst mit vielem überfordert gewesen“, sagt die 44-Jährige.

„Es lohnt sich wirklich.“

Ein Pflegekind aufzunehmen, konnten sich die Schmidts lange Zeit nicht vorstellen. Doch ein zweites Adoptivkind war damals nicht zu bekommen. „Die Zeit lief uns davon“, erinnert sich die 44-Jährige. „Irgendwann war der Leidensdruck groß genug.“ Dass später doch noch Tom adoptiert werden könnte, war dem Umstand geschuldet, dass plötzlich viele Kinder zu vermitteln waren. „Wir hätten nicht damit gerechnet, haben uns aber riesig gefreut, dass wir noch einen Sohn bekommen.“

Obwohl Anna Schmidt anfangs skeptisch war, ob ein Pflegekind in die Familie passt, ist sie heute glücklich über die Entscheidung. „Ich möchte Leuten Mut machen, diesen Weg zu gehen. Er lohnt sich wirklich – und zwar aus egoistischen Gründen und nicht, weil man einem Kind helfen möchte.“ Sie betont, dass Jule genau wie die Geschwister fest in die Familie gehört und sie nicht, wie viele meinen, nur hin und wieder zu Besuch ist. Allerdings gibt es juristische Unterschiede. Während die Adoptivkinder rechtlich gesehen eigene Kinder sind, ist ein Mitarbeiter des Jugendamts Jules Vormund. „Wir sind nur die sozialen Eltern, für die Liebe und Herzenswärme und das tägliche Lachen und Weinen“, sagt Anna Schmidt. Welche Schule das Kind besuchen soll, ob es geimpft wird oder ins Ausland reisen darf, dazu braucht es die Einwilligung des Vormunds.

Jule bekam sogar den Nachnamen der Pflegefamilie

Es gibt aber noch einen weiteren Unterschied zur Adoption: Die leiblichen Eltern haben grundsätzlich das Recht, ihr Kind zu sehen. Alle sechs Wochen trifft Jule ihre biologische Mutter, die „Mama Stefanie“. Für Anna Schmidt sind die Treffen inzwischen in Ordnung. Sie akzeptiert sie wie einen Zahnarzttermin – nicht besonders angenehm, aber normalerweise tut es nicht weh. Der 44-Jährigen ist es wichtig, dass Jule ein gutes Verhältnis zu ihrer Bauchmama hat. „Sie soll einen guten Eindruck von ihr haben, sonst könnte sie den Schluss ziehen, dass sie selbst nichts wert ist.“ Wenn das Verhältnis von Pflege- und leiblichen Eltern gestört sei, würde auch das Kind darunter leiden, ist sie sich sicher.

Der einzige Wermutstropfen ist für Anna und Frank Schmidt, dass die leiblichen Eltern den Sorgerechtsentzug theoretisch anfechten könnten. „Das ist die größte Sorge, dass uns das Kind weggenommen werden könnte“, sagt die 44-Jährige. Doch die Wahrscheinlichkeit, dass Jules leibliche Eltern das Sorgerecht zurückbekommen, ist äußerst unwahrscheinlich, denn schon bei den älteren Geschwistern stufte das Jugendamt diese als erziehungsunfähig ein. „Die Mutter erkennt an, dass es Jule bei uns gut geht und wir ihre Familie sind“, sagt Anna Schmidt. Vor kurzem habe sie sogar zugestimmt, dass Jule den Nachnamen der Pflegefamilie annehmen darf. Dann bezeugt endlich auch das Klingelschild die Zusammengehörigkeit der Familie.