Der Muslimbruder Mohamed Mursi hat die Stichwahl um das Präsidentenamt gewonnen. Vor allem Frauen haben Vorbehalte gegen seine Politik.

Kairo - Zu Beginn seiner Kandidatur wurde er als „Ersatzrad“ verspottet, seit Montag ist der steife, bärtige Professor für Ingenieurwissenschaften gewählter Präsident Ägyptens. „Ich danke Gott für den Sieg, ein Sieg für alle Ägypter“, rief Mohamed Mursi in einer für ihn seltenen Aufwallung der Gefühle, als ihn seine Anhänger im Hauptquartier der Muslimbruderschaft hochleben ließen. „Wir kommen mit einer Botschaft des Friedens für alle – für die Revolution und die Revolutionäre, für Männer und Frauen, Arbeiter und Studenten, für das Ägypten der Muslime und das Ägypten der Christen.“

 

Beim Machtkampf mit dem Obersten Militärrat, der seit der Auflösung des Parlaments am vergangenen Donnerstag voll entbrannt ist, goss Mursi vorerst kein weiteres Öl ins Feuer. „Ich werde jetzt keine Rechnungen begleichen“, sagte er und fügte hinzu, ihm gehe es vor allem darum, „einen zivilen, demokratischen, modernen und verfassungsmäßigen Staat“ aufzubauen. Studiert hat Mursi in Ägypten, promoviert in den Vereinigten Staaten, zwei seiner fünf Kinder besitzen die amerikanische Staatsbürgerschaft.

Der Bauernsohn bleibt seiner Heimat treu

Vor seiner Kandidatur war er Vorsitzender der „Partei für Freiheit und Gerechtigkeit“, dem politischen Arm der Muslimbruderschaft. Nachdem die Hohe Wahlkommission den Wunschkandidaten der Muslimbruderschaft, den charismatischen Millionär Khairat El Shater, wegen seiner Gefängnisstrafe unter Mubarak disqualifizierte, sprang der konservative Apparatschik Mursi als Ersatzmann ein. Im August 1951 in der Provinz Sharqia im Nildelta geboren, blieb der Bauernsohn seiner Heimat bis heute treu. Bis zuletzt arbeitete er als Professor an der Fakultät für Ingenieurwissenschaften in der Provinzhauptstadt Zagazig. Zwischendurch lebte die Familie in Kairo und sieben Jahre in Kalifornien.

Zurück in Ägypten machte er rasch Karriere in der Muslimbruderschaft, wurde ihr politischer Sprecher. Die koptische Minderheit fürchtet Mursi wegen seiner militanten Ansichten, viele Frauen misstrauen seinem religiösen Dogmatismus. In der Schlussphase des Wahlkampfs versuchte Mursi darum vor allem die Ängste der weiblichen Wähler und Christen vor einer islamistischen Allmacht zu zerstreuen. Seine Präsidentschaft werde basieren auf dem Islam, aber keine Theokratie sein, erklärte er und versprach, einen Christen als Vizepräsidenten zu ernennen. Auch werde er das Recht der Frauen respektieren, sich nach ihrem Geschmack zu kleiden und in allen Berufsfeldern zu arbeiten. „Einen Zwang zur Verschleierung wird es nicht geben.“