Grün-Rot will das Kommunalwahlrecht ändern und die Mandate nach einer anderen Methode zuordnen. Das könnte für CDU und Freie Wähler zum Problem werden.

Stuttgart - Spielt es eine Rolle, ob bei einer Kommunalwahl die Sitzverteilung nach dem Verfahren von d’Hondt oder dem von Hare-Niemeyer oder dem von Sainte-Laguë/Schepers berechnet wird? Das wollte die baden-württembergische CDU-Landtagsfraktion vom Innenminister wissen. Der hat daraufhin das Statistische Landesamt die Ergebnisse der Kommunalwahlen von 2009 für jede Gemeinde, jeden Kreistag und die Versammlung der Region Stuttgart nach den verschiedenen Methoden kalkulieren lassen. Und siehe da: Es spielt eine Rolle. Vor allem die CDU und die Freien Wählervereinigungen müssten sich sorgen, wenn statt des geltenden Verfahrens ein anderes angewandt würde. Die Union verlöre im Land 183 Sitze in Gemeinderäten, die Freien Wähler 64. Die anderen gewännen.

 

Die Anfrage hatte einen Anlass: Grün-Rot will nämlich das Kommunalwahlrecht ändern. So soll das Kabinett am Dienstag nicht nur beschließen, dass 16-Jährige künftig wählen dürfen (wir berichteten), sondern man macht sich auch Gedanken, wie Parteien und Wählergruppen dazu gebracht werden können, mehr Frauen aufzustellen. Und drittens wird die Sitzverteilung neu geregelt – nach dem Verfahren von Sainte-Laguë/Schepers.

Die neue Methode nach Sainte-Lague/Schepers ist wohlerprobt

Derzeit werden Kommunalwahlen in Baden-Württemberg noch nach d’Hondt umgesetzt. Das gilt nicht mehr für Europa, nicht mehr für den Bund und auch nicht mehr für eine Landtagswahl im Südwesten. Überall kommt Sainte-Laguë/Schepers zum Einsatz. Grüne und SPD hatten im Koalitionsvertrag festgeschrieben, dass sie auf kommunaler Ebene d’Hondt in den Ruhestand schicken wollen.

Solche Verfahren macht das Verhältniswahlrecht notwendig. Es besagt, dass die Abgeordneten- oder Gemeinderatssitze den Parteien und Gruppierungen gemäß ihren Stimmenanteilen zugeordnet werden. Diese Zuteilung folgt mathematischen Regeln. Das von dem Belgier Victor d’Hondt entwickelte Verfahren bildete lange den Proporz zwischen Stimmenzahlen und Sitzen ab.

Die Regeln von d’Hondt bevorteilen große Gruppierungen, kleinere Parteien kommen erst mit Verzug an die Reihe. D’Hondts Methode haben der französische Mathematiker André Sainte-Laguë und der deutsche Physiker Hans Schepers unabhängig voneinander verfeinert.

Die CDU und die Freien Wähler hätten weniger Sitze

Auf Landesebene wäre der Unterschied durchaus spürbar. So sind bei der letzten Gemeinderatswahl vor drei Jahren insgesamt 18 377 Sitze vergeben worden. Wählervereinigungen sicherten sich mit 8184 (44,5 Prozent) davon die meisten. Die Christdemokraten erlangten 5130 (27,9 Prozent). Hätte man nicht nach d’Hondt, sondern nach Sainte-Laguë/Schepers verteilt, hätte es insgesamt 136 Mandate weniger gegeben. Die CDU hätte 183 (oder 0,8 Prozentpunkte) weniger erzielt, die Freien Wähler 64 weniger.

Die SPD hingegen hätte 34 mehr als die amtlich festgestellten 2444 Sitze (plus 0,3 Prozentpunkte) geholt, die FDP 31 (plus 0,2 Prozentpunkte) mehr als ihre 388, die Grünen legten 16 (plus 0,1 Prozentpunkte) auf 625 zu. Die Linke hätte 34 statt 24 Sitze. Ähnlich verhält es sich bei den Kreistagen. In der Stuttgarter Regionalversammlung müssten CDU, SPD und Freie Wähler je ein Mandat abgeben; Grüne, FDP, Linke, „Republikaner“ und ÖDP wären unverändert, doch die Versammlung wäre insgesamt um zwei Sitze kleiner, und die NPD wäre mit einem Mandat vertreten.

In den Kommunen sind die Unterschiede nicht groß

In den einzelnen baden-württembergischen Kommunen sind die Unterschiede nicht groß – im Einzelfall allerdings schmerzhaft. In Stuttgart würde sich nur für die Grünen (minus ein Sitz) etwas ändern und für die Linke (plus eins). In Mannheim hätten CDU und SPD zu Lasten zweier freier Gruppen je einen Sitz weniger. In Freiburg und Karlsruhe wäre es ähnlich, in Freiburg wären aber Grüne und SPD im Nachteil, in Karlsruhe CDU und SPD.