Partyszene gegen Ordnungsamt: Nachdem in Freiburg vier Feste abgeblasen wurden, gilt das Amt für öffentliche Ordnung als Spielverderber. Von „Gängelei“ und „Schikanierung“ ist die Rede. Die Partyszene schäumt vor Wut.

Baden-Württemberg: Heinz Siebold (sie)

Freiburg - Nichts geht mehr in Freiburg. Wo mehr als drei Leute zusammensitzen und ein Fest feiern wollen, kommt der Sheriff vom Amt für Öffentliche Ordnung und verbietet alles. Den Eindruck verbreiten derzeit einige Wirte und Veranstaltungsorganisatoren. Tatsächlich wurden in relativ kurzer Zeit vier Feste abgesagt. Ein Veranstalter bezichtigte namentlich den Leiter des Amtes für Öffentliche Ordnung der „Gängelei und Schikanierung“. Man käme sich vor wie ein „Bittsteller in einem Obrigkeitsstaat wilhelminischer Prägung“.

 

Starker Tobak, den der Oberbürgermeister Dieter Salomon (Grüne) und der fachlich zuständige Erste Bürgermeister Otto Neideck (CDU) verschnupft zurückwiesen. Niemand habe die Absicht, sagt Salomon, „eine Spaßbremse“ zu sein. „Wir haben in jedem Fall korrekt gehandelt“, stellt sich Neideck vor seinen Amtsleiter. Die Auflagen seien für alle gleich und wie schon seit Jahren dieselben. Tatsächlich hatte auch jedes der von den Veranstaltern abgesagten Events ihr besonderes Problem: Für eine kommerzielle Abifete waren eine Woche zuvor nur wenige Karten verkauft, das Schlossbergfest kippelt seit Jahren auf der schiefen Ebene und sollte dieses Jahr sowieso ausfallen, ebenso wie die Downtown-Streetparty.

Vier Feste wurden innerhalb kurzer Zeit abgesagt

Dennoch, die Partyszene schäumt im Internet und am Stammtisch. Einige der Veranstalter hoffen, dass nichts über ihre Bußgelder wegen vorenthaltener Sozialversicherungsbeiträge (sprich: Schwarzarbeit) berichtet wird. Denn dass zurzeit in Freiburg ein paar ganz persönliche Rechnungen aufgestellt werden, ist denen klar, die die Branche kennen.

Denn Freiburg hatte im vergangenen Jahr eine Schrecksekunde: ein Open-Air-Festival mit dem Namen „Sea of Love“ im Juli 2011 war zeitweise gefährlich aus dem Ruder gelaufen, es gab ein Verkehrschaos, Fluchtwege waren zugestellt und betrunkene Besucher liefen auf die Autobahn. Dem Veranstalter – einer, der jetzt eifrig den Freiburger Amtsleiter attackiert – droht ein saftiges Bußgeld, damit befassen sich derzeit die Gerichte.

„Da haben alle sehr, sehr großes Glück gehabt“, blickt Thomas Reipöler (50) von der Agentur Event Now auf das Ereignis am Rande von Freiburg zurück, das eine andere Agentur zu verantworten hatte. „Wo viele Menschen zusammenkommen, muss verantwortungsvoll geplant, müssen Risiken konsequent minimiert werden“, sagt Reipöler. Doch höherer Aufwand bei Planung und Risikovorsorge bedeuten unter Umständen auch höhere Kosten, „das wollen manche privaten Veranstalter nicht“. Hier liege der Konflikt mit den Behörden begraben, die ihrerseits Verantwortung für die öffentliche Sicherheit und Ordnung tragen.

Die Katastrophe bei der Love-Parade hat alles verändert

„Wir haben inhaltlich und persönlich keine Schwierigkeiten mit dem Amt für Öffentliche Ordnung“, sagt Reipöler. Seine Agentur ist seit 20 Jahren im Geschäft und managt mit zehn Festangestellten Events drinnen und draußen. „Wir kennen die Versammlungsstättenverordnung sehr genau“, sagt der Diplomvolkswirt. Wer sich daran halte, sei auf der sicheren Seite. Dort ist vom Platzbedarf bis zum Rauchverbot alles geregelt. „Die Rechtslage hat sich seit etlichen Jahren nicht wesentlich geändert“, sagt Reipöler, doch „Duisburg“ habe vieles verändert: „Es gibt eine höhere Aufmerksamkeit bei den Behörden.“ Duisburg steht für die Katastrophe bei der Love-Parade im Juli 2010, bei der 21 Menschen ums Leben kamen, weil offenbar schwerwiegende Planungs- und Genehmigungsfehler zu Gedränge und Panik geführt hatten.

„Es gilt eine neue Zeitrechnung: vor Duisburg und nach Duisburg“, bestätigt Marc Oßwald (48) von Koko&DTK-Entertainments. Auch er ist 20 Jahre lang im Geschäft, seine Agentur hat Standorte und 18 Angestellte in Freiburg, Tübingen und Konstanz. „Die Anforderungen bei der Durchführung von Veranstaltungen sind gestiegen“, hat Diplomkaufmann Oßwald registriert, „aber das ist überall so, nicht nur in Freiburg.“ Und sie betreffen nicht nur die großen, sondern auch kleine Veranstaltungen, auch die von Vereinen, die jahrelang mit lockerer Hand und wenig Professionalität im Hoffen auf ein gutes Gelingen durchgeführt werden. „Es werden sich noch viele Veranstalter wundern“, prophezeit Oßwald, „wenn von Amts wegen genauer hingeguckt wird.“ Auch er betont: „Wir haben keine Probleme mit dem Amt für Öffentliche Ordnung in Freiburg.“

„Die Lust auf Feiern ist ungebrochen“

Immerhin hat Marc Oßwalds Koko das größte Event der Freiburger Neuzeit mitgemanagt: den Papstbesuch im September vergangenen Jahres mit Zehntausenden auf den Straßen und knapp 100 000 Gläubigen beim Gottesdienst auf dem Flugplatz. Natürlich, es macht einen Unterschied, ob man zahme Katholiken oder wilde Techno- oder Rockfans „kanalisieren“ muss. Doch Koko traut sich auch an schwierige Aufgaben, Rock am See in Konstanz und Southside Festival in Neuhausen ob Eck (Kreis Tuttlingen) stehen dafür. Koko hat jetzt auch das Freiburger Sea-of-Love-Festival übernommen. Die Zusammenarbeit mit den Behörden sei gut wie immer. „Es geht respektvoll und lösungsorientiert zu, wir haben keine Kommunikationsprobleme“, sagt Oßwald.

Gleichwohl, eine heile und problemlose Welt wollen die Eventmanager nicht an die Wand malen. „Die Lust auf Feiern ist ungebrochen, und es ist besser, man schafft einen Rahmen dafür“, sagt Reipöler. Wildwuchs könne eher problematisch sein, stattdessen solle man „passende und schlüssige Formate“ für jedes Fest entwickeln – mit klaren Regeln für Anwohner wie auch Feiernde. Denn Feierlust und Ruhebedürfnis sind die beiden Pole, zwischen denen Feste stattfinden. „Das Lärmproblem ist da und es wird noch größer werden“, sagt Oßwald. Und zwar egal, ob es sich um ein Stuttgarter Schlossplatzfest oder um einen Feuerwehrhock auf dem Dorf handelt. Die Konsequenz sei, dass wahrscheinlich immer mehr Musikveranstaltungen um 22 Uhr enden werden. Ob das schlimm ist? Kommt auch auf die Musik an.