Eislingen führt noch die NS-Verbrecher Wilhelm Murr und Christian Mergenthaler als ehemalige Ehrenbürger. Jetzt sollen sie von der Liste gestrichen werden.

Eislingen - Während sich die Nachbarstadt Göppingen mit den neuen Nazis herumschlagen muss, hat die Stadt Eislingen Scherereien mit Schergen aus der Zeit des Nationalsozialismus. Wilhelm Murr und Christian Mergenthaler waren 1933 in Eislingen zur größten Ehre gekommen, die die Stadt zu vergeben hat. Sie wurden zu Ehrenbürgern ernannt.

 

Verurteilter NS-Verbrecher auf der Liste

Die NS-Funktionäre auf höchster Landesebene sind im Zusammenhang mit dem damaligen Zusammenschluss von Groß- und Klein-Eislingen zur Stadt Eislingen/Fils geehrt worden. Murr war der NSDAP-Gauleiter Württemberg-Hohenzollern sowie der Reichstatthalter in Württemberg, Mergenthaler unter anderem Kultminister und Ministerpräsident Württembergs. Beide taten sich durch Antisemitismus und Parteitreue hervor.

Murr flüchtete bei Kriegsende nach Österreich, wurde aber bald von französischen Truppen verhaftet. Er tötete sich mit einer Giftampulle. Mergenthaler kam in Balingen in Haft und wurde 1948 als sogenannter Hauptschuldiger verurteilt. Nach seiner Entlassung lebte er zurückgezogen in seinem Haus in Korntal-Münchingen im Kreis Ludwigsburg. 1980 starb er im Alter   von 96 Jahren in Bad Dürrheim im Schwarzwald.

Nazigrößen als Karteileichen

Dass beide immer noch Ehrenbürger in Eislingen sind, übrigens neben dem jüdischen Fabrikanten David Fleischer, dem Unternehmer Ludwig Sixt oder dem Pfarrer und Geologen Theodor Engel, ist erst im Frühjahr aufgefallen, nachdem die Lokalpresse im Stadtarchiv nachgefragt hatte, ob denn ein Adolf Hitler noch Ehrenbürger der Stadt sei. Hitler, der in Nazizeiten in mehr als 4000 Städten und Gemeinden flugs zum Ehrenbürger ernannt worden war, wurde in Eislingen nicht erwähnt, aber eben jene beiden Nazigrößen.

Verwaltung will kein Aufsehen erregen

Die Stadtverwaltung war damals überrascht. Straßennamen hatte man nach dem Krieg zwar geändert, die Ehrenbürgerliste jedoch hatte keinerlei Auswirkungen auf das städtische Leben und war wohl in Vergessenheit geraten. Nun wollte die Verwaltung das Thema gerne in nicht-öffentlicher Sitzung abhandeln. Ein Beschluss, Murr und Mergenthaler aus der Ehrenbürgerliste zu streichen, sei nicht nötig. Mit dem Tode erlösche auch die Ehrenbürgerwürde, so lesen es die Stadtoberen aus der Satzung. Im Übrigen sei Mergenthaler rechtskräftig als NS- und Kriegsverbrecher verurteilt worden. Zum allgemeinen Strafmaß der Täter zählten damals auch die Aberkennung aller Ämter und Würden. Und so hätte der OB Klaus Heininger gerne nur bekannt gegeben, dass Eislingen nur mehr sechs statt acht Ehrenbürger erwähnt.

SPD fordert öffentliche Diskussion

Die SPD-Fraktion ist damit nicht einverstanden. Sie fordert eine öffentliche Diskussion und den offiziellen Beschluss. „Egal, ob die Ehrenbürgerwürde rein formal posthum aberkannt werden kann oder nicht, der Gemeinderat sollte sich in jedem Fall ausdrücklich von der Verleihung an Mergenthaler und Murr distanzieren“, sagt Peter Ritz, der SPD-Fraktionschef.

NS-Ehrenbürger auch in anderen Kommunen

Das Dilemma, wie man mit längst verstorbenen unwürdigen Ehrenbürgern umgeht, teilt Eislingen mit anderen Kommunen, die sich im Jahr 1933 beeilt hatten, Nazifunktionäre auszuzeichnen. So war Adolf Hitler unter anderem Ehrenbürger von Böblingen, Marbach oder Münchingen, Christian Mergenthaler auch Ehrenbürger in seiner Heimat Korntal, Wilhelm Murr auch in Böblingen, Mergenthaler und Murr wurden in Kirchheim geehrt.

Überall und wann immer derartige Karteileichen auftauchten, taten sich die heutigen Stadtväter schwer. Am liebsten würde man ohne Aufsehen die Namen stillschweigend aus der Liste tilgen. So bereinigte Böblingen seine Kartei erst vor einem Jahr. Kirchheim hatte sich bereits im Jahr 2007 dazu durchgerungen zu dokumentieren, dass die Auszeichnung in der NS-Zeit erfolgt war und heute so nicht mehr vergeben würde. In Münchingen und Marbach wurde Adolf Hitler erst im Jahr 2010 aus der bis dahin in Vergessenheit geratenen Ehrenbürgerliste gestrichen.

Mit dem Ehrenbürgertitel sind in Eislingen nach Auskunft des Ersten Bürgermeisters Herbert Fitterling wie andernorts auch keine weiteren Vergünstigungen oder Sonderrechte verbunden. Im Übrigen gibt es in Eislingen auch keinen lebenden Ehrenbürger mehr. Die Ehrenbürgerschaft wurde seit der Zwangsvereinigung von Groß- und Klein-Eislingen im Jahr 1933 nur dreimal vergeben. Neben den beiden Nazifunktionären wurde im Jahr 1934 der ehemalige Schultheiß von Klein-Eislingen, August Umgelter, zum Ehrenbürger ernannt.