Weil sich ein Anwohner wegen des Lärms beschwert hat, muss die Stadt Sachsenheim einen Bolzplatz einzäunen und einen Schließdienst finden. Anderen Städten geht es ähnlich. Anlass zur Hoffnung gibt eine neue Lärmschutzverordnung.

Sachsenheim - Es ist ein langes Wort, an das sich die Hoffnungen Sachsenheims derzeit klammern: Sportanlagenlärmschutzverordnung. Eine im Januar von Bundestag und Bundesrat verabschiedete aktualisierte Version der Verordnung könnte der Stadt nämlich bares Geld sparen. „Das könnte eine wirkliche Erleichterung für uns bringen“, sagt Nicole Raichle, die Pressesprecherin der Stadt. Aber noch sei es zu früh, davon auszugehen. Denn in diesem Fall ist vieles komplizierter ist als es erscheint.

 

Worum geht es eigentlich? Im Grunde nur um einen Bolzplatz und um einen Anwohner, der sich über den Lärm dort beschwert. Der Fall ist deswegen so interessant, weil er exemplarisch steht für das Problem vieler Kommunen im Landkreis, die wegen geänderter Lärmschutzvorschriften und zunehmenden Anwohnerbeschwerden viel Geld in die Kontrolle der erlaubten Nutzungszeiten der Plätze stecken müssen. Oder es bleiben lassen und den Platz schließen oder verlegen – mit der Folge, dass der Breitensport aus den Wohngebieten verschwindet.

Für die Allgemeinheit gelten andere Grenzwerte

Den Bolzplatz an der Sportanlage des TSV Kleinsachsenheim und der Grundschule gibt es seit den 1980er Jahren, anfangs war er nur für Schulsport geöffnet. Als der Platz schließlich für die Allgemeinheit geöffnet wurde, wurden strengere Grenzwerte für Lärm angesetzt. „Als es noch eine reine Schulanlage war, wurden die Grenzwerte stets eingehalten“, sagt Nicole Raichle. Doch erst mal interessierte es niemanden, dass es auf und um den Platz zu laut war – bis zum Jahr 2007. Damals entstand gegenüber des Platzes ein Baugebiet.

Den Ärger ahnend, wies die Stadt die direkt angrenzenden Grundstücke als Mischgebiet aus. Hierfür gelten weniger strenge Lärmvorschriften als für Wohngebiete. Dafür waren dann auch die Grundstückspreise niedriger. Doch nun legte ein Anwohner über seinen Anwalt beim Landratsamt in Ludwigsburg Beschwerde gegen die Geräusche des Bolzplatzes ein. Die Folge: die Stadt bekam die Auflage, eine nachträgliche Baugenehmigung einzuholen und ein aktuelles Lärmschutzgutachten zu erstellen. Denn zum Zeitpunkt den Bolzplatzbaus war letzteres noch nicht notwendig gewesen und musste demnach auch nachträglich nicht gemacht werden. Im Fachjargon heißt das „Altanlagenbonus“.

Der Bolzplatz hatte den „Altanlagenbonus“

Nach dem Gutachten war dieser Bonus weg: Das Landratsamt erlaubte die Nutzung des Platzes, jedoch nur, wenn der Platz eingezäunt wird und es stark eingeschränkte Öffnungszeiten gibt: Werktags von acht bis 20 Uhr täglich, maximal jedoch acht Stunden; an Sonn- und Feiertagen von neun bis 13 Uhr sowie von 15 bis 20 Uhr, maximal jedoch 5,5 Stunden. Und die Stadt muss kontrollieren, ob die Vorgaben von den Kickern auch eingehalten werden. Ein Schließdienst, auch am Wochenende, wäre der Stadt aber zu teuer. Nach dieser Beschwerde müsse man auch „die anderen Standorte im Auge behalten“, sagt Raichle. Wenn es dort zu Problemen komme, könne dies ebenfalls zu Einschränkungen führen. Das beeinflusse natürlich auch die Planung weiterer Bolzplätze im Stadtgebiet.

Der Breitensport wird aus den Wohngebieten gedrängt.

Sachsenheim ist kein Einzelfall. In Bietigheim-Bissingen beispielsweise gibt es laut der Stadtsprecherin Anette Hochmuth „immer wieder“ Probleme mit Bolzplätzen. Vor allem nächtliches Gekicke von jungen Erwachsenen führe zu Unmut bei den Anwohnern, eine Kontrolle sei aber schwierig. Einmal sei ein Fall vor Gericht gelandet, jedoch habe man sich außergerichtlich einigen können, ehe das Gericht unter Umständen die Schließung des Platzes anordnen hätte können. In anderen Fällen verlegte die Stadt den Bolzplatz einfach an den Rand des Wohngebiets oder machte eine Spielwiese daraus.

Die Gesetzeslage

Sport
Weil es immer wieder Ärger mit Bolzplätzen und Sportanlagen gibt, warten viele Kommunen derzeit gespannt darauf, dass die neue Sportstättenlärmschutzverordnung in Kraft tritt – mutmaßlich im Juni. Diese wurde erlassen, um ein besseres Miteinander von Sport und Wohnen zu ermöglichen. In Baden-Württemberg gilt diese Verordnung auch für Bolzplätze. Im Jahr 2011 bewirkte eine ähnliche Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, dass Lärm von Kindertagesstätten und Kinderspielplätzen nicht als schädliche Umwelteinwirkung gelten.

Lautstärke
Die neue Verordnung beseitigt die bislang bestehenden besonders geschützten Ruhezeiten zu Mittag und am Wochenende. Zu diesen Zeiten darf es künftig fünf Dezibel lauter sein. In einem Mischgebiet beispielsweise 60 Dezibel tagsüber und 45 Dezibel nachts.