Über Astro TV mehren sich Beschwerden. Es geht um den Vorwurf des Betrugs, doch der lässt sich nur schwer beweisen. Jedenfalls scheinen Anrufe bei den Call-In-Sendungen mit Kosten verbunden zu sein.

Stuttgart - Reich zu werden, ist gar nicht so schwer. Sagt Daniel Kreibich. Der Mann ist Hellseher und eines der bekanntesten Gesichter von Astro-TV, dem Sender für Zuschauer, die heute schon wissen wollen, was die Zukunft bringt.

 

Geld, sagt Kreibich, viel Geld. Man müsse nur für 99,95 Euro einen Glasstein kaufen, den er energetisch aufgeladen habe, zack, ziehe man das Geld an wie ein Magnet. Das mutet wie Realsatire an, doch das Lachen darüber bleibt immer mehr Menschen im Halse stecken. Schließlich gibt es tatsächlich Zuschauer, die solchen Versprechen auf den Leim gehen. Bei der für Astro TV zuständigen Landesmedienanstalt Berlin-Brandenburg reißen die Beschwerden über den Sender deshalb nicht ab. Achtzig sind alleine in den vergangenen Wochen eingegangen. Es läuft sogar eine Online-Petition für den Entzug der Sendelizenz. Verfasst haben sie Aktionskünstler aus Berlin. Sie nennen sich „Peng! Collective“. Ein Name wie ein Knalleffekt. Er ist Programm. „Peng!“ mischen die Politik mit provokanten Aktionen auf.

Anfang Februar verliehen sie ihrer Forderung nach einem Aus für Astro TV auf ihre unnachahmlich ironische Weise Nachdruck. Da schleuste sich einer ihrer Mitarbeiter unter dem Vorwand in die Live-Sendung „Leichter Leben - Zeit für mich“ in der Berliner Zentrale ein, er wolle über die Kunst plaudern, Menschen zum Lachen zu bringen.

Satiriker entert die Sendung

Es war der Schauspieler Amid Jacobi, 30, verkleidet als Clown „Pjotr Wasabi“. Er schwenkte ein Gummi-Huhn durch die Luft. Er orakelte über die beiden Gehirnhälften und darüber, dass sie besser zusammenarbeiteten, wenn Menschen Dinge tue, die man eigentlich nicht tue. Plötzlich zog er ein Ei aus der Tasche, ließ es sanft auf dem Kopf des Moderators zerplatzen und rief: „Wir finden, Astro TV sollte die Sendelizenz entzogen werden, denn das hier ist Betrug! Melden Sie sich beim psychosozialen Dienst, der kostet nichts.“

Bilder von der Guerilla-Aktion verbreiteten sich in rasendem Tempo bei YouTube. Nach 167 000 Klicks ließ Astro TV den Film von der Videoplattform entfernen und untersagte den Aktivisten die weitere Verbreitung mit Hinweis auf die Urheberrechte. Die, so heißt es in einem Brief des Anwalts, lägen beim Sender. Doch die Guerilla von Peng! lassen sich nicht einschüchtern. Sie stellten den Film auf ihre eigene Website „www.pen.gg“ und drehten gleich noch ein zweites.

Es zeigt, wie Amid Jacobi eine Wahrsagerin von Astro TV in der Angelegenheit um Rat bittet und wie er dann die Unterlassungserklärung in Schnipsel reißt, als sie ihm nahelegt, er solle es nicht noch schlimmer machen, als es schon sei. „Auf Sie kommt wirklich zu, dass Sie Geld bezahlen müssen.“

Keine Angst vor einer Klage

Jacobi gibt sich gelassen. Angst vor einer Klage von Astro TV habe er nicht, sagt er. Der Sender hatte ihn ja eingeladen, offenbar nicht ahnend, wer da ins Studio kam. Bei „Peng!“ werten sie die Aktion als vollen Erfolg: „Wir wollten ja eine Debatte darüber anzetteln: „Wie soll unser Fernsehen aussehen? Was ist TV, und was ist Casino?“

Das öffentliche Echo gibt den Künstlern Recht. Plötzlich war der kleine Spartensender Astro TV wieder Gesprächsthema in den Medien. Und plötzlich trauten sich auch ehemalige Mitarbeiter von Astro TV aus der Defensive. Und vielleicht war das der eigentliche Erfolg.

Denn erst sie lieferten den Verfassern der Online-Petition die Munition, die man braucht, um die Forderung nach einem Entzug der Sender-Lizenz zu untermauern. Ihre Vorwürfe sind so gravierend, dass man sich fragt, wie es der 2004 gestartete Sender bislang jedes Mal geschafft hat, seine Lizenz zu verlängern - die aktuelle ist befristet bis zum 31. Mai 2018.

Wird der Zufallsgenerator ignoriert?

Denn wenn es stimmt, was diese Informanten sagen, dann praktiziert Astro TV in seinen Call-In-Sendungen dieselben betrügerischen Methoden, die einst dem Verkaufssender Neun Live zum Verhängnis geworden sind: Nach der Gewinnspielsatzung muss ein Zufallsgenerator nach einem bestimmten Algorythmus immer jeweils den x-ten Anruf aussuchen, der dann durchgestellt wird.

Glaubt man den Mitarbeitern, dann ignorierten die Moderatoren diesen Zufallsgenerator nicht nur konsequent, um die Zahl der Anrufe in der Warteschleife zu erhöhen. Sie beförderten diesen Prozess auch, indem sie behaupteten, jetzt seien die Leitungen frei, die Zuschauer sollten schnell anrufen.

50 Cent kostet der Anruf über Festnetz. 34 Cent davon kassiere Astro TV nach Abzug der Mehrwertsteuer und Providerkosten – und zwar unabhängig davon, ob der Anrufer durchgekommen ist oder nicht. Anders sei dieses Geschäftsmodell auch nicht finanzierbar. „Eigentlich kann es sich nur mit betrügerischen Manipulationen rechnen“, sagt ein ehemaliger Mitarbeiter.

Ehemalige Mitarbeiter erheben Vorwürfe

Der Hinweis darauf, dass auch nicht durchgestellte Anrufe kostenpflichtig sind, läuft während der laufenden Sendung kleingedruckt über unteren Bildrand. Der Landesmedienanstalt Berlin-Brandenburg reicht das als Ausweis der Glaubwürdigkeit des Senders aus.

Es heißt, die Vorwürfe der Mitarbeiter könne man nur prüfen, wenn sie den Betrug mit Sendeprotokollen für jede einzelne Sendung nachweisen könnten – und zwar bis auf die Minute genau. Und genau das ist das Problem. Erstens sind Moderatoren sind fast alle Freiberufler. Kaum einer von ihnen würde dafür seinen Job riskieren. Zweitens, heißt es in Fachkreisen, sei die Auswertung dieser Protokolle von Telefon-Servern so aufwändig, dass selbst erfahrene Kontrolleure lieber die Finger davon ließen.

Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass Astro TV jede Stellungnahme zu den Vorwürfen verweigert. „Wir haben uns bereits vor einiger Zeit gegen weitere Stellungnahmen gegenüber Medienvertretern entschieden, nachdem wir leider einige negative Erfahrungen bezüglich der einseitigen Berichterstattung machen mussten“, heißt es in einer Email des Unternehmens.

90 Millionen Umsatz

„Die wissen, dass ihnen keiner was nachweisen kann“, sagt ein ehemaliger Mitarbeiter, der selber als Producer von Call-In-Sendungen gearbeitet hat. Immerhin hat die Aktion von Peng! den wunden Nerv des Unternehmens berührt. „3,5 Millionen Kunden weltweit“ bedient der Senderbetreiber Adviqo laut Homepage. Es geht um viel Geld. 90 Millionen Euro Umsatz erwirtschaftet der Konzern nach eigenen Angaben. Das Geschäft mit energetisch aufgeladenen Glassteinen und anderem Klimbim scheint also tatsächlich reich zu machen – wenn auch nur den Sender.