Die Kirchen wollen neue Kita-Plätze schaffen, fordern aber höhere Zuschüsse. Sie wollen gleich behandelt werden wie die anderen Träger.

Stuttgart - Zwischen den großen Kirchen und der Stadt Stuttgart gibt es erneut Streit um die Zuschüsse für die Kindertagesstätten. Die Kirchen wehren sich dagegen, auch künftig eine niedrigere Förderquote zu bekommen als die anderen freien Träger. Um der Stadt und dem Gemeinderat die Entscheidung zu erleichtern, haben die Kirchen ein Angebot vorgelegt: Sie erklären sich bereit, bis zu 1500 neue Kitaplätze zu schaffen und auf diese Weise der Stadt dabei zu helfen, bis 2013 die neuen gesetzlichen Vorgaben zu erfüllen. Bis dahin soll es für jedes dritte Kind unter drei Jahren einen Betreuungsplatz geben. Stuttgarts Finanzbürgermeister Michael Föll aber winkt ab: „Das Kinder- und Jugendhilfegesetz lässt eine Differenzierung nach der Eigenfinanzkraft der Träger zu.“ Föll verweist auf die Kirchensteuermittel und fügt hinzu, dass der Etatentwurf für 2012/2013 auch die Kirchen besser stelle.

 

Der Vorschlag der Verwaltung zum neuen Haushalt sieht vor, den Kirchen 85 Prozent der Kosten für das pädagogische Personal zu erstatten, während den anderen Trägern 90 Prozent zugestanden werden. „Wir können diese Unterschiede nicht länger hinnehmen“, macht der katholische Stadtdekan Christian Hermes deutlich. Sollte der Gemeinderat in den Haushaltsberatungen dem Vorschlag der Verwaltung folgen, kündigt Hermes Konsequenzen an: „Dann überlegen wir, den Versorgungsvertrag mit der Stadt kündigen.“

Darin hat die katholische Kirche sich verpflichtet, 4200 Kitaplätze vorzuhalten. Diese Bindung würde dann erlöschen. „Ich habe ein klares Votum des Stadtdekanatsrates. Wir sind bereit, mehr als ein Fünftel der Kirchensteuern in die Kitas zu investieren, aber damit ist für uns eine Grenze erreicht.“ Von den 12,4 Millionen an Kirchensteuermitteln fließen derzeit 2,5 Millionen in die katholischen Kindertagesstätten. „Seit 2008 hat sich unser Eigenanteil verdoppelt“, sagt Hermes.

Stadtdekan will Versorgungsvertrag kündigen

Der katholische Stadtdekan hat der Stadt zugesagt, bis 2015 insgesamt 46 neue Gruppen zu schaffen – das wären je Betreuungsangebot zwischen 460 und 1150 neue Krippen- oder Kindergartenplätze. Der Ausbau sei aber nur möglich, wenn die Stadt auch für eine angemessene Finanzierung Sorge trage. „Das ist nicht der Fall, auch nach dem neuen Entwurf bekommen wir nur für das pädagogische Personal die 85 Prozent, für die Hauswirtschaft, Reinigung und andere Berufsgruppen aber nicht.“ Hermes wehrt sich dagegen, alle zwei Jahre als Bittsteller auftreten zu müssen. „Ich vermisse eine klare Systematik bei den Förderrichtlinien“, kritisiert der Stadtdekan gegenüber der StZ.

Auch auf evangelischer Seite ist man nicht glücklich über den Vorschlag. Zwar ist Hermann Beck, der Finanzchef der evangelischen Gesamtkirchengemeinde, froh darüber, dass die Stadt künftig zumindest teilweise die Personalkostensteigerungen ausgleichen will, aber auch er will die Ungleichbehandlung nicht länger hinnehmen. Die evangelische Kirche hat bereits vor zwei Jahren den Versorgungsvertrag gekündigt. „Wir haben seither keine Kita geschlossen. Im Gegenteil, wir würden gerne weiter ausbauen“, versichert Beck, aber auch er macht deutlich: Voraussetzung für den Aufbau von 400 weiteren Kitaplätzen sei eine bessere Förderung. Bei ihrer Forderung nach einer Angleichung beruft sich Beck auf ein Rechtsgutachten, das sie in Auftrag gegeben hat und das zu dem Schluss kommt: für gleiche Leistungen müsse es die gleiche Förderung geben.

Kämmerer: Kirchen profitieren von eigener Steuer

Der Jugendamtsleiter Bruno Pfeifle will dagegen nicht von einer Ungleichbehandlung der Kirchen sprechen, vielmehr gebe es gute Gründe für die Staffelung der Fördersätze: „Es ist gesetzlich geregelt, dass bei der Bemessung der Eigenleistungen die unterschiedliche Finanzkraft und die sonstigen Verhältnisse der Träger berücksichtigt werden müssen. Und genau das tun wir.“ Und Tatsache sei eben, dass die Kirchen über eigene Steuereinnahmen verfügen – anders als Eltern- Kind-Initiativen oder kleine Träger.

Pfeifle weist auch darauf hin, dass der jetzige Haushaltsentwurf auch für die Kirchen Verbesserungen bringt: „Künftig bekommen die freien Träger keine Pauschalen mehr, sondern einen Ausgleich für die tatsächlichen Personalkosten.“ Auch würden künftige Mehreinnahmen – etwa durch Gebührenerhöhungen – bei den Trägern verbleiben.

Finanzbürgermeister Föll wird noch deutlicher: „Wir haben die Träger bessergestellt, nach jetzigem Stand bekommen sie im Jahr fast eine Million Euro mehr. “ Seine Kollegin auf der Bürgermeisterbank, Isabel Fezer, dagegen kommt den Kirchen entgegen: „Grundsätzlich habe ich Verständnis für das Anliegen der Kirchen. Auch mir ist daran gelegen, dass wir rasch zu einem Ausbau von Kitaplätzen vor allem im Krippenbereich kommen.“ Die Kirchen jedenfalls wollen die nächsten Tage nutzen, um noch einmal bei den Fraktionen für ihr Anliegen zu werben, bevor es an die Verabschiedung des Haushalts geht. Gehör gefunden haben die Kirchen bisher bei der SPD-Fraktion, die die Forderungen übernommen hat. Für den katholischen Stadtdekan Hermes ist eines klar: „Wenn die Stadt den Ausbau selbst finanzieren muss, wird es teurer.“ Kämmerer Föll kontert: „Wir haben auch noch andere Träger.“

Stadt muss bis 2013 Kita-Plätze ausbauen

Betreuungsplätze In der Stadt Stuttgart gibt es derzeit 23.500 Kita-Plätze, davon sind 10.330 Plätze in den Händen der Stadt. Die evangelische Kirche unterhält im Moment 5300 Betreuungsplätze für Kinder unter sechs Jahren, die katholische Kirche 4200. Dafür bekommen die Kirchen derzeit jährlich zusammen 33,9 Millionen Euro an Zuschüssen für die Personal- und Sachkosten.

Ausbau Das Kinderförderungsgesetz des Bundes sichert den Eltern von August 2013 an einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz, wenn das Kind ein Jahr alt ist. Bis 2013 soll bundesweit für jedes dritte Kind unter drei Jahren ein Betreuungsplatz vorhanden sein. Das Jugendamt der Stadt will bis Ende 2013 insgesamt 800 zusätzliche Kita-Plätze durch Um- und Ausbau schaffen.

Förderrichtlinien Die Förderrichtlinien sind kompliziert. Der Vorschlag der Verwaltung sieht vor, den Kirchen künftig 85 Prozent der tatsächlichen Personalkosten zu erstatten, den anderen freien Trägern 90 Prozent. Allerdings sind darin nicht alle Berufsgruppen eingeschlossen: die 85 und 90 Prozent gelten nur für das pädagogische Personal. Für die Sachkosten ist die Förderung niedriger.