In immer mehr Landkreisen überwiegt die Zahl älterer Kollegen. Der medizinische Nachwuchs arbeitet öfter in Teilzeit oder in Kooperationen. Die Kassenärzte bieten diverse Anreize, um den Ärztemangel zu bekämpfen.

Stuttgart - In den 32 Städten und Gemeinden im Landkreis Waldshut sind 107 Hausärzte tätig. Davon sind freilich 48 Prozent, also fast die Hälfte, schon über 60 Jahre alt. Nicht nur dort suchen viele Allgemeinmediziner händeringend nach einem Nachfolger für ihre Praxis. Im Landkreis Tuttlingen sind 44 Prozent der Hausärzte über 60, im Landkreis Calw 41 Prozent. Altershalber das kleinste Problem hat der Enzkreis. Dort sind von den 122 niedergelassenen Allgemeinmedizinern 20 Prozent älter als 60 – das ist freilich auch jeder fünfte. In Karlsruhe gilt das für 26, im Landkreis Tübingen für 28 Prozent der Hausärzte.

 

Die KVBW hält das gute Versorgungsniveau für gefährdet

Diese Angaben sind im neuen Versorgungsbericht der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) zu finden, den sie jetzt veröffentlicht hat. Der Bericht zeige, „dass das gute Versorgungsniveau in Baden-Württemberg gefährdet ist, kommentiert die KVBW. „Obwohl der Arztberuf nach wie vor ein hohes Ansehen genießt, wird es schwieriger, frei werdende Praxen nachzubesetzen.“

Im Landesdurchschnitt sind 34 Prozent der Hausärzte und 23 Prozent der Fachärzte über 60 Jahre alt. „In den nächsten fünf bis zehn Jahren werden in Baden-Württemberg also rund 10 000 junge Ärzte und Psychotherapeuten als Praxisnachfolger in der ambulanten Versorgung benötigt, um zumindest das derzeitige Niveau zu halten,“ stellt die KVBW fest. Aktuell sei die vertragsärztliche Versorgung „in den meisten Regionen noch gut“. Es gebe inzwischen aber Gebiete, „wo die hausärztliche Versorgung bedarfsplanerisch nahe an der Grenze zur Unterversorgung ist“: Horb (Landkreis Freudenstadt) oder Eberbach (Rhein-Neckar-Kreis) zum Beispiel.

Bei den Ärzten geht der Trend Richtung Angestelltenverhältnis

Das Problem ist nicht neu, das Durchschnittsalter der Mediziner steigt kontinuierlich an. War der durchschnittliche Kassenarzt im Südwesten im Jahr 2002 noch 50,9 Jahre alt, so ist er 2014 bereits 54,5 Jahre. Hausärzte sind dabei im Schnitt 55,2, Fachärzte 53,3 und Psychotherapeuten 56 Jahre alt. Die Kassenärzte halten es für „wenig realistisch“, jungen Ärzten vorschreiben zu wollen, wo sie sich niederzulassen haben. „Die Nachwuchsmediziner von heute wollen anders arbeiten als die Generation, die jetzt in den Ruhestand geht“, heißt es bei der KV. „Der ärztliche Nachwuchs möchte mehr Zeit für die Familie und für Freizeitaktivitäten haben.“

Auch wollen die jungen Mediziner nicht alleine in einer Einzelpraxis arbeiten, sondern in Kooperation mit anderen Ärzten. „Der Trend geht deshalb eindeutig in Richtung Angestelltenverhältnis.“ Das werde dadurch verstärkt, dass der Anteil der Ärztinnen wächst. „Wer als Ärztin Familie und Kinder und einen ebenfalls berufstätigen Partner hat, will in dieser Lebensphase vielfach weder in Vollzeit tätig sein noch die Verantwortung einer freiberuflichen Praxisgründung auf sich nehmen“, zeigt sich die Kassenärztliche Vereinigung verständnisvoll.

Praxisneugründungen und Filialpraxen sollen bezuschusst werden

Aber auch männliche Mediziner arbeiten öfter Teilzeit. Mehr als die Hälfte der angestellten Ärzte und Psychotherapeuten arbeiten 50 Prozent oder 25 Prozent. Einen 25-Prozent-Job machen insgesamt 445 angestellte Ärzte im Land, davon sind 263 Frauen und 182 Männer. 50 Prozent arbeiten 822 Ärzte, davon 567 Frauen und 255 Männer. Die KVBW hat einige Programme aufgelegt, um der Mangelentwicklung gegenzusteuern. Damit sollen Praxisneugründungen und -übernahmen, Filialpraxen und die Anstellung von Medizinern bezuschusst werden. So unterstützt die KVBW zum Beispiel Hausärzte, die eine Praxis neu gründen oder übernehmen, mit bis zu 60 000 Euro. Natürlich sind daran Bedingungen geknüpft, etwa dass man mindestens fünf Jahre an dem Ort praktiziert.

Eine wichtigere Rolle spielten auch so genannte Filialpraxen: Wo sich für einen in den Ruhestand gehenden Arzt kein Nachfolger findet, besteht die Möglichkeit, dass ein benachbarter Kollege dort eine sogenannte Nebenbetriebsstätte einrichtet. Selbst wenn dort keine Vollversorgung mehr stattfinde, könne doch wenigstens an zwei oder drei Tagen ein Arzt vor Ort sein. Dafür macht die KVBW Investitionszuschüsse bis zu 40 000 Euro locker.

Wo alles nichts hilft, will die KVBW selbst einsteigen. Beispiel gebend dafür seien die 80 Notfallpraxen, die quer durchs Land seit 2013 eingerichtet worden sind und den ärztlichen Bereitschaftsdienst abgelöst haben.