Gerade hat das ZDF mit „Dr. Klein“ eine neue Krankenhausserie aufgelegt, da stehen schon die nächsten TV-Mediziner in den Startlöchern. Eine vielversprechende Ärzteschwemme?

Stuttgart - SOS! Ärzteschwemme im deutschen Fernsehen! Weißkittel stürmen den öffentlich-rechtlichen Vorabend und narkotisieren die Zuschauer mit dramatischen Storys über Milzriss, Alzheimer und Fremdsprachen-Akzent-Syndrom. Selbst „Tatort“-Personal wie Christine Urspruch und Miroslav Nemec schulte schon für „Dr. Klein“ trendbewusst um. Diese neue, in Stuttgart gedrehte ZDF-Serie ist nur die Vorhut eines wiederentdeckten Genres: den so genannten Medicals.

 

„So was hatten wir schon länger nicht mehr“, erklärt Johannes Frick-Königsmann, beim ZDF zuständig für Film und Serie, die neue Lust auf Docs und Schwestern. Und weil das wohl so stimmt – die letzte Krankenhausserie im Zweiten, „Herzflimmern“, liegt fast drei Jahre zurück – wollen die Mainzer im Januar an „Dr. Klein“ nahtlos anknüpfen mit einer weiteren wöchentlichen Dosis Schmerz mit Herz: „Bettys Diagnose“.

Noch befindet sich die Klinikserie im operativen Stadium: Es wird gedreht. Für einen ersten Eindruck hat der Sender in das Klinikum Leverkusen bei Köln eingeladen, die im TV als Aachener Karlsklinik firmiert. Sofort fällt auf: alles so schön bunt hier. Cyanblau strahlen die Wände der Aufnahmestation, violett die Krankenzimmer. Die Schauspielerinnen tragen weinrote Schwesternkittel, und den Empfangstresen in warmem Holz schmückt die unvermeidliche Nachtfalter-Orchidee.

Die neuen Medicals werden horizontal erzählt

Die Hauptfigur in diesem farbenfrohen Ambiente ist Bettina „Betty“ Dewald, eine Krankenschwester „mit Leib und Seele“. Was das bedeutet? Betty will nicht, und auf diese Formulierung ist der ZDF-Redakteur Frick-Königsmann besonders stolz, dass ihre Patienten „sich als Spielball in einem Flipper-Automaten sehen, der Krankenhaus heißt“. Betty kümmert sich. In ihrer Klinik, prophezeit das ZDF, „nehmen Lebensläufe eine neue Richtung“. Auch ihr eigener. Denn Betty ist um die dreißig und will Kinder. Ihr Freund, ein Rocker, nicht. Jedenfalls nicht mit ihr, weshalb die Vibrationen zwischen ihr und dem Stationsarzt Dr. Behring freie Bahn haben. Frisch und modern und komisch wolle man die Geschichten rund um Betty erzählen, sagt Frick-Königsmann. Wobei frisch, sprich unbekannt, in erster Linie die Schauspieler sind: Bettina Lamprecht (Betty), Maximilian Grill (Dr. Behring) oder Theresa Underberg und Carolin Walter als Bettys Kolleginnen Lizzy und Talula. Sie alle sind Ausführende des großen Umbauprojekts im ZDF, dem Frick-Königsmanns Abteilungsleiterin Heike Hempel das Etikett „Familienserie 2.0“ gegeben hat.

Den „Landarzt“ und auch den Förster aus Falkenau hat Hempel ja unlängst auf den Fernsehfriedhof befördert. Jetzt ist Platz, um, wie es die ZDF-Fachfrau formuliert hat, „die Kompetenz aus dem Krimifach auf andere Genres zu übertragen und damit lebensnah und genau von dem zu erzählen, was all diejenigen tagtäglich beschäftigt, die für keine Sondereinsatztruppe arbeiten und ihr Frühstücksbrötchen nicht in der Gerichtsmedizin verzehren“. Gefrühstückt wird von nun an also in der Stuttgarter Kinderklinik Rosenstein („Dr. Klein“) beziehungsweise in der Karlsklinik in Aachen („Bettys Diagnose“). Mal was anderes. Beide Serien werden horizontal erzählt, das heißt sie bauen wie ein großer Roman aufeinander auf. Horizontale Erzählstränge sind in amerikanischen Edelserien gerade angesagt, weil sie dem Autor die Möglichkeit geben, komplexer zu erzählen. Die Sorge scheint aber unbegründet, dass eine der beiden neuen ZDF-Kittelserien ihren Komplexitätsanspruch in die Länge ziehen wird wie einen Strudelteig. Dafür ist der Sendeplatz am frühen Freitagabend zu stark auf wohliges Werberahmenprogramm genormt.

Auf die Idee, zum Beispiel mal eine deutsche Variante von „Dr. House“ mit einer miesepetrigen Hauptfigur vorzulegen, ist beim ZDF offenbar noch niemand gekommen. Auch die ARD amputiert lieber ihren Dauerbrenner „In aller Freundschaft“, um rund um den attraktiven Dr. Niklas Ahrend (Roy Peter Link) eine Ablegerserie zu kreieren. „In aller Freundschaft – Die jungen Ärzte“ soll im Januar donnerstags in den ARD-Vorabend kommen.