Der Landesparteitag der europakritischen AfD ist geplatzt. In Baden-Württemberg kämpft die Alternative für Deutschland mit persönlichen Ressentiments, mit Strömungen und gegen die Überforderung einzelner Führungskräfte.

Stuttgart - Manche sprechen von Flügelkämpfen, andere sehen schlicht das Personal überfordert. Fest steht, in der baden-württembergischen Sektion der Alternative für Deutschland (AfD) schlagen die Wogen hoch. Der für das Monatsende geplante Landesparteitag in Tettnang ist geplatzt. Ein Vorstandsmitglied musste schon seinen Platz räumen. Die Ursachen sind uneindeutig.

 

Es gibt eine Gemengelage, sagt Lars Patrick Berg, der Sprecher der AfD Baden-Württemberg. Die Lage ist unübersichtlich, pflichtet das Vorstandsmitglied Marc Jongen bei. Schon über die Gründe, warum der Parteitag abgesagt wurde, gibt es unterschiedliche Auffassungen. Offiziell gibt es zu wenig Anmeldungen. Der Ort sei wohl zu abgelegen, erklärt Berg. Nur 100 von 3000 Mitgliedern aus dem Land hätten zugesagt, nach Tettnang zu fahren.

Sprecher sieht Bedarf an Professionalisierung

Doch schon im Vorfeld wurde auch Kritik an der Tagesordnung laut. Diese erlaube gar keine Beschlussfassungen, kritisierten Teile des Vorstands. Auch seien seit dem Pforzheimer Parteitag vom November 2013 noch an die hundert Beschlussanträge offen. Der Pressesprecher Berg räumt ein, „unsere Mitglieder haben wenig bis gar keine Gremien- und Medienerfahrung“. Er ergänzt „es besteht noch Bedarf, uns strukturell und personell zu professionalisieren“.

Zu formalen Ungeschicklichkeiten kommen persönliche Reibereien. Wie berichtet, musste der Stuttgarter Stadtrat Eberhard Brett seinen Posten zur Verfügung stellen, weil er dem ehemaligen Mitglied und jetzigen AfD-Kritiker Elias Mößner eine Mail über die Absage des Landesparteitags weitergeleitet hatte. Mit dem Stuttgarter Stadtrat Heinrich Fiechtner liegt die Parteiführung noch im Clinch wegen einer angeblichen Indiskretion.

Einzelne Parteimitglieder führen die Querelen auf Flügelkämpfe in der Partei zurück. Strömungen gibt es in der Südwest-AfD jede Menge. Ganz neu hat sich ein Arbeitnehmerflügel gebildet, dann gibt es die konservativ-liberalen „Kolibris“, die eher linksliberal verortet werden, eine „patriotische Plattform“ sowie den nicht zu unterschätzenden so genannten Pforzheimer Kreis, der stark christlich geprägt ist, und der sich am Rande des Parteitags in Pforzheim im November gebildet hat, wie Vorstandsmitglied Bernd Grimmer, der Vorsitzende des AfD-Kreisverbandes Pforzheim berichtet.

Entsprechend stark hat sich in Pforzheim die Partei auch gegen den neuen Bildungsplan für die Schulen gewehrt. Lars Patrick Berg spricht von zwei Strömungen, einer liberalen und einer „wert- bis nationalkonservativen“. Für ihn liegt das Problem darin, dass die Partei wenig Zeit gehabt habe, sich zu positionieren. „Wir haben in Hast und Eile Strukturen aufgebaut“, jetzt sei es an der Zeit für „einen Schritt der Einigung und des Schulterschlusses“. Grimmer sieht das gelassen, „das wird sich ausbalancieren“.

Taugen alle für hohe Parteiämter?

Der stellvertretende Vorstandssprecher Marc Jongen, der in der Partei integrativ wirken will, strebt eher danach, die AfD fest als Partei zu konstituieren. „Es ist gefährlich, wenn sich die Partei schon so schnell fragmentiert“, warnt er. Allerdings haben die Turbulenzen seiner Ansicht nach nur bedingt mit den Streitigkeiten zwischen Liberalen und Konservativen in der AfD zu tun. „Im Grunde geht es um die Tauglichkeit einzelner Personen für hohe Parteiämter“, konstatiert Jongen.

Ein Revirement wäre denkbar. Drei der 14 Vorstandsämter werden ohnehin frei. Brett ist zurückgetreten, Lars Patrick Berg und Anna Schupeck gehen mit den neuen Europaabgeordneten Bernd Kölmel und Joachim Starbatty nach Brüssel. Der erste Schritt zu einem Schulterschluss könnte bereits am Monatsende getan werden. Trotz der Absage des Parteitags wird es ein Mitgliedertreffen geben. Dort soll auch beschlossen werden, wann der Parteitag nachgeholt wird. Als wahrscheinlich gelten September oder Oktober. Zu klären wäre auch der Stil des Umgangs nach innen und außen, regt Jongen an. Der Umgang sei „ein bisschen anstrengend“ klagt auch Grimmer und deutet Entgleisungen an.