Die AfD-Vorsitzende Frauke Petry tritt nicht als Spitzenkandidatin bei der Bundestagswahl an. Sie hat sich mit ihren Alleingängen verrannt, kommentiert Roland Pichler. Doch es gibt noch einen Plan B.

Berlin - Die AfD-Vorsitzende Frauke Petry zieht die Notbremse. Kurz vor dem Kölner Parteitag am Wochenende erklärt sie den Verzicht auf eine Spitzenkandidatur im Wahlkampf. Die ehrgeizige Parteichefin will weder als alleinige Nummer eins in die Wahl ziehen noch ein Spitzenteam bilden. Dabei handelt es sich um eine Flucht nach vorn. Petry kommt einer Niederlage auf dem Parteitag zuvor. Zu groß war der Widerstand gegen ihren Wunsch, sich als Frontfrau küren zu lassen.

 

Dass sie das wollte, steht fest. Bis kurz vor Bekanntwerden ihrer Entscheidung haben ihre Unterstützer dafür geworben, dass die Alternative für Deutschland mit nur einem Spitzenkandidaten die besten Chance hätte. Dass es sich dabei um Petry handeln sollte, daran bestand in ihrem Lager kein Zweifel. Doch die Naturwissenschaftlerin aus Sachsen und ihre Getreuen haben sich verkalkuliert. Letztlich stolperte Petry über ihre berüchtigten Alleingänge. Auf dem Parteitag wollte Petry, die noch vor wenigen Wochen keine Scheu zeigte, sich mit Rechtspopulisten wie Geert Wilders aus den Niederlanden und Marine Le Pen aus Frankreich zu treffen, die realpolitische Trendwende der AfD einleiten. Dafür sollte sie die Galionsfigur sein. Das ist wenig überzeugend.

Petrys tollkühne Behauptungen

Wer Petrys Begründung für den Verzicht auf eine Spitzenkandidatur hört, fühlt sich an ein Politikseminar erinnert. Die Vorsitzende spricht sich gegen jede Form von Fundamentalopposition aus und wirbt dafür, auf mittlere Sicht eine Regierungsbeteiligung in den Blick zu nehmen. Das ist angesichts von momentan nicht einmal zweistelligen Umfrageergebnissen eine tollkühne Behauptung. Die Gründe, die zu diesem Schritt geführt haben, liegen in Wahrheit woanders: Petry erkennt, dass sie Teile der AfD gegen sich aufgebracht hat. Ihr verquaster Antrag für den Parteitag hat in der AfD Unruhe entfacht. Mit dem Verzicht auf eine Spitzenkandidatur will Petry zeigen, dass es ihr nur um Sachfragen geht. Das ist aber schon deshalb wenig glaubwürdig, weil sie zuvor Angebote zur Zusammenarbeit ausgeschlagen hatte.

Die überraschende Entscheidung schwächt Petry. Ob dies den Anfang vom Ende der Parteivorsitzenden bedeutet, ist aber nicht ausgemacht. Bei der Spitzenkandidatur für den Wahlkampf handelt es sich um ein inoffizielles Amt. Nach dem Paukenschlag der Vorsitzenden sind alle Konstellationen denkbar: Möglich ist, dass die AfD ein neues Spitzenteam bildet. Das wäre kein Zeichen der Stärke, denn diesem Team würden die Parteivorsitzenden nicht angehören. Petry steht ebenso wenig zur Verfügung wie der Co-Vorsitzende Jörg Meuthen, der nicht für den Bundestag kandidiert. Ein Spitzenteam ohne die Parteichefs wäre eine Krücke. Denkbar ist deshalb, dass die AfD ganz auf eine Wahlkampfspitze verzichtet. Die Partei könnte mit ihrem gewählten Führungspersonal in die Auseinandersetzung ziehen. Möglicherweise setzt Petry darauf. Dies wäre zugleich das Eingeständnis, dass die Partei an der Spitze heillos zerstritten ist.

Die Zukunft der AfD ist ungewiss

Ob Petry weiterhin die herausgehobene Rolle in der Partei spielen kann, die sie bisher beansprucht hat, ist nicht mehr sicher. Für sie spricht zwar, dass sie das bekannteste Gesicht der AfD ist. Bei den Mitgliedern ist sie überaus beliebt. Doch die eigensinnige Vorsitzende hat viele Funktionäre der Partei gegen sich aufgebracht. Ihr mangelt es an Unterstützung. Stürzt die AfD damit in eine Krise wie vor fast zwei Jahren, als der selbstverliebte Parteichef Bernd Lucke von Bord ging? Das ist unwahrscheinlich. Die eurokritische Partei ist jetzt in elf Landesparlamenten vertreten. Sie verfügt über gestärkte Strukturen. Für viele Wähler ist die AfD als Protestpartei interessant – ob mit oder ohne Petry, ist für sie zweitrangig. Der Einzug in den Bundestag scheint gewiss zu sein. Wie es mit der AfD danach weitergeht, steht auf einem anderen Blatt.