Im Europaparlament versuchen die Europaskeptiker an Posten zu kommen – zumeist vergebens. Die anderen Parteien bremsen sie gezielt aus.

Brüssel - Am Montag will er es noch mal versuchen. Dann wird sich Bernd Lucke in Straßburg im Wirtschaftsausschuss des Europarlaments erneut zur Wahl stellen. Es geht um den Posten des stellvertretenden Ausschussvorsitzenden. Es geht für den Chef der Alternative für Deutschland (AfD) aber um mehr, nämlich darum, ob seine Partei als politische Kraft im Plenum ernst genommen wird. „Manche wollen mit dem Kopf auch zwei Mal durch die selbe Wand“, warnt der FDP-Europaabgeordnete Alexander Graf Lambsdorff.

 

In der abgelaufenen Woche war Lucke bei der Wahl im Ausschuss überraschend durchgeplumpst. Ausgerechnet der Mann, der den Euroraum gern auflösen will, strebte im zuständigen Parlamentsausschuss nach dem Amt des Vizepostens. Das war manchen zu viel.

Eigentlich wird im konsensorientierten Europaparlament um solche Posten nicht gestritten. Die prestigeträchtigen Ämter werden reihum nach der Größe der Fraktionen vergeben. So selbstverständlich ist das Verfahren, dass es nicht mal schriftlich niedergelegt ist. In den Ausschüssen etwa werden meist nur die Namen der Kandidaten aufgerufen, dann wird laut geklatscht.

Von der AfD kam alein Olaf Henkel durch

Bei Lucke fiel der Beifall aus, es wurde abgestimmt, mit bekanntem Ergebnis. „Das ist keine Frage der Mehrheit, sondern eine Frage der Person“, sagt der FDP-Abgeordnete Lambsdorff spitz. Aber Luckes Fall zeigt: Die Abgeordneten ringen noch um den richtigen Umgang mit den Rechten und Europaskeptikern. Die haben im neuen Parlament um rund fünfzig Sitze zugelegt, ein Fünftel der 751 Abgeordneten zählt zu dieser Gruppe. Und die bleiben bei wichtigen Posten draußen vor der Tür.

Die Fraktion des britischen Polterers Nigel Farage ging bei den Vizepräsidentenposten leer aus, die italienische Fünf-Sterne-Bewegung des Komikers Beppe Grillo kam beim Vorsitz des Petitionsausschusses nicht zum Zug und Luckes Parteifreundin Beatrix von Storch fiel als Vizechefin des Frauenausschusses durch. Von der AfD kam allein der frühere BDI-Chef Olaf Henkel kam als Vizevorsitzender im Industrieausschuss durch. Ausgrenzen heißt die Devise – und nach außen zeigen, dass da parlamentarisch wenig kommt.

Allerdings schimmert das rechte Spektrum vielfältig. Luckes eurokritische AfD hat sich der Fraktion der Europäischen Konservativen angeschlossen. Dort sitzen die Tories des britischen Premier David Cameron ebenso wie die Partei Recht und Gerechtigkeit des nationalpolnischen Jaroslaw Kaczynski Nationalen die stramm rechten Dänische Volkspartei und die Wahren Finnen. Eine bunte Truppe, deren Fraktionschef Syed Kamall aber wenigstens ernsthaft Politik betreibt.

Das Parlament wird von innen geschwächt

Der Ton im Plenum ändert sich. In der ersten Reihe des Plenums neben Kamall saß der Brite Nigel Farage, wie immer hinter einer kleinen Union-Jack-Standarte. Farage ist Chef der Fraktion Europa der Freiheit, zu der die italienische Fünf-Sterne-Bewegung ebenso gehört wie die ungarischen Rechtsextremisten von Jobbik und die Schweden Demokraten. Was Nigel Farage unter Freiheit versteht, machte er gleich zum Auftakt deutlich. Als zur Eröffnung der ersten Sitzung Beethovens Europahymne erklang, drehten er und ein Großteil seiner Gefolgsleute dem Orchester den Rücken zu. Später polterte von hinten die französische Rechtspopulistin Marine Le Pen los. Und Beatrix von Storch forderte im scharfen Ton eine namentliche Abstimmung über das Amt des Parlamentspräsidenten. Der Antrag wurde abgelehnt.

Es ist paradox: Gerade hat sich das Europaparlament mit der Kür von Jean-Claude Juncker als Kommissionspräsident seine Macht nach außen ausgebaut. Doch durch die rechten Polterer droht sich das Parlament von innen selbst zu schwächen.