Das Affenhaus der Wilhelma ist seit einem Jahr ein Besuchermagnet. Doch wie geht es hinter den Kulissen zu? In einer Serie stellt die StZ-Lokalredaktion die Bewohner des Affenhauses vor.

Psychologie und Partnerschaft: Eva-Maria Manz (ema)

Stuttgart - Annika Krengel schaut durch die Glasscheibe. „Wenn hier einer in der Nase popelt, ist das kein gutes Zeichen.“ Im Affenhaus der Wilhelma fasst sich ein kleiner Gorilla immer wieder ins Gesicht. Ist er erkältet?

 

Zwei Bonobos kommen sofort nach vorne, als sie die Tierärztin sehen, schlagen mit der flachen Hand ans Glas. Einer greift plötzlich nach einem Seil, schwingt sich durchs Gehege und knallt dumpf gegen die Scheibe. Direkt vor den Augen von Annika Krengel – eine Drohgeste. Einige Kinder kreischen und lachen laut los.

Wenn die große Frau um die Ecke kommt, freut sich bei den Bonobos keiner. Hat sie vielleicht eine Spritze dabei? Ein ekliges Medikament? Gerade in der Übergangszeit müssen die beiden Tierärzte der Wilhelma die Affen aber gut im Auge behalten. Der große Garten vor den neuen Gehegen ist für die Tiere das Paradies. Wenn sie erst einmal draußen sind, wird es schwierig, sie nach drinnen zu bekommen. „Das viele Grün ist wie ein Süßigkeitenladen“, erklärt die Chefpflegerin und Revierleiterin Bea Jarczewski.

Im grünen Spaßparadies lauern Gefahren

Doch der Garten ist eine tückische Versuchung. Wird es zum Abend hin kühler, erkälten sich besonders die empfindlichen Bonobos schnell, werden krank, genau wie Menschen. In diesem Jahr konnten die Affen daher noch selten in ihrem grünen Spaßparadies turnen. Bedauerlich, nicht nur für die lebhaften Tiere. Hat ihr neues Zuhause – Innen- und Außengehege zusammen genommen – die Menschen doch stolze 22 Millionen Euro gekostet. Vor einem Jahr wurde das Affenhaus eröffnet – 10 000 Quadratmeter Luxus im Stuttgarter Zoo.

Die folgende Grafik zeigt einen Lageplan des Menschenaffenhauses:

Hinter den Kulissen des Hauses arbeiten Pfleger, Tierärzte und Botaniker beinahe rund um die Uhr für das Wohl der Bonobos und Gorillas. In direkten Kontakt mit ihnen darf niemand. Sie gelten als gefährliche Tiere, erklärt die Tierärztin Annika Krengel.

Nur durch das Gitter können Mensch und Tier sich nahe kommen. Spezialräume erleichtern die Arbeit der Affenexperten. Etwa zwei Arztzimmer: Infusionen, Spritzen, Tupfer liegen hier bereit. Im Notfall könnte ein sedierter Affe auf dem OP-Tisch behandelt werden. Für den Umzug vom alten in das neue Haus im vergangenen Jahr mussten tatsächlich alle Tiere betäubt werden. Die Ärzte nutzten die Gelegenheit und checkten sie gründlich durch. Im neuen Gehege liegt Rindenmulch auf den Böden. Würden die Affen hier Parasiten und Einzeller einschleppen, wäre es aufwendig, das Ungeziefer wieder los zu werden.

Im Hintergrund arbeiten die Pfleger fast rund um die Uhr

Auch die 17 Pfleger des Affenreviers haben versteckte Räume im Neubau. Was dort passiert, sehen die Besucher nicht. Der durchgeplante Alltag verläuft im Verborgenen. Der Ladebereich unter den Gehegen leuchtet an diesem Morgen grün. Große Äste und Zweige stehen in Wassereimern. Immer mittwochs fahren die Pfleger in den Wald, holen frisches Laub als Futter für die Affen. Sie präparieren Äste, Bälle und kleine Holzstämme, stecken sorgfältig einzelne Rosinen hinein, damit die Tiere sich damit beschäftigen können.

Die Gorillas lieben Süßes. Und das nutzt auch der Tierärztin. Sie kann den Tee der Affen süßen lassen, wenn die kränkeln und daher mehr trinken sollen. Doch Vorsicht – mahnt Annika Krengel – allzu lecker dürfen die verabreichten Speisen nicht sein. Dann genießen die Affen so voller Wonne, dass sie es noch einmal erleben wollen: Sie stecken sich den Finger in den Hals und spucken das Futter wieder aus – um es erneut zu essen.

Kibo strotzt nur so vor Kraft und Masse

Zwei Kinder im Zuschauerraum kichern, sie haben die Geschichte auch gehört. Wer im Affenhaus arbeitet, erlebt eben nicht nur, wie ähnlich unsere nächsten Verwandten uns sind – sondern auch, wie kurios manches Verhalten dem Menschen erscheint. Krengel schaut sich jetzt ein Bonobo-Männchen genauer an. Es bewegt sich langsam, erscheint seltsam kurzatmig. Die Herren bei den Zwergschimpansen beobachtet die Tierärztin aufmerksam. Sie haben es oft mit dem Herzen. „Das ist der Stress, weil sie immer von den Weibchen eins aufs Dach kriegen“, meint Annika Krengel. Weder ganz unten, noch ganz oben in der Hierarchie hat man es offenbar leicht. Das weiß auch Kibo, Chef der Gorillas, und ständiger Verteidiger seiner eigenen patriarchalen Herrschaftsrechte. Die Chefpflegerin Bea Jarczewski hat ihn gut im Blick, kennt seine Launen genau. Oft wirkt er harmlos und gelangweilt. Wer dem riesigen Silberrücken allerdings von Auge zu Auge begegnen würde, hätte kaum eine Chance. Kibo strotzt nur so vor Kraft und Masse, wiegt 160 Kilo.

Doch irgendjemand muss sein Gehege putzen, denn selber macht er es nicht. Holzwolle, Kot, Äste, da häuft sich jeden Tag einiges an. Morgens werden die Affen daher eine Weile weggesperrt. Sie wollen den Pflegern sicherlich nichts Böses – doch können sie ihre Kräfte einschätzen? Das weiß man nicht, meint Jarczewski. Deshalb gehe die Sicherheit vor.

Wenn es Abend wird im Stuttgarter Zoo, die Besucherströme abgeebbt sind, bleiben die Tiere alleine zurück. Gemeinsam ruhen die Gorillas in ihrem Gehege. Die Bonobo-Männchen werden einzeln eingesperrt. Nur zum eigenen Schutz – vor ihren Weibchen.

So geht es weiter...

Wer sind die Gorillas im neuen Affenhaus? Wir haben uns den Stuttgarter Affen-Clan genauer angeschaut. Unsere Porträt-Serie ist aus intensiven Gesprächen mit den Pflegern entstanden und startet am Montag.

Kibo
– Der Chef 16. Juni

Undi
– Die Emanze 17. Juni

Mimi
– Die Großmutter 18. Juni

Kolo
– Die Zicke 20. Juni

Tuana
– Die Neue 21. Juni