Der Kassler Agrarökonom Ulrich Hamm widerspricht dem Vorwurf, dass die großen Discounter Biolebensmittel verramschen – und erklärt im Interview, warum sie Öko-Produkte günstiger anbieten können als die Konkurrenz.

Wissen/Gesundheit: Werner Ludwig (lud)
Herr Professor Hamm, warum stellen Ökobauern wieder auf konventionellen Anbau um?
Da gibt es zum einen persönliche Gründe – etwa Probleme mit der Hofnachfolge. Wenn Sohn oder Tochter den Betrieb nicht übernehmen, fragen sich viele Landwirte, warum sie sich mit dem hohen Arbeitsaufwand der Bioproduktion plagen sollen, und führen den Betrieb lieber konventionell weiter. Zum anderen gibt es handfeste wirtschaftliche Gründe. Viele Biolandwirte können sich die hohen Pachtpreise nicht mehr leisten, die in der Nähe großer Biogasanlagen verlangt werden.
Trotz der staatlichen Förderung des Biolandbaus?
Ulrich Hamm Foto: privat
Die Biogassubvention über das Erneuerbare-Energien-Gesetz ist höher als die Ökolandbauförderung und für viele Jahre garantiert. Die Förderung der Biolandwirtschaft ist immer abhängig vom nächsten Regierungswechsel und daher unkalkulierbar. Gleichzeitig ist das Risiko von Ernteausfällen durch Krankheiten oder Schädlinge höher. Zudem ist ein Landwirt, der auf Bio umstellt, für fünf Jahre gebunden, weil er sonst alle Subventionen zurückzahlen muss. Ein konventioneller Betrieb ist flexibler. Er kann in einem Jahr Mais für die Biogasanlage anbauen und im Jahr darauf Weizen für die Mühle.
Reicht die Bioförderung zusammen mit den höheren Preisen nicht, um Bio für Bauern attraktiv zu machen?
Die Ertragsrückgänge sind nur ein Faktor. Sie brauchen auch neue Maschinen, etwa zur Bodenbearbeitung. Wer Milch, Fleisch oder Eier produziert, muss seinen Stall umbauen. Die Kosten dafür sind in den Bioprämien, die pro Hektar gezahlt werden, gar nicht berücksichtigt. Hinzu kommt, dass Biobauern in den ersten beiden Umstellungsjahren nur den konventionellen Preis bekommen, obwohl sie schon weniger ernten. Immerhin hat Baden-Württemberg höhere Biofördersätze auf den Weg gebracht. Das reicht nur nicht, die Nachteile der Ökobauern auszugleichen.
Steigt mit höheren Subventionen das Risiko einer Überproduktion – mit der Folge sinkender Preise?
Im Ökosektor wird das auf absehbare Zeit nicht passieren. Wir haben es mit einem europäischen Markt zu tun, da spielt es keine Rolle, wenn etwa Baden-Württemberg seine Biofläche um 20 Prozent vergrößert. Ich halte die Kritik an der Förderung des Biolandbaus generell für verfehlt, denn auf der anderen Seite werden die Folgen der konventionellen Landwirtschaft komplett ausgeblendet – etwa die Beeinträchtigung der Trinkwasserqualität durch Pflanzenschutzmittel oder Nitrat. Da gibt es enorme externe Kosten, die vom Steuerzahler getragen werden.
Sind steigende Bioimporte nicht ein Indiz dafür, dass den Kunden die Herkunft nicht so wichtig ist?
Ganz und gar nicht. Nach unseren Untersuchungen legen Verbraucher zunehmend Wert auf Regionalität. Das Problem ist nur: sie können die Herkunft meist nicht erkennen. Es gibt nur bei wenigen Frischprodukten eine verpflichtende Herkunftsangabe – etwa bei Obst, Gemüse, Eiern, Geflügel oder Rindfleisch. Bei verarbeiteten Bioprodukten weiß kein Kunde, woher die Rohstoffe stammen. Einige Anbieter reagieren inzwischen auf dieses Problem. Es gibt auch eine Initiative des Bundeslandwirtschaftsministeriums, die Herkunft mit einem Regionalfenster zu kennzeichnen. Doch das steckt noch in den Anfängen.
Welche Rolle spielt der Preis?
Die Zahlungsbereitschaft wird stark unterschätzt. Es heißt immer, der Deutsche ist geizig und gibt wenig Geld für Lebensmittel aus. Das hängt damit zusammen, dass die Discounter hierzulande so stark sind wie in keinem anderen EU-Land. Das heißt aber nicht, dass die Kunden keine höheren Preise zahlen würden. Sie brauchen es de facto nicht, weil es diesen ruinösen Wettbewerb gibt. Unsere Untersuchungen zeigen, dass Kunden beispielsweise für tierische Produkte locker 30 bis 50 Prozent mehr ausgeben, wenn diese mit Futter aus der Region erzeugt wurden.
Frustriert es Biobauern nicht, wenn ihre Produkte bei Aldi & Co. verramscht werden?
Es ist ein Vorurteil, dass Discounter Bioprodukte verramschen. Bislang zahlen sie den Bauern meist mehr als der Naturkostgroßhandel. Discounter haben sehr niedrige Kosten und konzentrieren sich auf Produkte, die gut laufen. Deshalb können sie Bioware billiger anbieten. Auch die Discounter haben im Übrigen eine Präferenz für einheimische Produkte, weil ihnen das Risiko von Importen aus China oder Ostereuropa zu groß ist. Solange insbesondere heimische Ware knapp ist, wird der Preisdruck relativ gering bleiben. Wenn es ein Überangebot gibt, sieht es anders aus.