In einer Besenwirtschaft lockert der Trollinger die Zunge und Geselligkeit wird zur Pflicht. Auch im Besastüble von Gundula Ahl in Aichwald sitzen die Gäste an großen Tischen zusammen und philosophieren über das Leben.

Aichwald - Die ersten Wengerter sind im Oktober fertig mit dem Lesen ihrer Trauben. Dann beginnt traditionell die Besenzeit. Eine jener Schank- und Speisestuben, ist Gundis Besastüble in Aichwald-Aichelberg. Bereits beim Betreten des urigen und heimelig anmutenden Raumes mit rund vierzig Sitzplätzen, die meisten davon an großen Holztafeln, wird es dem Besucher warm ums Herz. Die Wände werden von alten Fotos in schwarz-weiß geziert, der Boden ist mit Holzdielen belegt, und an der Ecke steht ein großer Kachelofen. Auf einem Aquarellbild ist die Gemeinde Eÿchelberg auf die Wand gemalt. Der Verdacht drängt sich auf, dass es hier wohl schon immer so ausgesehen haben muss. Hat es aber nicht.

 

Es seien umfangreiche Umbauarbeiten erfolgt, verrät die Wirtin Gundula Ahl, die im Besen alle nur Gundi nennen. Im Jahr 2001 habe die Familie die Wirtschaft in der Schnaiter Straße 7 eröffnet, vor allem um zusätzliche Absatzmöglichkeiten für den eigenen Wein zu schaffen. Inzwischen wurde der eigene Weinbau aber aufgegeben. Jetzt wird Wein von den Esslinger Weingärtnern ausgeschenkt. Und der schmeckt den Gästen genauso, wie die deftigen Gerichte aus der Küche des Stübles. Auf der Karte stehen Vesperteller mit Schinkenwurst und Käse, ein Teller mit Sauerkraut und Brot, Maultaschen und Schlachtplatte. Besonders gut kämen der Grillbauch und der Krustenbraten an, verrät die Wirtin. Alles werde selbst gemacht, auch das Brot.

Im Besen spricht man Dialekt

Die Gespräche mit alten Bekannten und neuen Freunden an den Tischen drehen sich um die Kleinigkeiten des Dorflebens und die große Politik. Welcher Metzger hat die beste Wurst und wie sollte mit dem kürzlich gefassten Lebensmittelerpresser weiter verfahren werden. Sollte man ihm die „Gosch“ verschlagen oder doch nicht? Zwischendurch wird am Viertele „geschlotzt“, also genippt. Wer den Schwaben nach einem Besuch im Besen beschreiben müsste, könnte ihn fast redselig, gesellig und lustig nennen – Attribute, die ihm ansonsten eher selten beigestellt werden. Doch im Besen scheint selbst ein „Bruddler“ – ein Griesgram – aufzutauen.

Schwierig wird es allerdings für Auswärtige, Preußen oder Bayern beispielsweise, den Gesprächen der Einheimischen zu folgen. Von einem Aussterben des Dialekts, wie ihn manche Sprachforscher vorhersagen, ist im Besen nichts zu bemerken. Vielmehr stellt sich zuweilen die Frage: Ist es schurwälder Urschwäbisch oder spricht da nur jemand mit vollem Mund?

Seit dem Mittelalter ist es den Wengertern auch ohne Konzession gestattet, ihren Wein im Eigenheim auszuschenken. Viele Besenwirte wie Gundula Ahl haben aber inzwischen eine Gaststättenkonzession, damit sie beispielsweise länger als vier Monate im Jahr in höchstens zwei Zeitabschnitten geöffnet haben dürfen. In anderen Regionen werden Besenwirtschaften als Straußenwirtschaft (im Rheinland und in Rheinhessen), Kranzwirtschaft (in Baden), Rädle und Rädlewirtschaft (in der Bodenseeregion) sowie als Hecken-, Häckerwirtschaft oder Maienwirtschaft (in Franken) bezeichnet. In Österreich werden sie Buschenschank oder Buschenschenke sowie Leutgebschank genannt. In der Schweiz sind die Begriffe Besenwirtschaft, Besenbeiz oder auch Buschenschenke verwandt.

Was es mit dem Besen auf sich hat

Der Name Besen hat sich in Württemberg eingebürgert, weil der Besen vor der Türe einst als Zeichen dafür galt, dass Besucher empfangen werden. Hatte der Wengerter seine Stube ausgekehrt und den Besen vor die Türe gestellt, war die Wirtschaft in der heimischen Wohnstube geöffnet. Der Tradition fühlt sich Gundula Ahl verpflichtet. Auch vor ihrer Türe steht ein Besen. Doch darauf allein kommt es nicht an.

Das Besondere an einer Besenwirtschaft sei wohl die Geselligkeit, meint die Wirtin. Die meisten Gäste sitzen an den großen Tischen zusammen. „Es ist etwas anderes als in einem Restaurant, man kommt schnell ins Gespräch“, sagt sie. Der Wein lockert die Zunge. Dass mehr Trollinger als anderer Wein getrunken wird, das könne sie nicht bestätigen. „Es hält sich die Waage.“ Obwohl sie eine Konzession habe, wolle sie die Wirtschaft als Besen betreiben. „Das Flair wollen wir erhalten“, sagt Gundula Ahl. Allerdings habe sie ein bis zwei Wochen jeden Monat geöffnet, außer im August und im September. Die Öffnungszeiten sind wohl der größte Unterschied zum Besen ohne Konzession. Dass es der Familie gelungen ist, den Charakter des Besen beizubehalten, zeigt sich auch im Verhalten der Gäste. „Sie fühlen sich wie zuhause“, freut sich die Wirtin.

Das Publikum ist bunt gemischt, aus Plochingen, Deizisau, Altbach kommen ebenso regelmäßig Gäste wie aus dem Remstal und natürlich aus Aichwald. Die Wirtin hat alle Hände voll zu tun, ihre Gäste zu versorgen. „Ich bin mit allen per Du, das dauert immer nicht lange“, verrät sie, bevor sie schnell wieder in die Küche huschen muss.